Mehr Teilnehmer als erwartet

CSD in Nürnberg: Starkes Signal für Toleranz und Offenheit für die Queer-Community

7.8.2021, 17:25 Uhr
Erstmals führte ein Nürnberger Oberbürgermeister den Zug an: Marcus König (CSU) ging an der Spitze der Parade vom Opernhaus zur Wöhrder Wiese.  

© Michael Matejka, NNZ Erstmals führte ein Nürnberger Oberbürgermeister den Zug an: Marcus König (CSU) ging an der Spitze der Parade vom Opernhaus zur Wöhrder Wiese.  

So ein Glück und so ein Pech: Als sich zur Mittagszeit auf dem Richard-Wagner-Platz die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des CSD, entlang des Frauentorgrabens und in der Grasersgasse sammelten, strahlte noch die Sonne. Und auch unbeteiligte Passanten konnten ahnen, dass sich etwas Größeres anbahnte. Rund 30 Gruppen hatten sich angemeldet, dazu kamen aber jede Menge weniger organisierte, vor allem junge Leute.

Was sie lockte, war nicht allein die Lust, den Pride Day zu feiern, und die Absicht, für Offenheit, Toleranz und Selbstbestimmung wie Anerkennung der sexuellen Orientierung einzutreten, sondern wohl auch die Mischung aus Happening und klassischer Demonstration mit einem Hauch von Karneval. Insgesamt konnte er wieder größer gefeiert werden als vor einem Jahr.

Manche mögen es schrill: Für die Fotografen sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ausladenden Kostümen immer wieder ein beliebtes Fotomotiv.  

Manche mögen es schrill: Für die Fotografen sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ausladenden Kostümen immer wieder ein beliebtes Fotomotiv.   © Michael Matejka, NNZ

Aufwändig gestaltete Wagen waren freilich nicht zugelassen, nur ein paar mit Regenbogenfarben und anderen Symbolen geschmückte Autos. Ganz ohne Musik musste es freilich nicht gehen, für treibende Rhythmen sorgten ein paar Anlagen, etwa in Lastenrädern. Schier endlos schien der Strom der Teilnehmer, die sich nach und nach einreihten. Auch die politischen Parteien des demokratischen Spektrums waren vertreten - gewiss auch im Blick auf die anstehenden Wahlen.

Fast alle mit Maske

Am Ende waren es, wie auch die Einsatzleitung der Polizei bestätigte, deutlich mehr als 4000, womöglich an die 5000 Leute - übrigens weitgehend und bemerkenswert diszipliniert mit Masken. Manche Lokale hatten sich mit entsprechender Dekoration auf den Umzug eingestellt, auch die Sparkasse grüßte mit einer Regenbogenflagge. Kaum allerdings waren die ersten Pride-Aktiven nach dem Umzug durch die Altstadt und am Prinzregentenufer entlang auf der Wöhrder Wiese eingetroffen, setzte Regen ein.

Und es blieb nicht bei einem kurzen Schauer. Genießen ließ sich das Kulturprogramm, das sich bis 22.30 Uhr erstreckt, mit verschiedenen Sängern und DJ's nur mit Regencape und Schirm. Nicht wenige ließen sich den Spaß aber nicht verderben und tanzten auch außerhalb des eingezäunten Veranstaltungsbereichs fröhlich auf dem nassen Rasen.

Einen starken politischen Akzent wollte der CSD-Verein als Veranstalter zum Abschluss der "Pride Weeks" natürlich auch setzen - über die allgemeine Aufforderung zu Respekt und das Bekenntnis zu gesellschaftlicher Vielfalt hinaus: "Es geht darum, dem aktuellen queerfeindlichen und realen politischen Rollback entschlossen entgegen zu treten", bekräftigte Bastian Brouwer, der Vorsitzende des Fördervereins. Und freute sich, dass mit OB Marcus König erstmals auch ein namhafter CSU-Mandatsträger die Schirmherrschaft für den Pride Day übernommen hatte und die Parade anführte.

Europa im Blick

Die Aufforderung, sich für die LSBTIQ-Community zu engagieren, verbindet der CSD-Verein mit dem Motto "Queer Europe - Du hast die Wahl". Denn, wie sich zuletzt anlässlich der Fußball-Europameisterschaft gezeigt hatte, können Schwule, Lesben und Transgender-Menschen in Ländern wie Ungarn und Polen von Anerkennung und Gleichberechtigung nur träumen. "Was dort abläuft, macht uns richtig Sorgen", meinte zum Beispiel auch ein Mitarbeiter der Nürnberger Aids-Hilfe, der sich in Mannschaftsstärke und mit deutlichen politischen Forderungen an dem Umzug beteiligte. "Gleichstellung von Regenbogenfamilien" und "Geschlechtliche und sexuelle Identität ins Grundgesetz" stand etwa auf ihren Schildern.

Dass das Thema Diversität längst auch in Firmen angekommen ist und ernstgenommen wird, ließen Mitarbeitergruppen etwa von Siemens oder der Consors-Bank erkennen. Und von der Nürnberger Datev: "Wir wollen nicht nur mitmarschieren, sondern in Erscheinung treten und eben deutlich machen, dass sich bei uns und auch sonst niemand ausgegrenzt fühlen soll", betont Claudia Lazai, die Beauftragte für Diversität und Inklusion des großen Dienstleisters. Um das Engagement zu untermauern, beteiligte sich das Unternehmen erstmals auch als Sponsor - ein klares Zeichen zu setzen, wird damit auch von der Chefetage mitgetragen.

Gäste aus anderen Städten

Bis aus Saarbrücken, Dresden, Leipzig und München waren Freunde und Bekannte von Mitgliedern des Nürnberger Leder-Clubs angereist. Die Freude über das Wiedersehen und die Möglichkeit, wenigstens in begrenztem Umfang zu feiern, stand für sie im Vordergrund. Mit ihrem Stil setzten sie als stattliche Gruppe von 50 Männern einen typischen Akzent bei dem Umzug. Sichtbar zu sein, ist auch für sie unerlässlich, um neue Interessenten und Mitglieder zu gewinnen.

Volle Straßen: Zum Umzug anlässlich des Christopher Street Days kamen deutlich mehr Teilnehmer als erwartet.

Volle Straßen: Zum Umzug anlässlich des Christopher Street Days kamen deutlich mehr Teilnehmer als erwartet. © Michael Matejka, NNZ

Im Kreis der Organisationen, die sich auf der Wöhrder Wiese vorstellten, durfte auch Fliederlich nicht fehlen. Hier konnten sich die CSD-Besucher zum Beispiel über das offene Angebot an Queer-Beratung informieren. "Die gab es bisher nur ehrenamtlich", berichtet Vorstand Michael Glas. Dank einem Sonderprogramm der Staatsregierung konnte das Queere Zentrum jetzt eine hauptamtliche Kraft dafür engagieren. Und das Angebot werde rege in Anspruch genommen, gerade auch von jüngeren Ratsuchenden.

Mit hoffentlich etwas mehr Wetterglück geht das Pride-Abschlusswochenende an diesem Sonntag in die zweite Runde: Von 13 bis 19.30 Uhr gibt es noch einmal Programm auf der Wöhrder Wiese; zur Kontakterfassung und Finanzierung müssen Tickets gelöst werden, jeweils tischweise für mindestens zwei Personen. Im Preis von dann 26 Euro sind Verzehrgutscheine für 20 Euro enthalten.

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