Therapie per Computer: "Das funktioniert richtig gut."

3.5.2021, 05:40 Uhr
Frühförderung klappt nicht nur bei einem persönlichen Treffen, sondern auch virtuell: Logopädin Magdalena Hagen unterstützt den zwei Jahre alten Jeremias. 

© Michael Matejka, NNZ Frühförderung klappt nicht nur bei einem persönlichen Treffen, sondern auch virtuell: Logopädin Magdalena Hagen unterstützt den zwei Jahre alten Jeremias. 


Mit seinen zwei Jahren hat der kleine Jeremias schon einiges mitgemacht: Er kam als Frühchen auf die Welt, hat eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und musste deswegen zweimal operiert werden. Dennoch sagt seine Mutter Nico Hammer-Bui: "Er hat sich prächtig entwickelt und spricht richtig gut - auch dank der Frühförderung." Mit der Logopädin Magdalena Hagen verstehe er sich bestens und ist voller Elan bei den Übungen mit dabei.

Doch dann sorgte Corona für einen Stillstand: In der ersten Welle im Frühjahr 2020 mussten die Frühförderungseinrichtungen des Vereins in Nürnberg, Erlangen und Treuchtlingen von heute auf morgen dicht machen. Dabei ist diese Arbeit so wichtig. Ob Physio-, Logo-, und Ergotherapie, ob Heilpädagogik und Psychologie: 28 Mitarbeiterinnen beim Verein für Menschen fördern Kinder, die eine Behinderung oder eine Entwicklungsverzögerung haben. Die Kosten der Behandlung der Kinder von der Geburt bis zur Einschulung übernehmen nach ärztlicher Verordnung die gesetzlichen Krankenkassen und der Bezirk Mittelfranken.

Sabine Müller, Leiterin der Frühförderung, sagt über die erste Zeit im Lockdown: "Wir waren ziemlich verzweifelt. Wir durften von jetzt auf gleich nicht mehr mit den Kindern arbeiten." Die Kostenträger - also der Bezirk Mittelfranken und die Krankenkassen - regten an, dass man doch "Ersatzleistungen" anbieten könne. Und so berieten die Mitarbeiterinnen Eltern per Telefon und organisierten eine Online-Therapie. Sabine Müller bekennt: "Vor der Pandemie konnten wir uns nicht vorstellen, dass man viele Therapien auch über Videochat durchführen kann. Doch dann kam der Lockdown und unser Überleben hing davon ab, auf digitale Medien umzusteigen."


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Und so sitzt heute der kleine Jeremias daheim am Tablet und kommuniziert per Videoschalte mit Logopädin Magdalena Hagen. Das läuft richtig gut, wie die Logopädin berichtet. Anfangs habe auch sie nicht viel von der Online-Therapie gehalten: "Ich dachte, die Kinder würden sich nicht lange genug konzentrieren oder einfach nicht vor dem Gerät sitzen bleiben. Aber ich habe festgestellt, dass gerade auf meinem Fachgebiet viele Übungen sehr gut funktionieren, zum Beispiel zur Stärkung der Mundmuskulatur." Die Logopädin berichtet: "Bei einigen älteren Kindern klappen auch Spiele zur Grammatik, zum Üben der korrekten Aussprache oder auch Bildergeschichten ganz prima." Sabine Müller weiß: "Es ist faszinierend: Die Kinder sind sehr unbefangen, das klappt überwiegend gut."

Kaum Ausfälle

Magdalena Hagen ergänzt: "Bei digitaler Therapie kommt es viel seltener zu Ausfällen. Wenn zum Beispiel eine Mutter krank wird und ihr Kind nicht zur Therapiestunde bringen kann, schaltet sie zuhause einfach den Computer ein." Und sie weiß: "Digitale Therapie ist bei manchen Familien auch deshalb beliebt, weil keine Fahrtkosten anfallen. Das ist ein echter Vorteil, wenn das Familienbudget knapp ist."

Und auch Sabine Müller sagt: "Die Einbindung der Familie in die Therapie klappt oft viel besser, wenn die Eltern nicht extra in die Frühförderung kommen müssen, sondern nach Feierabend am Küchentisch mit den Therapeutinnen skypen können." Ob Arbeitskreise, Elterngespräche oder Abstimmungstreffen mit Kinderärzten und anderen Therapeuten: Das alles geht mittlerweile digital über die Bühne. "Das funktioniert richtig gut." Auch wenn ein Kind oder dessen Eltern wegen Corona in Quarantäne sind, ist das kein großes Problem: Schließlich ist Videochat dann immer noch möglich.

Mit der technischen Ausstattung schaut es allerdings nicht so gut aus. Gerade mal sieben Laptops kann der Verein für Menschen den 28 Mitarbeiterinnen stellen. "Wir arbeiten also auch mit unseren privaten Geräten", berichtet Sabine Müller. Denn der Verein, der wegen Corona in eine finanzielle schwierige Lage geraten ist, kann auf die Schnelle keine Geräte kaufen.


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Digitale Hilfsmittel können übrigens auch bestehende Therapien entscheidend verbessern. Sabine Müller: "Es gibt zum Beispiel spezielle Tablets, die den Umfang an Therapiemöglichkeiten für Kinder, die nicht oder nur schlecht sprechen können, erheblich erweitern. Der Umgang mit Tablets ist auch sehr motivierend für die Kinder. Das erleichtert die Therapie, die ja durchaus anstrengend ist." Allerdings kostet ein solches Tablet rund 3000 Euro. Geld, das der Verein nicht hat.

Das Geld ist knapp

Generell stehen der Frühförderung für die Finanzierung der digitalen Technik weder ein Digitalpakt noch Förderprogramme zur Verfügung. Die Geräte aus den Einnahmen zu finanzieren, das sei angesichts der angespannten Finanzlage des Vereins nicht machbar.

Der Verein für Menschen durfte mittlerweile wieder seine Frühfördereinrichtungen öffnen - setzt aber zusätzlich weiter auf die Online-Therapie, weil sich diese bewährt hat. Nico Hammer-Bui und ihr Sohn sind mit Bus und U-Bahn etwa 40 Minuten zur Frühförderung unterwegs: "Wenn wir dort ankommen, ist Jeremias oft so erschöpft." Und sie freut sich, dass Jeremias bei der Online-Therapie so engagiert ist: "Das klappt richtig gut."


Spenden an den Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg, IBAN DE52760501010001043303DE5276050101000104330, Stichwort: Frühförderung digital, Eine Spendenquittung wird zugeschickt, falls der Spender seine Anschrift auf dem Überweisungsformular angibt.

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