Stefan Müller über seine sechs Jahre als Aufsichtsrat beim FCN

20.10.2020, 05:54 Uhr
Stefan Müller über seine sechs Jahre  als Aufsichtsrat  beim FCN

© Foto: Matthias Hertlein

Ein Mann zwischen großem sozialem Engagement und Anfeindungen, Beleidigungen und mehr: Für den Schwabacher Marketing-Unternehmer Stefan Müller endet am 20. Oktober 2020 seine Ära als Club-Aufsichtsratsmitglied. Nach sechs Jahren Engagement an der Vereinsspitze des "Ruhmreichen" tritt Müller als Funktionär ab.

Damit zieht er auch persönliche Konsequenzen. "Bevor das verflixte siebte Jahr kommt und alles schief geht, höre ich auf", scherzt der 52-Jährige, "die Gelegenheit ist günstig, es ist ja auch kein Rücktritt, ich stelle mich nur nicht mehr zur Wahl."

In Schwabach bekannt ist er aber auch ohne den 1. FC Nürnberg: Stefan Müller organisiert "Tafelkonzerte", sammelt mit Freunden seit Jahren Geld für bedürftige Menschen und für damit verbundene Projekte. Oder er gibt den Entertainer mit den Daltons beim Schwabacher Bürgerfest im Musikerhof.

Berufliche "Zwickmühle"

Der Rückzug beim Club erfolgt überwiegend aus beruflichen Gründen. Zum einen hat Müller das B&M-Marketing-Unternehmen im Dienste des Axel Springer-Verlags zum 1. Mai "massiv in Schwabach ausgebaut", wie er sagt.

"Ich habe zusätzlich den Standort in Hamburg vergrößert. In schwierigen Corona-Zeiten haben wir einen großen Umsatz-Zuwachs erwirtschaftet, der auch verwaltet werden muss." Mehr noch: "Wir haben, ebenfalls zum 1. Mai die Gesamtvermarktung von Auto-Bild, Computer-Bild und Sportbild übernommen.

Da ist die Nähe zur Redaktion sehr groß, dadurch komme ich in einen Zielkonflikt zwischen Verschwiegenheit als Aufsichtsratsmitglied und der Berichterstattung der Sport-Bild-Redaktion, die ständig auf der Suche nach bestimmten Geschichten sind, in die Zwickmühle."

"Er war wild wie ein Tiger"

Zu diesen beruflichen Gründen kommt aber eines hinzu: Die Häme und die Prügel mancher Medien für ihn und vor allen für den FCN-
Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Grethlein in der abgelaufenen Saison förderten seinen Entschluss.

Stefan Müller über seine sechs Jahre  als Aufsichtsrat  beim FCN

© Foto: Matthias Hertlein

Entzündet hatte sich Kritik vor allem, als Müller beim ersten Relegationsspiel um den Verbleib in der Zweiten Liga daheim gegen den FC Ingolstadt seinem Kollegen auf der Tribüne ein Bier rüberschob. Grethlein mit Bier und Zigarre, das war für einige ein Skandal, für wenige andere eine Aktion mit menschlichen Zügen. "Ich wollte Grethlein helfen, damit er ein wenig runterkommt. Er war ja wild wie ein Tiger gewesen", beschreibt Stefan Müller die Szene.

"Enorme Konsolidierung"

Sein Blick auf die sechs Jahre im Verwaltungsrat ist durchwachsen: Die geplante Ausgliederung des Clubs in eine Kapitalgesellschaft wurde nicht geschafft. Ein Manko für Müller, wie er bekennt. Doch heute sei der so häufig krisengeschüttelte Verein ungleich besser aufgestellt als bei seinem Amtsantritt 2014, betont Müller: "Hätte es Corona 2015 gegeben, wäre es die Vernichtung des 1. FC Nürnberg gewesen."

Heute sehe das ganz anders aus: "Dass wir überhaupt drüber diskutieren konnten, einen Dieter Hecking zu holen, wie wir die Mannschaft umbauen und die Struktur des Vereins verändern, das ist nur deswegen möglich, weil es eine enorme wirtschaftliche Konsolidierung im Verein gegeben hat. Und wenn die ökonomische Grundlage geschaffen ist, dann ist dies das wichtigste Ergebnis dieser Amtszeit."

Unterstützung für Grethlein

Stefan Müller sieht das Positive. Deshalb bricht er eine Lanze für den viel gescholtenen Kollegen Grethlein im Aufsichtsrat, der im Gegensatz zu ihm sich wieder als Aufsichtsratskandidat zur Verfügung stellt. Wie 17 weitere Bewerber, unter anderem Ex-Profi Martin Driller oder auch der frühere Vize-Präsident Siegfried Schneider.

Stefan Müller sagt ganz deutlich: "Ich wünsche Thomas Grethlein, dass er wiedergewählt wird. Grethlein wurde völlig zu Unrecht und unqualifiziert, substanzlos und polemisch Dinge um die Ohren gehauen. Es gab ja in der vergangenen Saison nicht nur Morddrohungen gegen Spieler. Was sogenannte Fans in sogenannten Fan-Foren abließen, das ist nicht nur entwürdigend, das ist in heutigen Zeiten auch durchaus bedrohlich. Mann muss sich schon überlegen, was nimmt man davon ernst und was nicht."

Als jüngst Club-Idol Georg Volkert starb und der Verein sich in der Öffentlichkeit bewusst passiv verhielt, stieß das bei den Fans und einigen Funktionären übel auf. Müller erklärt dazu: "Das war mit der Familie Volkert so vereinbart, so wollten das nicht."

"Hecking ist brillant"

Die Verbindung zwischen Stefan Müller und dem Club bleibt aber erhalten. "Sie endet nicht, nur weil ich kein Aufsichtsrat mehr bin." Oberrang-Werbung, Logen-Anmietung verlängert, dem Verein wirtschaftliche Kontakte ermöglicht.

Erfolge, die oft missachtet werden. Denn jeder hat nur die schwierige Zeit in der letzten Saison im Kopf. Dabei will Müller nichts beschönigen: "Diese Saison war schlimm, daraus kann man Lehren ziehen. Merkwürdig ist nur, dass der Club in seiner näheren Umgebung einen deutlich schlechteren Ruf genießt. Von außerhalb her gibt es oft Anerkennung und Lob, für das, was man tut, in den Rankings der Fachzeitschriften stehen wir gut da. Vom Beliebtheitsgrad stehen wir oft noch vor arrivierten Vereinen."

Wie er die Zukunft sieht? Einer, der dem Club nach vorne bringen könne, sei Sportdirektor Dieter Hecking. Stefan Müllers verbales Abschiedsgeschenk: "Hecking ist brillant. Es hat mich sehr überrascht, wie schnell er den Sprung vom Trainer ins neue Amt geschafft hat."

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