Umstrittene Personalunion

Nach der Übernahme: Spaltet SPD-Chef Florian von Brunn seine Partei?

21.5.2021, 18:52 Uhr
Florian von Brunn hat den Vorsitz der SPD und der Fraktion übernommen.

© Peter Kneffel, dpa Florian von Brunn hat den Vorsitz der SPD und der Fraktion übernommen.

Wie entspannt kann jemand sein, der gerade unsanft seinen Stuhl vor die Tür gestellt bekommen hat? "Sehr entspannt", sagt Horst Arnold. "Sie erwischen mich gerade auf der Couch. Mir geht es bestens, wirklich." Niemand habe in der Fraktion ein schlechtes Wort über ihn verloren, sagt der Fürther SPD-Politiker. Es sei schlicht um die Frage gegangen, ob Partei- und Fraktionsvorsitz in eine Hand gehören.


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Dass eine hauchdünne Mehrheit das bejaht, wäre demnach Arnolds persönliches Pech. Doch wer sich umhört in der SPD, gewinnt einen anderen Eindruck. Denn das, was am Mittwoch passiert ist, reicht tiefer, als es eine rein strategische Frage tun könnte. Nicht nur Arnold ist verwundet, auch wenn er das nicht zugibt. Florian von Brunn hat mit seinem Griff nach der Macht in der SPD die Partei wie die Fraktion gespalten.

Das zeichnet von Brunns Weg an die Spitze aus: Wenn er in Wahlen geht, verliert oder gewinnt er sie denkbar knapp. Das war bei seinem Weg an die Spitze der SPD so, die er sich erst im zweiten Anlauf holte, mit 0,5 Prozentpunkten Vorsprung. Jetzt bei der Fraktion hat sich das wiederholt. Vier Anläufe brauchte von Brunn, dann hatte er es nach zweieinhalb Jahren geschafft.

"Das hat es seit 1946 nicht gegeben"

Was er und seine Getreuen als normalen demokratischen Vorgang verstehen, kommt nicht bei allen an. Viele sehen eine neue, schlechte Qualität. "Das war ein Vorgang, der mich angegriffen hat", sagt Alexandra Hiersemann, die den Stimmkreis Erlangen-Höchstadt vertritt. "Das hat es seit 1946 nicht gegeben, dass jemand in der laufenden Legislatur aus dem Amt gewählt worden ist." Viermal in all den Jahren hatten Amtsinhaber den Platz mittendrin an einen Nachfolger übergeben. Nie ging eine Kampfkandidatur voraus, immer waren es geplante Stabswechsel.

Horst Arnold, sagt nicht nur Hiersemann, habe die Fraktion zusammengehalten. Der Nürnberger Stefan Schuster bestätigt das. "Sehr gut" habe Arnold geführt, sagt er, "unaufgeregt und kollegial". Der Augsburger Harald Güller bescheinigt Florian von Brunn "einen Führungsstil, der mir persönlich nicht gefällt." Güller hat sein Amt als haushaltspolitischer Sprecher niedergelegt, kaum das von Brunn gewählt war. Es sei "wenig sinnvoll, wenn ich zentrale politische Inhalte nicht teile".

Güller konnte den Schritt freiwillig vollziehen. Andere wurden davon überrascht, dass von Brunn sämtliche Positionen im Fraktionsvorstand mit eigenen Leuten besetzt. Einige der Amtsinhaber hatten nicht einmal eine Warnung erhalten. Menschlich unsauber sei das gewesen, sagen die Gegner des neuen Fraktionschefs. Mit ihnen allen will von Brunn nun reden und sie zurückholen ins Boot.

"Radikalere ökologische Positionen"

Ob ihm das gelingen wird, steht auf einem anderen Blatt. Der Riss, der sich schon lange durch die Fraktion zieht, ist seit Mittwoch noch ein ganzes Stück tiefer. Es geht um mehr als nur inhaltliche Fragen. Für seine Gegner steht Florian von Brunn vor allem für einen anderen Stil. Er verfolge "radikalere ökologische Positionen", sagt Harald Güller. "In seinen Umgangsformen wird er mehr über Strafanzeigen, über Untersuchungsausschüsse und Ähnliches gehen, um Aufmerksamkeit zu generieren. Das kann man natürlich versuchen." Güller muss nicht erwähnen, dass er den Weg für falsch hält.


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Andere sehen die Fraktion gespalten in die Realpolitiker hinter Arnold und die Populisten und Skandalisierer um von Brunn. Arif Tasdelen allerdings lässt das nicht gelten. Der Nürnberger steht fest an der Seite von Brunns, hat sich erst zu dessen Generalsekretär wählen lassen und jetzt zu seinem Stellvertreter im Fraktionsvorstand. "Wir gewinnen nur mehr Schlagkraft", sagt Tasdelen, "wenn wir die Ämter zusammenführen." Die SPD müsse wieder wahrgenommen werden, in die Öffentlichkeit finden. Arnold sei das nicht gelungen; Florian von Brunn dagegen stehe regelmäßig im Rampenlicht.

Tatsächlich kann den Mann, dem sie in seiner SPD ein gewaltiges Ego bescheinigen, kaum einer in der Fraktion an Lautstärke überbieten. Dort sehen sie seine Machtfülle mit Sorge. Die Fraktion brauche Beinfreiheit, müsse eigene Ideen entwickeln können, sagen Leute wie Stefan Schuster. Die SPD brauche mehr als einen Vortänzer, sagen andere. Vor allem sehen sie nicht, dass von Brunn die Fraktion als Team versteht. "Er wird alles auf sich zuschneiden", sagt einer. Und fragt, wer noch wahrnehme, dass die SPD mit Ronja Endres eine Doppelspitze habe? Das sage alles. Dass von Brunn so die SPD retten kann, daran zweifelt nicht nur er.

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