So gehen Nürnbergs Schulen mit Corona um

15.9.2020, 05:48 Uhr
Unterricht mit Mundschutz: Fünf Schüler saßen in der ersten Woche nicht in den Klassenzimmern des Nürnberger Dürer-Gymnasiums, weil sie nach den Ferien gleich am Flughafen positiv auf Covid-19 getestet worden waren.

© NNZ Unterricht mit Mundschutz: Fünf Schüler saßen in der ersten Woche nicht in den Klassenzimmern des Nürnberger Dürer-Gymnasiums, weil sie nach den Ferien gleich am Flughafen positiv auf Covid-19 getestet worden waren.

Iddrisu spielt gern Fußball und vermisst in der Schule gerade am meisten den Sportunterricht. Der 13-Jährige besucht eine Deutschlernklasse in der Dr.-Theo-Schöller-Mittelschule in Schniegling. Fünf Schulstunden lang und in den Pausen die Maske zu tragen findet er anstrengend, „ich kann nicht so gut atmen“. Aber er verstehe, dass alle an seiner Schule mit der Mund-Nasen-Abdeckung vor dem Coronavirus geschützt sind. Der Start in das ziemlich andere Schuljahr empfinden, egal an welcher Schule man nachfragt, alle Lehrer und Kinder als herausfordernd. Doch birgt die Schule unter Coronabedingungen auch Chancen.


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Die Dr.-Theo-Schöller-Mittelschule hat für 420 Kinder nur eine Turnhalle mit Belüftung. Damit der Corona-Mindestabstand eingehalten werden kann, dürften darin nur zehn Kinder auf einmal Sport machen. Das macht organisatorisch keinen Sinn, „wir starten jetzt mal mit Sport im Freien“, sagt Schulleiterin Siglinde Schweizer. Schließlich sei der Pegnitzgrund nicht weit. Dort lässt sich auch beim Deutschlernen super der Abstand einhalten, Lehrerin Carolin Buinevicins überlegt, ob sie mit den Kindern ihrer Deutschlernklasse dorthin ausweicht. „Die Masken sind beim Sprachenlernen eine riesen Einschränkung, man muss einfach die Mimik sehen können.“

Kinder ohne Maskenpflicht sind ein Problem

Carolin Buinevicins hatte in den ersten Schultagen Kopfweh, wenn sie nach dem Unterricht nach Hause kam. Mal Luft zu holen ohne Maske ist in den engen Schulalltag kaum einzutakten. Doch Lehrer und Kinder schlagen sich insgesamt an Nürnbergs Schulen gut, meint Ralf Karg vom staatlichen Schulamt. „Es läuft relativ reibungslos.“


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Ohne Irritationen kann ein so besonderes Schuljahr aber natürlich nicht starten. „Es kommt vor, dass Eltern morgens in einer Schule anrufen, weil sie sich nicht sicher sind, ob ihr Kind Kontakt mit einem Infizierten hatte“, erzählt Karg. Dann meldet das die Schule dem Gesundheitsamt. Siglinde Schweizer weiß nicht, wie sie die Kinder in den Schulalltag integrieren soll, die wegen eines ärztlichen Attests keine Maske tragen müssen. Klare Anweisungen gebe es dafür nicht.

Kompliziert ist es derzeit auch mit dem Mittagessen und dem Ganztagsangebot in den Schulen. In der Dr.-Theo-Schöller-Mittelschule gibt es „Essen to go“, das sich die Schülerinnen und Schüler gestaffelt abholen. Einige Caterer haben laut Karg derzeit mit den Hygieneauflagen zu kämpfen, nicht überall laufe es deshalb mit dem Mittagessen wie sonst üblich. Auch die Ganztagsangebote starten verhalten, bei Siglinde Schweizer können die Kinder ab dieser Woche wieder Nachmittagsangebote nutzen. „Wir haben pro Tag maximal 18 Kinder im offenen Ganztag“, das sei überschaubar. Aber Bastelwerkzeug herumreichen oder ähnliches gehe nicht.

Es geht darum, mögliche Infektionsketten nachvollziehen zu können. Deshalb sind auch im Unterricht keine Gruppenarbeiten mit wechselnden Kindern möglich. Der 13-jährige Iddrisu vermisst das. Aber er nickt zustimmend, als Klassenkameradin Fatima sagt: „Wegen der Maske und dem Abstand muss ich keine Angst haben, dass es in der Schule Corona gibt und mit meinen Freundinnen spielen kann ich ja trotzdem.“ Alle Einschränkungen seien besser als das Lernen daheim.

Kein Weg zurück vom Digitalen Lernen

Doch das Homeschooling habe auch etwas Gutes gehabt, sagen Schweizer und Buinevicins. Alle Kinder bekommen jetzt Zugang zu Microsoft Teams, das Online-Lernen habe Einzug in den Schulalltag gehalten. Buinevicins arbeitet mit einer digitalen Pinwand, an der die Kinder Lern-Apps, Lieder, Texte und Infos über Covid-19 in zig Sprachen finden. Lehrer und Schüler üben zusammen ein, wie das gehen kann mit dem digital gestützten Lernen. Der Weg sei nicht mehr umkehrbar, meinen die Lehrerinnen.

Dass der Start in dieses Schuljahr, von dem vor den Ferien viele glaubten, dass die Kinder wieder nur die Hälfte der Zeit in der Klasse und die andere daheim lernen müssen, nicht völlig reibungslos verlief, war nicht anders zu erwarten. Die Redaktion erreichten Hinweise, dass am ersten Schultag in der Adalbert-Stifter-Mittelschule alle Kinder durch eine Tür ins Gebäude drängten und kein Mindestabstand eingehalten wurde. Auch mit der Maskenpflicht sei es nicht gut gelaufen. Schulamtsdirektor Ralf Karg war am Donnerstag selber aus einem anderen Grund vor Ort und berichtet, dass eine Lehrkraft in Warnweste allen die Tür aufgehalten und auf die Masken geachtet habe. Von der Schulleitung selber war keine Auskunft zu bekommen.

Fünf Schüler saßen in der vergangenen Woche nicht im Unterricht des Nürnberger Dürer-Gymnasiums, weil sie nach den Ferien gleich am Flughafen positiv auf Covid-19 getestet worden waren. „Es ist vielen in der Schule bewusst, wie wichtig die Hygienevorschriften sind“, sagt Schulleiter Reiner Geißdörfer. Er findet, Schule sei immer, auch ohne Corona, eine Belastung. „Aber wenn man etwas für wichtig hält, dann hält man es auch durch.“

Klar, Lehrkräfte opferten gerade ihre eigenen Pausen, weil sie versetzt und dann in den Doppelstunden mit den Kindern in den Hof gehen, wenn es gerade im Stoff passt. Mit Maske zu sprechen sei anstrengend, „wenn ich im Gebäude die Treppe hochgehe, muss ich öfter mal durchschnaufen“, sagt Geißdörfer. Auch die personelle Belastung sei noch größer als üblich. Fünf Lehrkräfte dürfen derzeit nicht unterrichten, weil sie zu einer Risikogruppe gehören oder schwanger sind.

Das Dürer-Gymnasium bekam zwar acht Teamlehrkräfte, die zusätzlich für den Präsenzunterricht zur Verfügung stehen, aber eng sei es trotzdem. Laut Sandra Schäfer, 1.Vorsitzende des Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenvereins, fällt an mehreren Nürnberger Schulen derzeit Fachunterricht aus oder sie können nicht stundenplanmäßig starten. Die Gründe seien die Hygienevorschriften, ausfallende Kollegen und der ohnehin massive Lehrermangel. Doch die Schulen sind erfinderisch, im Interesse der Kinder. So finden am Dürer-Gymnasium zwar nachmittags noch keine Arbeitsgemeinschaften statt. Doch statt Sport- oder Theater-AG trainieren die Lehrer mit den Schülern Englisch oder Französisch, um die Wissenslücken zu stopfen, die vor dem Sommer im Homeschooling entstanden sind.