"Haben Schnauze voll": Fränkische Metzger in Angst um Mitarbeiter

7.8.2020, 07:16 Uhr

© Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Um sein Handwerk muss sich Konrad Ammon immer wieder Sorgen machen. Seit 24 Jahren ist der 63-Jährige Obermeister der Metzgerinnung Mittelfranken. Die Zahl der Metzgereien und auch der Betriebe, die noch selber schlachten und wursten, ist in dieser Zeit in der Region wie auch in ganz Bayern stark zurückgegangen.

Gründe dafür gibt es viele. Unter jungen Leuten gilt der Beruf nicht als besonders attraktiv, vielen Betrieben fehlt es an der Nachfolge. Dazu kommt die Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter. Und jetzt ist seine Sorge groß, dass der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorangetriebene Gesetzesentwurf zur Verschärfung der Arbeitsschutzvorschriften in der Fleischindustrie den Handwerksbetrieben zusätzlich das Leben schwer macht, obwohl hier praktisch nicht mit Werkverträgen gearbeitet wird und ursprünglich nur von strengeren Regeln für die Industrie die Rede war.


"Fleisch ist zu billig": Klöckner setzt sich für Tierwohlabgabe ein


Das Problem ist in seinen Augen das im Gesetzentwurf festgelegte Kriterium zur Abgrenzung von Industrie und Handwerk. "Hier geht es allein um die Mitarbeiterzahl", so Ammon. Ab 49 Beschäftigten würde demnach auch eine Metzgerei als industrieller Betrieb gelten und müsste zum Beispiel der künftig vorgesehenen Verpflichtung zur digitalen Arbeitszeiterfassung nachkommen. "Das ist wirklich brisant und wird viele treffen", so Ammon.

Denn zu den Mitarbeitern zählen nicht nur die Metzger in der Schlachtung und Produktion, sondern auch das Verkaufspersonal, Reinigungskräfte, Auszubildende oder Teilzeitbeschäftigte, die zum Beispiel beim Partyservice aushelfen. "Wenn jemand mehrere Filialen hat, ist er dabei", so Ammon. Er ist sich sicher, dass vor diesem Hintergrund einige seiner Zunft in Zukunft beispielsweise auch davon abgehalten werden, einen von einem Kollegen aufgegebenen Betrieb als Filiale zu übernehmen, weil sie damit über die Mitarbeitergrenze rutschen und sich noch mehr Belastung durch die Bürokratie einhandeln würden. "Irgendwann sagen die, sie haben die Schnauze voll", so Ammon.

Jeder fünfte Metzger betroffen?

So sieht es auch Lars Bubnick. "Wir sind mit diesem Entwurf nicht einverstanden", sagt der Geschäftsführer des Fleischerverbands Bayern. "Bei Tönnies bricht Corona aus und die Handwerksbetriebe müssen es büßen. Da wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet." Etwa 15 bis 20 Prozent der Metzger im Freistaat wären von den neuen Regeln betroffen und würden somit für die Zustände in der Fleischindustrie in Mithaftung genommen, so Bubnick. "Das akzeptiere ich nicht."

Zumal nicht klar sei, wie sich das Gesetz in dieser Form in Zukunft auswirken könnte. Für Fleisch- und Wurstprodukte aus der Massenproduktion gelten ganz andere und deutlich strengere Regeln als für handwerklich hergestellte Ware. Was hier passiere, wenn ein Metzger allein aufgrund der Mitarbeiterzahl plötzlich als Industriebetrieb gelte, sei völlig unklar.


Nürnberger Ernährungsexperte zu Fleischkonsum: "Darm macht da keinen Unterschied"


Auch das Argument, dass eine digitale Zeiterfassung einfach und ohne hohe Kosten einzuführen sei, weist Bubnick entschieden zurück. "Warum sollen wir das auch machen müssen. Unsere Leute bekommen nicht nur den Mindestlohn, sondern deutlich mehr. Sonst kriegt man auch kein Personal mehr." Allein die Größe des Betriebs darf in seinen Augen kein Abgrenzungskriterium sein. "Da fehlt mir jedes Verständnis."

Tatsächlich gibt es hierzu bereits entsprechende Gerichtsurteile. So entschied etwa das Landgericht Offenbach im September 2017 bei einem Rechtsstreit um Fleischprodukte, die das Label "traditionell hergestellt" trugen (Az. 5 O 54/16), dass die Größe des Unternehmens alleine nicht zählt.

Von einem Industriebetrieb müsse hingegen gesprochen werden, wenn beispielsweise die Arbeitsteilung so stark fortgeschritten sei, dass jede einzelne Arbeitskraft stets nur bestimmte und in der Regel immer wiederkehrende und eng begrenzte Teilarbeiten ausführt.

Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal sah das Gericht zudem in der Verwendung von technischen Hilfsmitteln, also der "Verwendung von Maschinen, welche der Entfaltung der Handfertigkeit keinen Raum lässt, also wesentliche Kenntnisse und Fähigkeiten des Handwerkers durch den Einsatz von Maschine(n) entbehrlich" macht.

Der Fleischerverband hofft nun darauf, dass der Entwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch entsprechend abgeändert wird "und sich da noch was bewegt", so Bubnick.

33 Kommentare