Lautstarker Protest gegen ICE-Werk im Nürnberger Reichswald

7.11.2020, 14:03 Uhr
Lautstarker Protest gegen ICE-Werk im Nürnberger Reichswald

© Stefan Hippel

In der Tat steht gar nicht fest, ob das 5,5 Kilometer lange ICE-Werk tatsächlich in den Reichswald im Nürnberger Südosten kommt. Das muss erst ein Raumordnungsverfahren klären, das im nächsten Jahr beginnt. In der Bahn-Anlage mit insgesamt 450 Beschäftigten sollen rund um die Uhr Züge gewartet und wieder einsatzbereit gemacht werden.

Andere Standorte im Gespräch

Auch andere Standorte sind im Gespräch, doch aus Sicht der Bahn wäre ein 45 Hektar großes Areal entlang der Regensburger Straße und weiterführend zwischen Altenfurt und Fischbach am geeignetsten. Ein Areal, so groß wie ein Viertel der Nürnberger Altstadt.


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Das finden die dortigen Bewohner keineswegs: An den Straßen hängen bereits Plakate, die das Großprojekt für 450 Millionen Euro ablehnen: "Nein zum ICE-Werk" und "Finger weg von unserem Wald" steht auf den Plastikplanen.

"Wir wollen das Ding hier nicht haben, Punkt", äußert Werner Miegl, Vorsitzender des Bürgervereins Südost. Dabei geht es keineswegs nur um sinkende Lebensqualität und Immobilienpreise für die beiden "Walddörfer", es geht auch um den Reichswald selbst.

CSU-Mitglied will sich an Eiche anketten

"Ich bin pro Bahn, wir fahren E-Auto und viel Rad, wir denken ökologisch", sagt die Fischbacherin Simone Süß, "aber ich bin komplett dagegen, so viele Hektar wertvollen Reichswald für ein Bahn-Werk abzuholzen. Damit habe ich ein großes Problem." Gerade mit Blick auf den Klimawandel hält sie die "grüne Lunge" rund um Nürnberg für absolut unverzichtbar. Die Bahn habe genügend Brachflächen als Alternative.

Im Notfall will sich das CSU-Mitglied an eine mächtige Eiche anketten, um den teilweise uralten Baumbestand zu retten. Ihre Partei müsse noch viel grüner werden, meint Süß. Die frühere Cafe-Besitzerin spürt den deutlichen Unmut in der Bevölkerung ganz genau: "Ganz Fischbach und Altenfurt sind auf Krawall gebürstet", auch wenn man in einem konservativen Stadtteil lebe.

Lautstarker Protest gegen ICE-Werk im Nürnberger Reichswald

© Stefan Hippel

Der Bürgerverein Südost hat sich mit Bahn-Vertretern zu einem ersten Gespräch getroffen. Die Bilanz von BV-Vorstand Miegl: "Unter dem Strich enttäuschend, zu wenig Information, zu viel Unverbindlichkeit." Auf konkrete Fragen zu Lärmschutz und Lichtemission habe es keine Antworten gegeben.

Zu wenig Information

Auch zur möglichen Lage von Ersatzwald sei nichts mitgeteilt worden. Immerhin habe man aber erfahren, dass es neben dem von der Bahn favorisierten Areal bei Altenfurt noch weitere Standorte gibt: Neben dem Rangierbahnhof seien auch Flächen bei Burgfarrnbach, Allersberg und Baiersdorf ins Gespräch gebracht worden.

Dazu will jedoch die Deutsche Bahn nichts sagen: "Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu vertraulichen Gesprächen mit Dritten." Man freue sich aber über den konstruktiven Auftakt eines "Planungsdialoges mit allen Bürgern", heißt es auf Nachfrage der Lokalredaktion.

Corona: Bahn will virtuelle Sprechstunden

Mit dem Planungsdialog in Corona-Zeiten hat die Bahn, so der Sprecher, bereits andernorts gute Erfahrungen gemacht: Es soll virtuelle Sprechstunden und ein Streaming mit Fragen von Bürgern geben. Auch schriftlich könne man Einwendungen äußern, falls Bürgerversammlungen in einer Halle nicht möglich sind.

Daran scheitert auch eine Stadtteilversammlung des Bürgervereins Südost, die für den 24. November geplant war. Wegen der strengen Corona-Maßnahmen entfällt die Veranstaltung. Trotzdem ist das Thema "ICE-Werk" überall präsent: "Alle reden drüber, keiner will es", fasst Miegl die Stimmung zusammen. Er bekommt täglich Mails, auf Facebook habe sich eine Gruppe zum Austausch gebildet.

Eine Petition "Stoppt die Rodung des Nürnberger Reichswalds" auf der Website change.org. hat bis jetzt schon 9500 Unterstützer. Obwohl die Säge noch an keinem einzigen Baum angesetzt ist und das Raumordnungsverfahren der Regierung von Mittelfranken gar nicht begonnen hat. "Wir müssen uns früh zu Wort melden, nicht erst, wenn alles schon beschlossen ist", erklärt eine Anwohnerin, dies habe sie aus anderen Projekten in der Vergangenheit gelernt.

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