Jugendliche fühlen sich in Corona-Krise wenig gehört

18.3.2021, 14:34 Uhr
Aus einer Zeit, als es noch Freizeitprogramm für Jugendliche gab: Mädchen malen mit Straßenkreide auf der Burg Feuerstein bei Ebermannstadt.

© Tom Schneider/TMO-Bilderwelten Aus einer Zeit, als es noch Freizeitprogramm für Jugendliche gab: Mädchen malen mit Straßenkreide auf der Burg Feuerstein bei Ebermannstadt.

Jugendliche rückten erst ins Blickfeld der Öffentlichkeit, als Fürsprecher zuletzt deutlicher auf ihre Bedürfnisse hinwiesen: Mediziner, Wissenschaftler und Jugendarbeiter, die eine Zunahme psychischer Auffälligkeiten und eine fatale Vereinsamung bei jungen Menschen während der Pandemie feststellen.

Auf das Problem des Stillstands in einer entscheidenden Entwicklungsphase weist beispielsweise der Forschungsverbund "Kindheit, Jugend, Familie in der Corona-Zeit" der Universitäten Hildesheim, Frankfurt und Bielefeld nach seinen zwei großen Online-Befragungen hin. Die jungen Leute beklagen darin Zeitverschwendung und zunehmende Zukunftsängste. Sie ärgern sich aber auch, voreilig als "Generation Corona" abgestempelt zu werden.


Kommentar: Hört auf die jungen Menschen!


Obwohl sie die Hygienemaßnahmen zu einem hohen Prozentsatz befürworten, wünschen sie sich mehr Mitsprache bei der politischen Steuerung der Corona-Krise. Knapp 60 Prozent der Befragten gaben an, den Eindruck zu haben, die Situation junger Menschen sei Politikern nicht wichtig. Die Hildesheimer Forscher schlagen zumindest eine Konsequenz vor: mehr Jugendbeteiligung, jetzt!


Pandemie, na und? Warum immer mehr Menschen die Corona-Regeln brechen


Sabrina Brem, 15 Jahre, 9. Klasse Mittelschule, Nürnberg

Sabrina Brem

Sabrina Brem © privat

Ich habe das Gefühl, dass die Zeit stehen bleibt. Alles ist träge und lustlos. Auf der Straße gucken die Leute unfreundlich und panisch. Deswegen und auch aus Langeweile habe ich angefangen, Stillleben zu zeichnen. Ich lerne gerade Koreanisch im Internet, weil ich K-Pop sehr mag, und manchmal tanze ich einfach in meinem Zimmer. Mir fehlt am meisten, in unserer Gruppe einfach mal shoppen zu gehen, im Mercado, danach essen wir oft noch ein Eis von McDonald’s. Ich kann nur sagen, dass Jugendliche Corona ernst nehmen und sich Mühe geben. Anders als diese Querdenker, die sind älter und achten nicht darauf.

Was mich aber zur Weißglut bringt: dass die Politiker uns nicht fragen. Wir haben so viel Schulstoff versäumt, dass viele von uns es gut fänden, wenn das Schuljahr wiederholt würde. Ich habe Megaprobleme in Mathe bekommen. Ein Riesenthema für mich ist, was ich nach meinem Abschluss machen soll. Ich konnte mal bei der Lux-Jugendkirche reinschnuppern, aber sonst wegen Corona kein einziges Praktikum machen. Ich würde mich für Bauzeichnen interessieren, aber du kannst niemanden sprechen, und viele Branchen machen pleite. Ich will nicht, dass man über uns irgendwann sagt: Das waren halt die Corona-Kinder, die haben es nicht geschafft.

Moritz Müller, 17 Jahre, Q11 Gymnasium, Nürnberg

Moritz Müller

Moritz Müller © privat

Letztes Jahr war es noch toll, die Playstation zu haben, auf einmal konnte man jeden Tag zocken. Aber inzwischen nervt es, immer nur Zeit für sich zu haben. Jeder Tag ist gleich, ein matschiger Brei. Du stehst auf, machst ein bisschen Schule, dann nichts mehr, man verliert das Zeitgefühl. Ich würde gern mal wieder auf eine Party gehen. Oder mich mit mehr als einem Freund treffen, Alkohol trinken, beisammen sitzen. Fußball spielen. Zum Glück kann ich bei einem Freund daheim ein bisschen Krafttraining machen.

Es ist eine blöde Situation, an der niemand etwas ändern kann. Ich sehe schon ein, dass wir Jugendlichen nicht die höchste Priorität bei den Maßnahmen haben. Den Lockdown aufheben, um feiern zu gehen, geht halt nicht. Wir tun das alles, um Leben zu retten. Wenn ich nachts höre, dass sich im Park nebenan junge Leute zum Saufen treffen, ärgert das auch mich. Mir ist bewusst, dass viele Optionen für später wegfallen werden. Auch die ganze Berufsberatung fällt ins Wasser. Noch stresst mich das nicht groß. Aber ein Schulfreund von mir, der ein Jahr vor mir Abi macht, wollte Pilot werden. Das kann er vergessen, keine Airline bildet mehr aus. Er denkt jetzt über BWL nach, was Breites. Auch Auslandsaufenthalte fallen ja erst mal weg.


Corona-Pandemie: Ruf nach einem Jugendgipfel


Björn-Frank Bielefeld, 19 Jahre, Auszubildender zum Verwaltungsfachangestellten, Nürnberg

Björn-Frank Bielefeld

Björn-Frank Bielefeld © privat

Auch mich nervt der Lockdown. Und klar gehören die Jungen mehr einbezogen. Es war sehr schwierig für Kinder, als sie zwar zu dreißigst Bus fahren und in der Klasse sitzen, aber außerhalb der Schule niemanden treffen sollten. Ich kann Leute verstehen, die sich darüber aufregen, aber ich tu’s nicht, weil ich ja eh nichts daran ändern kann.

Mir persönlich geht es ganz gut. In der Arbeit habe ich Ansprechpartner an der Seite, da hat sich durch Corona nichts verändert. Nur die Berufsschule läuft daheim. Ich bin viel zu Hause, gehe höchstens mal mit einem Freund Basketball spielen oder joggen. Ich vermisse Tennisspielen, das Fitnessstudio und mal mit mehr als einem Kumpel was unternehmen zu können.

Dilara Öztürk, 15 Jahre, 9. Klasse Mittelschule, Nürnberg

Dilara Öztürk

Dilara Öztürk © privat

Ich mache ständig Hausaufgaben, wir bekommen extrem viel Schulstoff. Daneben lese ich viel und telefoniere in der Gruppe mit Freunden. Aber mir fehlt der Austausch. Ich mache ehrenamtlich beim Jugendradio und wie Teresa beim Jugendkulturhaus "Luise" im "Streetteam" mit, da können wir nichts mehr veranstalten. Manche politischen Entscheidungen finde ich schwachsinnig. Wir hätten uns eine Pause in den Faschingsferien verdient gehabt. Ich will mit der Schule erst mal weitermachen, Corona beeinflusst meine fernere Zukunft daher nicht. Wir müssen eh lernen, mit Corona zu leben.


Corona-Krise in den Mittzwanzigern: Auch uns geht es schlecht!


Teresa Egede, 16 Jahre, 9. Klasse Mittelschule, Nürnberg

Teresa Egede

Teresa Egede © privat

Ich bin ein Familienmensch und habe vier Geschwister, deswegen ist mir zu Hause auch jetzt nur selten langweilig. Oft haben wir bis zum späten Nachmittag Fernunterricht, das ist sehr anstrengend. Ich male gern, höre Musik. Traurig finde ich, dass wir unsere Oma nicht mehr besuchen dürfen. Ich bin ein offener Mensch und mag es nicht, eingesperrt zu sein. Wir sind frisch nach Burgfarrnbach gezogen, und ich kann hier im Ort niemanden kennen lernen. Man hätte manchmal gern jemanden, mit dem man reden kann, nicht per Instagram, Snapchat oder Houseparty. Ich vermisse es, meine Freunde auf dem Schulhof zu treffen und mit ihnen durch Nürnberg zu laufen, wir holen uns gern einen Bubble-Tea und laufen in der Innenstadt am Wasser entlang. Einfach Kind sein halt.

Ich weiß, dass sich viele Jugendliche nicht so an die Lockdown-Regeln halten wie ich. Sie hören nicht auf die Eltern. Freiheit ist schön, aber das ist nicht cool. Die Lage ist ernst, und wir tun das alles doch, um wieder in die Normalität zu kommen. Zum Glück weiß ich schon lange, was ich werden will: Krankenschwester und Rettungssanitäterin, die werden immer gebraucht. Ich sorge mich nur, ob ich noch einen Platz bekomme, weil unsere Zeugnisse in diesem Jahr so verspätet kommen.

Charlotte Meixner, 15 Jahre, 9. Klasse Realschule, Bayreuth

Charlotte Meixner

Charlotte Meixner © Charlotte Meixner, NN

Vor ein paar Wochen hatte ich einen Durchhänger. Da war ich nur daheim und mit Schulzeug beschäftigt. Mittlerweile geht’s mir wieder besser. Ich habe eine Freundin, die darf ich treffen. Wir gehen dann raus aufs Gelände der Landesgartenschau. Aber ich vermisse es schon sehr, mich mit mehr Leuten zu treffen. Und in den Urlaub zu fahren.

Was ich sonst so mache? Naja, ich hänge mehr am Handy als früher, das ist schon so. Netflix, TikTok, Snapchat, Instagram, das sind meine Kanäle. Damit ruhe ich mich von der Schule aus.

Schule daheim ist schon anstrengend. Morgens müssen wir uns, wenn wir keine Konferenz haben, zwischen 7.40 und 8.30 Uhr melden, indem wir ein Bild von uns schicken und eine Aufgabe erfüllen. Und alle Aufgaben, die wir am Vormittag bekommen, müssen wir bis 15.30 Uhr abgegeben haben. Gleichzeitig ist viel weggefallen. Unsere Klassenfahrt zum Beispiel. Oder mein Praktikum beim Tierarzt. Das wäre jetzt.

Meine Eltern erinnern mich und meinen Bruder daran, Abstand zu halten und andere nicht zu umarmen. Junge Leute werden ja gerade oft kritisiert, das finde ich nicht gerecht. Die meisten, die ich kenne, halten sich an die Regeln. Manche treffen sich zwar in größeren Gruppen – aber das sind nicht nur wir Jugendlichen!

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