Impfkampagne

Piks für Bedürftige bei der Tafel: Nürnberg ist Vorreiter in Bayern

17.5.2021, 19:18 Uhr
Medienhype im Tafel-Keller: Den Auftakt der Impfungen in der Ausgabestelle in St. Leonhard verfolgten neben OB Marcus König (li.) auch zahlreiche Journalisten.

© Eduard Weigert Medienhype im Tafel-Keller: Den Auftakt der Impfungen in der Ausgabestelle in St. Leonhard verfolgten neben OB Marcus König (li.) auch zahlreiche Journalisten.

Es gibt Körbe mit Kartoffeln und Kohlrabi, aber auch Rhabarber und sogar Spargel, ein paar Meter weiter stehen die Kühlboxen mit Milchprodukten und daneben stapeln sich die Backwaren. "Heute haben wir besonders viel Kuchen und Torten", sagt Helferin Brigitte K. Der Grund: Ein Möbelhaus hat seine Lagerbestände überprüft und der Tafel eine größere Ladung von Gebäck gespendet, bei dem bald die Mindesthaltbarkeitsfrist abläuft.

Im einstigen Pfarrsaal von St. Bonifaz in der Leopoldstraße ist schon alles für die Ausgabe vorbereitet, auch die sechs Helferinnen aus dem Team um Renate Glaubrecht stehen schon parat, einige von ihnen sind schon geimpft, alle lassen sich vor den Einsätzen testen. Dabei ist an diesem Tag etwas anders als sonst: Ausnahmsweise gibt es nicht nur Lebensmittel, sondern auch die Gelegenheit zu einer Impfung gegen Corona.

Der schützende Piks kann freilich nicht zwischen Obst und Brezen verabreicht werden. Das mobile Team vom Impfzentrum hat sich dafür im Keller eingerichtet, wo die einstige Klause auch als Ruheraum für die Wartezeit nach der Impfung zur Verfügung steht. Ohne Anmeldung geht es nicht: Knapp 100 der an diesem Montag gewöhnlich erwarteten 130 Kundinnen und Kunden haben sich in die Impfliste eintragen lassen. Die Impflotsen haben das ganz unkompliziert vorgenommen - eine große Erleichterung für viele, die mit dem Impfportal nicht zurecht kommen.

Nahezu keine Kontakte

Wie zum Beispiel Raviam R. "Die Registrierung über das Internet hat bei mir nicht geklappt, auch von meinen Ärzten bekam ich keinen Termin, dabei bin ich chronisch krank", erzählt die 66-Jährige. Seit Monaten habe sie konsequent Kontakte gemieden soweit es irgend möglich war. Die Tafel freilich musste sie weiterhin nutzen - das bescherte ihr nun die ersehnte Chance zur Impfung.

"Das Angebot ist ausdrücklich nur für Bestandskundinnen und -kunden gedacht", unterstreicht Edeltraut Rager, die Leiterin der Nürnberger Tafel unter dem Dach des Roten Kreuzes. Denn ein Ansturm von Interessenten, die sich womöglich nur wegen der Aussicht auf die Impfung "mal eben" bei der Tafel registrieren lassen wollten, wäre nicht zu verkraften.

Auch die Abläufe wollen gut durchdacht sein. Um Engpässe zu vermeiden, erhalten die Betroffenen Zeitfenster jeweils eine Stunde vor der für sie vorgesehenen Ausgabezeit. "Einfach zu versprechen, jeder könne spontan vorbeikommen, um sich impfen zu lassen", erläutert Rager weiter, klinge zwar "niederschwellig", führe aber zu langen Warteschlangen und dazu, dass viele abgewiesen und enttäuscht werden müssen - das ist andernorts schon gründlich schief gegangen. Und alles steht und fällt mit den verfügbaren Fläschchen.

Auf eine Woche begrenzt

So ist auch die Impfaktion in der Tafel nicht mehr als ein Mosaiksteinchen: Sie ist vorerst auf eine Woche begrenzt; die insgesamt 430 Kundinnen und Kunden, die zum Zuge kommen, machen nicht einmal zehn Prozent aller registrierten Tafel-Nutzer aus, Nachmeldungen sind aktuell nicht mehr möglich - wobei vor allem Ältere inzwischen bereits geimpft sein dürften.

Ob es zu einer Wiederholung kommt, ist vorerst ungewiss und hängt entscheidend davon ab, wie viel Impfstoff der Stadt zur Verfügung steht. "Als Großstadt mit den besonderen Herausforderungen müssten wir extra Zuteilungen erhalten; wenn das in Nordrhein-Westfalen möglich ist, sollte das auch in Bayern klappen", fordert denn auch OB Marcus König. Zum einen wegen der in Großstädten höheren Belastungen, zum anderen, weil in Nürnberg - etwa im Klinikum und den Heimen - schon zahlreiche Mitarbeiter mitgeimpft worden seien, die gar nicht in der Stadt, sondern im Umland wohnen.

Ausdrücklich bedankte sich König bei den Rotkreuz-Mitarbeitern im Allgemeinen und den Tafel-Helferinnen im Besonderen für ihr Engagement. "So bedauerlich es ist, dass Tafeln überhaupt nötig sind, so gut ist es, dass wir sie haben - und Nürnberg ist eine der wenigen Städte, in denen dieses Angebot trotz Pandemie kontinuierlich aufrecht erhalten werden konnte."

Mehr Platz in Sicht

Unterdessen gibt es für die Nürnberger Tafel gute Aussichten - jedenfalls in räumlicher Hinsicht: Sie hat für ihr Zentrallager und das Büro ein neues Quartier in Aussicht. Es liegt, nur wenige hundert Meter vom bisherigen Domizil entfernt, ebenfalls in der Sigmundstraße. Dort werden die Räume eines Anbieters für Gastronomie-Bedarf frei.

Der Tafel stehen dort dann mehr als 1300 Quadratmeter zur Verfügung. Der Umzug soll in ein paar Monaten erfolgen. "Für uns verbessert sich aber nicht nur die angespannte Raumsituation", freut sich die Tafel-Leiterin Edeltraut Rager, "künftig verfügen wir auch über eine Küche". Und die können die Mitarbeiter doppelt gut gebrauchen: Zum einen, um leicht verderbliche Ware selbst einzukochen oder so weiterzuverarbeiten, dass sie länger haltbar ist und auch zu späteren Zeitpunkten noch ausgegeben werden kann. Und zum anderen, um einen Mahlzeiten-Lieferdienst aufzubauen, beispielsweise zur Versorgung von Wohnungslosen und anderen Bedürftigen. Daneben läuft der ehrenamtliche Liefer- und Bringdienst durch Club-Fans weiter und wird sehr gut angenommen.

Last but not least, eignet sich der künftige Standort - mit einer Bushaltestelle vor der Haustür - auch als Ausgabestelle. Der von der Pfarrgemeinde St. Bonifaz vorübergehend zur Verfügung gestellte alte Gemeindesaal an der Leopoldstraße kann dann ebenso aufgegeben werden wie die bisherige Ausgabestelle in der Ernst-Sachs-Straße.

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