"Drachenlord": Wie geht man mit Hetze im Netz um?

06.09.2018, 13:32 Uhr
Hetze im Netz - was dagegen tun? Darüber diskutierten in Neustadt die SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Träger (2. v. li.) und Dr. Johannes Fechner (3. v. li), Landtagsabgeordneter Harry Scheuenstuhl (li.) und Dennis Chiponda (re.), ein Juso-Mitglied aus Nürnberg.

© Gabriele Graßl Hetze im Netz - was dagegen tun? Darüber diskutierten in Neustadt die SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Träger (2. v. li.) und Dr. Johannes Fechner (3. v. li), Landtagsabgeordneter Harry Scheuenstuhl (li.) und Dennis Chiponda (re.), ein Juso-Mitglied aus Nürnberg.

Zur Erinnerung: Am 20. August hatte es in Altschauerberg (der Ort hat nur etwa 40 Einwohner) einen Massenauflauf von etwa 800 Menschen gegeben. Ihr Ziel: Das Haus des "Drachenlords", wo viele betrunken herumpöbelten, Stinkbomben warfen oder ähnliches. Nachdem der 29-jährige "You-Tube-Star" und Metal-Fan seine zahlreichen Internet-Gegner (Hater) unter Nennung seiner Adresse dazu aufgefordert hatte, es doch mit ihm persönlich aufzunehmen, folgten Links-Alternative, Neugierige, Gelangweilte und Sensationsgierige der Twitter-Einladung zu einem "Schanzenfest" vor Ort (Schanzenfest heißt ein linksalternatives Straßenfest im Hamburger Schanzenviertel). Die Polizei musste bei der Belagerung und dem Tumult in Altschauerberg mit Unterstützung durch eine Hunderschaft eine Straße sperren und etwa 300 Platzverweise erteilen, um die Menschenmenge unter Kontrolle zu halten.

Mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. Johannes Fechner, Mitglied des Ausschusses Recht und Verbraucherschutz, und dem Juso-Mitglied Dennis Chiponda aus Nürnberg, versiert und aktiv in Sachen soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram und You-Tube, hatte der Moderator der Podiumsdiskussion, Carsten Träger, zwei ausgewiesene Experten mit ins Boot geholt.


"Drachenlord" zeigt die hässliche Parallelwelt des Internets


Wie kann man sich und seine Mitmenschen vor Internet-Hetze schützen, welche rechtlichen Möglichkeiten dagegen gibt es, was muss noch getan werden, wird unsere digitale Freiheit durch die Gegenmaßnahmen eingeschränkt? In diese Fragenkomplexe sollte die Veranstaltung Licht bringen. Als zweiten aktuellen Bezug zu dem Thema nannte Träger die großen, durch die sozialen Medien befeuerten Demonstrationen von AfD und Pegida in Chemnitz, Reaktion auf den gewaltsamen Tod eines 35-jährigen Chemnitzers. Als Verdächtige waren ein Iraker und ein Syrer festgenommen worden.

Landtagsabgeordneter Harry Scheuenstuhl hat in seiner Funktion als BRK-Kreisvorsitzender bereits eigene Negativerfahrungen mit der Anonymität im Netz gemacht und Drohungen gegen seine Familie erfahren, berichtete er und forderte: "Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein". Fechner hielt dagegen, dass das vor einem Jahr verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ein wichtiges Mittel gegen Hetze und Fake-News im Internet darstelle.

Sozialen Netzwerken wie Facebook drohen seither hohe Bußgelder, wenn sie gemeldete Inhalte nicht löschen. Bei eindeutigen Sachverhalten muss das innerhalb von 24 Stunden geschehen. Als Fortschritt sieht Fechner auch, dass das Stalking-Strafrecht verschärft wurde. Ein Stalking-Opfer muss jetzt nicht mehr sein Telefon abmelden oder umziehen, um die Schwere der Belästigungen "zu beweisen". Allerdings sei eine gute personelle und technische Ausstattung von Polizei und Justiz nötig, um dem Mehr an einschlägigen Straftaten auch Herr zu werden. Auf Betreiben der SPD sei das im Koalitionsvertrag verankert worden.

"Man muss sich doch die Frage stellen: Brauchen wir in Bayern berittene Polizisten oder mehr Grenzpolizisten, oder nicht doch eher Cybercops?", gab Träger einen Seitenhieb auf den bayerischen Ministerpräsidenten Söder ab. "Obwohl die Reiterstaffeln sich beim Fürther Kirchweihumzug nett machen würden." Der Juso-Netzaktivist Dennis Chiponda, von Träger als "Digital Native" vorgestellt, forderte vor allem mehr Bildung in Sachen Internet und soziale Netzwerke, für Kinder wie für Erwachsene. Die Rechten seien der SPD in dieser Hinsicht auf jeden Fall voraus, nutzten die neuen Medien schon lange strategisch sehr geschickt und punkteten vor allem durch Emotionalität, die die Leute mitreiße. Er warnte davor, das digitale Leben vom "echten Leben" zu trennen, das sei alles eins.

Ein Beispiel für eine gelungene emotionale Ansprache lieferte Fechner, als er erklärte, was der derzeit diskutierte "Upload-Filter" ist: "Wenn jetzt der Carsten Träger das Lied ,Atemlos durch die Nacht' von Helene Fischer singt und ich filme das, weil ich es toll finde, und stelle es in Netz. Dann könnte das eine Urheberrechtsverletzung darstellen, weil die Leute dann vielleicht nicht mehr den Originalsong kaufen, weil sie die Performance von Carsten viel besser finden..."

Widerstand gegen den Hass

In der Diskussion - anwesend waren neben etlichen Lehrkräften auch einige von dem Tumult in Altschauerberg betroffene Anwohner - forderten viele, die Anonymität im Internet zu beenden. Jeder müsse mit seinem Namen für seine Äußerungen und Handlungen gerade stehen. Chiponda widersprach dem: Auch er sei nicht mit seinem Klarnamen im Netz aktiv, weil er nicht von Rechtsradikalen bedroht und verfolgt werden will. "Hass lässt sich nicht verbieten, aber es braucht Widerstand gegen 'Hater', mehr Zivilcourage", wurde aus den Reihen des Publikums gefordert.

Konkrete Tipps, wie man sich gegen Hetze, Fake-News und Mobbing im Netz wehren kann, lieferte Dr. Johannes Fechner. Man solle den Tatbestand polizeilich anzeigen, beim entsprechenden sozialen Netzwerk melden, und auch die Justiz informieren, wenn Beleidigungen oder Bedrohungen daraufhin nicht gelöscht oder fortgesetzt werden. Heiterkeit kam trotz des unangenehmen Sujets im Saal auf, als sich herausstellte, dass auf dem Podium, versehentlich oder auch nicht, eine Flasche Birnenschnaps statt Mineralwasser ausgeschenkt worden war. "Solche zusätzliche Anfeuerung brauchen wir gar nicht, wir haben uns bei diesem Thema ja schon heiß geredet", versicherte Fechner.

Immer wieder wurde in der Diskussion klar, dass es viel Nachholbedarf an Internet-Schulungen, auch in Netz-Etikette, gibt. Dass all das viel Geld kostet, ist ebenfalls nicht zu verleugnen. Das soziale Miteinander müsse besser gepflegt werden, hieß es. "Macht den Kindern und Jugendlichen klar, dass da am anderen Rechner ein echter Mensch sitzt, der auch Gefühle hat, die respektiert werden müssen", so formulierte es eine Gesprächsteilnehmerin. Und diese Erinnerung hätten auch viele Erwachsene dringend nötig.

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