"Das wollte ich nicht tolerieren"

Wirre Impftheorien: Nürnberger Chefarzt zeigt Berufskollegen an

20.12.2021, 05:49 Uhr
Prof. Dr. Joachim Ficker, Chefarzt für Pneumologie am Klinikum Nürnberg, kämpft zusammen mit seinem Team um das Leben und die Gesundheit von Corona-Opfern

© Klinikum Nürnberg Prof. Dr. Joachim Ficker, Chefarzt für Pneumologie am Klinikum Nürnberg, kämpft zusammen mit seinem Team um das Leben und die Gesundheit von Corona-Opfern

Joachim Ficker hat schon so einiges erlebt. Besonders in den vergangenen Monaten. Covid-Patienten, die mit gefälschten Impfpässen an Beatmungsgeräten um ihr Leben kämpfen, Verschwörungstheorien, Wut und Aggressivität. "Ich führe viele Einzelgespräche", sagt der Chefarzt am Nürnberger Nordklinikum. Erst kürzlich diskutierte er mit einem Impfskeptiker wieder eine ganze Stunde lang. Das helfe, zumindest manchmal. Oft kann der Pneumologie-Professor aber auch nur mit dem Kopf schütteln.

Etwa, als er neulich Post von einem Kollegen bekam. "Es geht um einen Hamburger Arzt, der bundesweit Mediziner anschreibt und völlig falsche Behauptungen zur Impfung aufstellt", erzählt Ficker. "Er behauptet, viele Patienten würden Schaden nehmen und die Ärzte müssten dafür aus ihrem Privatvermögen aufkommen." Haltlose Thesen, die der Mann mit fachlich falschen Unterlagen belegte, berichtet der Mediziner. "Das wollte ich so nicht tolerieren." Deshalb erstattete Ficker bei der zuständigen Landesärztekammer Anzeige. Noch läuft das Verfahren gegen den Beschuldigten.

"Manchmal schäme ich mich für solche 'Kollegen'"

Wenn Ärzte Verschwörungstheorien verbreiten, ist die Gefahr gewaltig, warnt er. Gerade jetzt, wo jede verabreichte Dosis die ohnehin knappen Kapazitäten auf den überfüllten Intensivstationen schützt. "Wir haben als Ärzte eine besondere Verantwortung und Garantenpflicht und damit wird unser gesamter Berufsstand diskreditiert", sagt Ficker. "Manchmal schäme ich mich für solche 'Kollegen'."

Ein Einzelfall ist der Hamburger Arzt nicht, das bestätigt auch der Nürnberger Chefarzt. "Ich habe das mehrfach erlebt.". Die Bayerische Landesärztekammer weiß um die Probleme, spricht auf Nachfrage von "wenigen Mitteilungen in Strafsachen (...) aufgrund von coronabezogenen Vorfällen" im Freistaat. Konkrete Zahlen liegen aber nicht vor. Auch der Ärztlichen Bezirksverband Mittelfranken spricht von "mehreren Verfahren", bei denen es größtenteils um "Maskenatteste" gehe, die "nach Meinung der Gesundheitsämter und Staatsanwaltschaften nicht stichhaltig begründet sind", sagt eine Sprecherin. Verurteilt wurde bislang aber kaum jemand.

"Impfskandal von Wemding" beschäftigt Behörden

Auch die bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG), die bei der Nürnberger Generalstaatsanwaltschaft angesiedelt ist, weiß von einigen Fällen. "Es sind elf Vorgänge anhängig, wobei bei sechs ein Anfangsverdacht bejaht und deswegen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde", sagt ein Sprecher. Darunter befindet sich auch der "Impfskandal von Wemding", wie ihn mehrere Medien nennen. Ein Arzt soll dabei Hunderten Patienten, die eine Corona-Impfung wollten, wirkungsloses Placebo gespritzt haben - ohne deren Wissen. Impfskeptikern soll der Mediziner zudem ohne Spritze einen Nachweis ausgestellt haben.

Der Nürnberger Chefarzt Joachim Ficker jedenfalls will auch in Zukunft entschlossen gegen Verschwörungstheorien und krude Behauptungen vorgehen. "In den allermeisten Fällen ist das Vertrauen zum Arzt zurecht groß. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Landesärztekammer in so einem Fall die Reißleine zieht", sagt er. "Als Privatmann darf jeder irgendwelchen Unsinn denken. Aber wenn sich ein Arzt als Arzt äußert, dann muss das stimmen."

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