Inzidenz über 100: So geht es an Nürnbergs Schulen weiter

22.2.2021, 14:21 Uhr

Seit 13 Uhr ist klar: Nürnberg kehrt zurück in den Notmodus. Grundschüler müssen ab Dienstag wieder zurück in den Distanzunterricht. Kitas wechseln wechseln nach nur einem Tag zurück in den Notbetreuungsmodus. Großer Unmut machte sich derweil schon am Morgen in verschiedenen Internetforen und Chatgruppen sowohl bei Eltern, Schülern als auch bei Lehrern breit.

So berichtet die Mutter eines Erstklässlers: "Wir hatten gestern Abend eine Stimmung, als wäre nochmals der erste Schultag. Große Aufregung, aber auch eine große Vorfreude.” Dass nun wieder alles zurück geht, empfindet sie als ein völlig unnötiges Hin und Her. "Wir haben uns bereitwillig an alle Bestimmungen gehalten. Aber habe ich jetzt für einen Schultag meine Kinder, meine Familie einem erhöhten Risiko ausgesetzt?”

In etlichen Nürnberger Grundschulen standen bis zum MIttag die Lehrer ratlos beisammen. "Auch für uns ist die Situation denkbar unbefriedigend”, berichtet ein junger Lehrer einer Grundschule. "Wir haben uns auf den Tag vorbereitet, gefreut, die Schüler wieder live zu sehen - nun soll es das nach einem Tag wieder gewesen sein.” Aktuell habe man auch noch keine weiteren Informationen, wie es überhaupt weiter gehen soll - und die Eltern kommen verständlicherweise schon mit etlichen Fragen.

Ümit Sormaz, Nürnberger FDP-Stadtrat und Mitarbeiter eines Nachhilfe-Institutes, befürchtet hoffnungsloses Chaos an Nürnberger Schulen, wenn das so weiter geht. Eltern würden jegliche Planungsmöglichkeit verlieren.

An den Schulen müssten zunächst die Lehrer geimpft werden, bevor man die Schulen schon öffne. Sormaz: „Das ist bisher versäumt worden. Diese Öffnungspolitik ist ziellos und besteht aus eindeutig zu vielen sinnlosen Verordnungen.”

Bereits im Vorfeld hatte der Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenverein das Schlingern kritisiert. Die Festlegung auf einen Inzidenzwert von 100 sei prinzipiell richtig, teilte der NLLV mit. Aber: „Für die Schulen vor Ort und die Schulverwaltung braucht es Organisationszeit, wenn es um den Wechsel zwischen Präsenz und Distanz geht. Dafür müssen klare, verständliche und verlässliche Regelungen geschaffen werden!”
Gesundheitsschutz für Lehrer, Schulleiter und Schulverwaltung bedeute auch, nicht am Sonntagabend organisieren zu müssen, wie Schule am Montag stattzufinden. „Zuständigkeiten und Abläufe müssen klar festgelegt werden und den Schulen Zeit zur Organisation gegeben werden!”

Inzidenz in Nürnberg erneut über 100

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Montag, den 22. Februar, einen Sieben-Tage-Inzidenzwert für Nürnberg von 101,5. Für die Schüler und Lehrkräftein Nürnberg bedeutet das, dass sie schon ab Dienstag zurück in den Distanzunterricht müssen. "Wird der Inzidenzwert (100) erneut überschritten, findet ab dem auf die amtliche Bekanntmachung folgenden Tag nur noch Distanzunterricht statt", heißt es nach der elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.

So sollte der Re-Start an den Nürnberger Schulen laufen

Ab Montag sollten Grund- und Förderschüler sowie Abschlussklassen der Mittelschulen eigentlich wieder dauerhaft Unterricht in der Schule erhalten. Für die Schulen und das staatliche Schulamt war das ein Kraftakt: Für rund 26.000 Schüler, davon rund 17.000 Grundschüler, und 2500 Lehrer musste Wechselunterricht, Notbetreuung, Betreuung nach dem Unterricht und Organisation des Distanzunterrichts koordiniert werden.

Die Herausforderung, einen erneuten Schulstart mit dem vorhandenen Personal und den Räumlichkeiten zu stemmen, ist enorm. Auch deswegen bittet Thomas Reichert, Chef des staatlichen Schulamts und zuständig für mehr als 80 Grund- und Mittelschulen, alle Eltern inständig: "Geben Sie Ihre Kinder bitte nur im Notfall in die Notbetreuung, wenn es wirklich gar keine andere Betreuungsmöglichkeit gibt!"

Er weiß, wie sehr sich Kinder nach sozialen Kontakten sehnen. Aber: Je mehr Kinder sich in einem Schulgebäude aufhalten, umso größer ist die Gefahr, dass die Infektionszahlen wieder steigen. Und nur, wenn der Inzidenzwert unter 100 bleibt, können die Schulen teilweise Präsenzunterricht anbieten.

Feste Gruppen nicht immer möglich

Während in der letzten Phase des Wechselunterrichts vor Weihnachten und während der Notbetreuung im aktuellen Lockdown die Kinder weitgehend in festen Gruppen betreut werden konnten, ist das nun in vielen Schulen nicht mehr möglich. Es fehlt schlicht an personellen und räumlichen Ressourcen. Das liegt auch daran, dass die nachschulische Betreuung, wie Hort oder Mittagsbetreuung, an vielen Schulen auf unterschiedliche Einrichtungen verteilt ist.

Viele sitzen noch zu Hause

So vollmundig die Ankündigung der Landesregierung war, man mache die Schulen wieder auf, so realistisch muss man die Situation betrachten: Es kommen Schüler zurück, ja, aber längst nicht alle. Die Klassen 5, 6, 7 und 8 sitzen weiterhin zu Hause. Die Grundschulklassen 1 bis 4 sowie die Abschlussklassen der Mittelschulen, 9, 10 plus die Vorbereitungsklassen sowie die Deutschklassen kehren in den Wechselunterricht zurück.

Auch in den Förderschulen dürfen Schüler der Klassen 1 bis 4 sowie 9 und 10 im Wechsel in der Schule lernen. Auch wenn es relativ wenige Klassen sind, die zurückkehren, ist Thomas Reichert vorsichtig: "Es gibt keinen Königsweg, aber ich hätte mir einen noch sanfteren Modus gewünscht. Ich kann natürlich alle Beweggründe nachvollziehen, aber ich habe Sorge, dass die Notbetreuungen zu voll werden."


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2-3-Tage-Rhythmus

In Nürnberg wirken sich die Regelungen auf die staatlichen Grund- und Mittelschulen wie folgt aus: Es gilt der 2-3-Tage-Rhythmus. Ein Beispiel: Die halbe Klasse 1 a geht in Woche 1 zum Beispiel montags, mittwochs und freitags in die Schule. In der Folgewoche wird sie am Dienstag und Donnerstag in der Schule unterrichtet.

An den Tagen dazwischen lernen die Kinder zu Hause, ohne Videokonferenzen, weil sich die Lehrer nicht zweiteilen können. Leistungsnachweise finden nur im Präsenzunterricht statt. Auch nicht-staatliche Schulen, etwa die Maria-Ward-Grundschule, gehen in den gleichen Modus.


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Nur in sehr wenigen Grund- und Mittelschulen können alle Kinder einer Klasse täglich in die Schule kommen, weil dort genug Platz im Klassenraum ist, um 1,5 Meter Abstand zwischen den Sitzplätzen frei zu lassen. In einigen Klassen werden Lehrer versuchen, die Kinder, die zu Hause sind, per Live-Übertragung am Unterricht teilnehmen zu lassen. Die Grund- und Mittelschulen seien alle mit W-LAN ausgestattet, ob das Netz ausreiche, werde sich zeigen. "Das wird der Stresstest", so Reichert.

Der Livestream muss nach wie vor über die Privatrechner der Lehrer gestemmt werden. Für alle Grund- und Mittelschullehrer sind Notebooks bestellt. Gelder und Konzepte sind fertig, nur die Lieferzeiten für circa 2500 Rechner sind lang.
Zum Thema Sportunterricht wartet Reichert noch auf Anweisungen des Kultusministeriums, eine Lösung muss auf jeden Fall für die Abschlussschüler gefunden werden, die eine Sportprüfung ablegen müssen.

Reihentestungen geplant

Lehrkräfte, Erzieherpersonal und Schüler der Abschlussklassen haben ab Montag die Möglichkeit, sich freiwillig und kostenlos mittels eines Antigen-Tests auf Covid-19 beim Bayerischen Roten Kreuz in der Nunnenbeckstraße testen zu lassen. Nötig dafür sind eine Schulbestätigung sowie eine Einwilligungserklärung der Erziehungsberechtigten.

Zudem soll es für Grundschüler Testangebote an den jeweiligen Schulen geben. Diese werden derzeit mit den niedergelassenen Ärzten sowie den Hilfsorganisationen vorbereitet. Ärzte, die dabei mitwirken möchten, können sich unter Telefon 0911/2 31-21 93 melden. Der Freistaat will Schnell-Selbsttests zur Verfügung stellen. Infos zum Testen erhalten Eltern von der Schule.

Dieser Artikel wurde am Montag, den 22. Februar um 14.20 Uhr aktualisiert.

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