Dezentrales Volksfest in Nürnberg sorgt für Unmut bei Händlern

27.7.2020, 05:44 Uhr
Wegen der "Nürnberger Sommertage" stehen die Marktleute außerplanmäßig unter anderem vor der Lorenzkirche. Das hat auch Auswirkungen auf die Gastronomie. So klagt der Wirt des "Nassauer Kellers" (li. im Bild) über zu viel Enge und Konkurrenz.

© Stefan Hippel Wegen der "Nürnberger Sommertage" stehen die Marktleute außerplanmäßig unter anderem vor der Lorenzkirche. Das hat auch Auswirkungen auf die Gastronomie. So klagt der Wirt des "Nassauer Kellers" (li. im Bild) über zu viel Enge und Konkurrenz.

Schausteller leben vor allem von Großveranstaltungen. Doch in Zeiten der Corona-Pandemie fallen die aus — und so findet auch das Nürnberger Herbstvolksfest nicht statt, wie schon zuvor das Frühlingsfest. Eine bittere Pille für die Schausteller. Die "Nürnberger Sommertage" sollen die Einbußen etwas schmälern. Ab Freitag bis 6. September wird das dezentrale Volksfest an verschiedenen Orten in der Stadt stattfinden — unter anderem auf dem Hauptmarkt. Auch andere Städte, wie etwa München, wollen mit solchen Events den Schaustellern unter die Arme greifen.

Doch noch bevor die Details am Montag bekannt gegeben werden sollen, gibt es Unmut. Denn der Hauptmarkt ist der größte Wochenmarkt in der Stadt, etwa 50 Händler haben hier eine Dauerzulassung — und die müssen eben umziehen, wenn größere Veranstaltungen stattfinden sollen. Das ist nicht Neues, und so gehören Obst- und Gemüsestände längst immer wieder zum Erscheinungsbild etwa unweit der Lorenzkirche oder auf der Museumsbrücke.

"Diese Nacht- und Nebelaktion ist absolut nicht nachvollziehbar"

So auch seit vergangenem Montag, nachdem der Hauptmarkt für die "Nürnberger Sommertage" reserviert ist. Die Händler waren darüber aber erst am Freitagabend zuvor unterrichtet worden. Auch Dieter Hübschmann, der seit annähernd 40 Jahren Schmuck und Tücher auf der Museumsbrücke verkauft, musste nun wieder weichen und findet deutliche Worte. "Diese Nacht- und Nebelaktion ist absolut nicht nachvollziehbar, das hätte man auch planen können", so der 63-Jährige, der sich und die anderen Händler als Bauernopfer sieht, "damit die Schausteller zum Zug kommen" können.

"Ja, es war sehr kurzfristig", räumt Wirtschaftsreferent Michael Fraas auf Anfrage unserer Redaktion ein. "Ich bin am letzten Samstag selbst zu vielen Marktkaufleuten auf den Hauptmarkt gegangen, um für Verständnis für die kurzfristige Marktverlegung zu werben", so Fraas weiter. Er sei dabei auf großes Verständnis gestoßen, wie er betont. "Denn auch die Wochenmarkthändler wissen, wie es um die wirtschaftliche Lage der Schausteller steht, und dass die Nürnberger Sommertage für viele Schausteller die erste Möglichkeit ist, wieder Geld zu verdienen."

Die Situation ist in der Tat schwierig. Erst Anfang Juli waren etwa 10.000 Schausteller mit 1040 Fahrzeugen und Zugmaschinen nach Berlin gezogen und hatten dort ihrem Ärger über das "Berufsverbot" Luft und damit vor allem auf die existenzbedrohende Lage ihres Gewerbes aufmerksam gemacht — unter den Demonstranten waren auch rund 250 Vertreter aus Nürnberg.

Bleibt die etwas atemlose Informationspolitik des Marktamtes, den Händlern den Umzug mitzuteilen. "Das Marktamt vollzieht, was wir in der Stadtspitze zu den Nürnberger Sommertagen entschieden haben. Und diese Entscheidung fiel letzte Woche. Das nehme ich also auch auf meine Kappe", so Fraas.

Vor der Lorenzkirche herrscht regelrechtes Gedränge

Dieter Hübschmann sieht sich dennoch übergangen und benachteiligt. Denn nun müsse er jeden Tag umziehen - an bedeutend weniger attraktive Plätze, wie die Museumsbrücke. "Wir haben viel zu wenig Raum, etwa vor dem Kaufhof, die Plätze sind einfach viel schlechter."

Seitdem auf dem Hauptmarkt alles frei gemacht werden musste für die Buden und Geschäfte der Schausteller herrscht vor der Lorenzkirche regelrechtes Gedränge zwischen Langos, Falafel, Sushi, Bratwürsten, Foodtrucks, frischen Trüffeln und fränkischen Kirschen. Das macht wiederum Nikolaos Anschütz-Stergiopoulos zu schaffen, der den "Nassauer Keller" betreibt.


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Dass der Lorenzer Platz einschließlich des Bereiches um das Nassauer Haus zur so genannten Marktverlegungsfläche gehört, weiß auch er und spricht davon, ein gutes Verhältnis zu den Händlern zu haben. "Schließlich kennen wir uns seit Jahren", sagt er. Statt der bisher 45 Plätze dürfe er nur noch die Hälfte anbieten. Das Problem seien die strengen Abstandsregeln, wenn nun ständig ein Stand vor seinem Restaurant steht. Dieser ließe kaum noch Platz, zudem würde er dadurch nicht mehr gesehen, wie er glaubt. "Das ist für mich das größte Problem. Ich verstehe die Probleme der Schausteller, aber es kann nicht sein, dass das auf dem Rücken anderer ausgetragen werden muss", so Anschütz-Stergiopoulos weiter.

Inzwischen hat er eine zusätzliche Stuhlreihe vor dem Eingang beantragt. "Diese zusätzliche Außenbestuhlung ist normalerweise nicht Bestandteil der erteilten Erlaubnis, die wir während der Zeit der Marktverlegung erteilen", erklärt Claus Fleischmann, Leiter des Liegenschaftsamtes. Der Antrag liegt nun bei den Fachdienststellen. Auf das Angebot, um die Ecke bestuhlen zu dürfen, hätte der Betreiber mit Hinweis auf betriebliche Gründe verzichtet, so Fleischmann weiter.

Fraas: "Leben und leben lassen"

Wirtschaftsreferent Fraas betont unterdessen, dass die Außenbestuhlungen in der Gastronomie für das Jahr 2020 gebührenfrei seien. Dennoch: "Ich weiß, dass wir derzeit keine alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung anbieten können." Vor allem könne man am Lorenzer Platz nicht beliebig auseinanderrücken - es gebe Feuerwehr-Anfahrtszonen, Lieferzonen und so weiter. "Gerade in dieser schwierigen Zeit gilt es, Kompromisse zu machen." Nach dem Motto leben und leben lassen, wie es Fraas formuliert.


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Gerade das sieht Nikolaos Anschütz-Stergiopoulos nicht erfüllt, der sich auch darüber ärgert, dass mit dem Umzug vom Hauptmarkt seit Neuestem nun auch ein Bratwurst-Stand vor seinem Restaurant steht. "Für mich ist das eine ganz klare Konkurrenz", so der Gastronom. "Seit Jahren sind die Kulinarikstände im Bereich des Lorenzer Platzes situiert. Auch darauf kann sich jeder einstellen. Es ist auch nicht Aufgabe der Stadt, Konkurrenzschutz herzustellen", sagt hingegen Fraas, der betont, dass auch einzelne Stände zuweilen miteinander konkurrieren würden. "Auch ein Gastronom oder Einzelhändler ist nicht davor geschützt, dass nebenan oder gegenüber ein konkurrierender Betrieb - sofern dieser baurechtlich zulässig - genehmigt wird. Konkurrenz belebt das Geschäft."

Anschütz-Stergiopoulos merkt davon wenig. Am vergangenen Montagabend habe er im Außenbereich insgesamt 27,40 Euro Umsatz gemacht, wie er sagt.

Das dezentrale Volksfest in der Nürnberger Innenstadt wird an mehr Plätzen als bisher bekannt stattfinden: Nach NN-Informationen bauen die Schausteller an mindestens vier Orten in der Innenstadt ihr Angebot auf. Es sollen auch der Jakobsmarkt und der Hans-Sachs-Platz bespielt werden.

Angebot für Familien am Hans-Sachs-Platz?

Am Hans-Sachs-Platz könnte ein Angebot für Familien platziert werden. Auf der Insel Schütt hat unterdessen der Aufbau von unterschiedlichen Essensständen begonnen. Dort erwarten die Gäste unter anderem Buden mit Currywurst und Brezen. Auch "Heidis Treff" ist dabei. Alkohol soll nicht im Vordergrund stehen.

Auch der Hauptmarkt soll bespielt werden: Hier ist im Gespräch, ob sogar ein Riesenrad aufgebaut werden soll. Rund um den Aufseßplatz und die Gedächtniskirche in Gostenhof soll ebenfalls gefeiert werden.

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