Kurzarbeit: Diese Städte schicken Mitarbeiter nach Hause

29.4.2020, 05:53 Uhr
Rothenburg ob der Tauber leidet noch mehr als andere Kommunen unter der Coronakrise. Die Stadt ist enorm vom Tourismus abhängig - und der ist nun komplett eingebrochen.

© Colourbox.de Rothenburg ob der Tauber leidet noch mehr als andere Kommunen unter der Coronakrise. Die Stadt ist enorm vom Tourismus abhängig - und der ist nun komplett eingebrochen.

Wo sich sonst Tausende Touristen durch die mittelalterlichen Gassen quetschen, vorbei an Plönlein, Rathaus, Käthe Wohlfahrts Weihnachtswahnsinn und Burggarten, herrscht nun gähnende Leere. Fast wie ausgestorben liegt Rothenburg ob der Tauber da, und auch um die Vitalität des städtischen Haushalts ist es nicht viel besser bestellt.

"Wir hatten heuer eigentlich mit höheren Einnahmen als im Vorjahr geplant. Im Haushalt stehen 8,3 Millionen Euro Gewerbesteuern. Jetzt rechnen wir mit 4,8 Millionen – und das ist wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange", meint Stadtkämmerer Franz Fisch.

Rothenburg: Auch die Parkgebühren fehlen

Der Tourismus in der Tauberstadt liegt komplett brach. Hotels und Gaststätten haben geschlossen, der Einzelhandel in der Altstadt ist jetzt zwar wieder zulässig, ohne Touristen aber relativ sinnlos. Der Stadt fehlen nicht nur die Gewerbesteuern, sondern auch die Fremdenverkehrsbeiträge und die Parkgebühren. Zwei Millionen Euro kommen so in normalen Jahren in die Stadtkasse.

"Spätestens in der zweiten Jahreshälfte müssen wir einen Nachtragshaushalt reden. Die Kreditaufnahme zum Beispiel werden wir von 250.000 auf zwei bis drei Millionen Euro anheben müssen", verdeutlicht Fisch.Um zumindest ein paar Ausgaben zu sparen, setzt die Stadt seit Montag auf Kurzarbeit. Etwa 25 Mitarbeiter aus der Tourist-Info, der Musikschule und der Seniorenbegegnungsstätte bleiben nun daheim. Der Rathausturm kann ohnehin nicht mehr bestiegen werden, die Kasse bleibt deshalb ebenfalls unbesetzt.

"Das sind die Bereiche, wo momentan einfach kein Bedarf mehr da ist. Deshalb sind wir sehr froh, dass wir nun das Instrument der Kurzarbeit haben", sagt Personalamtsleiter Rainer Herrmann.

Aufstockung auf 95 Prozent

Vor der Coronakrise war Kurzarbeit im kommunalen öffentlichen Dienst gar nicht möglich. Doch kürzlich haben sich die Tarifpartner auf den TV Covid geeinigt, der bis Ende des Jahres Kurzarbeit auch in Kommunen erlaubt. Einzelne Bereiche wie insbesondere die hoheitliche Verwaltung sind davon aber ausgenommen. Die Kommunen verpflichten sich dazu, das Kurzarbeitergeld auf 95 Prozent (bei höheren Gehältern auf 90 Prozent) aufzustocken.

"Wir haben uns schon am Tag nach der Kommunalwahl damit beschäftigt. Dadurch konnten wir das Instrument jetzt sehr früh einsetzen", sagt Dinkelsbühls Oberbürgermeister Christoph Hammer (CSU). Etwa 80 der 250 städtischen Beschäftigten sind seit Montag in Kurzarbeit. Mitarbeiter von Frei- und Hallenbad, Sauna, Verkehrsamt, Tourist-Info, städtischer Musikschule und Landestheater sind nun komplett daheim. Ebenso Hausmeister, Reinigungskräfte und Mittagsbetreuung der beiden Grundschulen und der Mittelschule.

"Es gibt viele Bereiche in einer Stadt, die einem Wirtschaftsbetrieb sehr ähnlich sind – und da muss man auch betriebswirtschaftlich denken", betont Hammer. "Ich will nächstes Jahr nicht darüber diskutieren müssen, ob wir uns die Musikschule oder das Landestheater noch leisten können", meint Dinkelsbühls Oberbürgermeister. Deswegen müsse man jetzt die Ausgaben herunterfahren.

"Es geht nicht um Einzelfallgerechtigkeit"

Für Unmut kann die Kurzarbeit aber nun bei den Angestellten sorgen, in deren Bereichen nun viel Arbeit anfällt, die aber nur fünf Prozent mehr Gehalt bekommen als die Daheimgebliebenen. "Da muss man aber schon ein gewisses Verständnis haben, dass es hier nicht um die große Einzelfallgerechtigkeit bei den Mitarbeitern untereinander geht", sagt Hammer.

Während die meisten Kommunen mit der Kurzarbeit noch zögern, sind die Städte, für die der Tourismus eine große Rolle spielt, hier die Vorreiter. Schließlich trifft sie die Krise besonders hart. Neben Rothenburg und Dinkelsbühl ist das etwa auch Gunzenhausen.

"Wenn alles klappt, starten wir Anfang nächster Woche mit der Kurzarbeit", sagt Bürgermeister Karl-Heinz Fitz (CSU). Etwa 25 Mitarbeiter sind dann daheim, die meisten davon vom Zweckverband Altmühlsee. Doch nicht nur bei der Schiffsbesatzung der MS Altmühlsee ist Kurzarbeit angesagt, sondern auch in der Stadthalle und im Tourismusamt. "Ich bin froh, dass es dieses Instrument nun gibt. Man muss es aber verantwortungsbewusst einsetzen", betont Fitz.

In Weißenburg ist man momentan noch etwas zurückhaltender. "Wir wollen die weitere Entwicklung abwarten. Das Museum zum Beispiel kann ja vielleicht bald wieder öffnen", sagt Oberbürgermeister Jürgen Schröppel (SPD). Auch in Pottenstein wartet man noch etwas ab und prüft, leidet aber sehr unter den gewaltig eingebrochenen Einnahmen. "Dazu kommt ja auch noch der Mehraufwand, zum Beispiel für die Anschaffung von Schutzausrüstung für die Feuerwehr", verdeutlicht Bürgermeister Stefan Frühbeißer.

Kurzarbeit in Kitas?

In Erlangen gibt es derzeit noch keine konkreten Kurzarbeitspläne, in Fürth soll noch diese Woche eine Entscheidung fallen. Etwas weiter in der Diskussion ist man mittlerweile in Nürnberg. Ein Beschluss steht zwar noch aus, aber Stadtkämmerer und Personalreferent Harald Riedel geht davon aus, dass Kurzarbeit bald zum Einsatz kommt. "Der finanzielle Druck ist riesig", bekennt er. Insbesondere in den Bereichen Kultur, Bäder und Tourist-Info wird wohl bald Kurzarbeit angesagt sein.

Und auch bei den Kitas wird dies bereits geprüft. Inwieweit Kurzarbeit dort möglich ist, ist aber noch unklar. Schließlich wurde die Notbetreuung ausgeweitet, durch die derzeitigen Kleingruppen wird trotz weniger Kindern relativ viel Personal benötigt.

Keine Kurzarbeit bei VAG und N-Ergie

Bei der VAG gibt es dagegen keine Kurzarbeit. Schließlich werden mittlerweile wieder 95 Prozent des Angebotes gefahren. Und auch Projekte wie neue U- und Straßenbahnen sowie bessere Fahrgastinfos sollen weiterlaufen.

Und auch die N-Ergie verzichtet auf Kurzarbeit. Energie- und Wasserversorgung müssen ja ohnehin sichergestellt werden. Mitarbeiter aus dem geschlossenen Kundenzentrum beantworten Anfragen nun telefonisch oder per E-Mail.

Der Bayerische Städtetag fordert derweil, die Kommunen nicht mit der Finanznot allein zu lassen. Mit dem Kurzarbeitergeld allein würden sie nicht durch die Krise kommen. Die Kommunen brauchen einen Rettungsschirm, der noch in diesem Jahr greift, damit sie handlungsfähig bleiben. Kommunen sind als Auftraggeber von Investitionen wichtige Impulsgeber für die Wirtschaft. Sie müssen zahlungsfähig bleiben, damit wichtige Investitionen und Projekte nicht auf Eis gelegt werden", betont Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) als Vorsitzender des Bayerischen Städtetags.


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