Die erste eigene Anwendung
Programmieren war gestern: Jetzt kann jeder in normaler Sprache eine App entwickeln - so gehts!
04.06.2025, 18:05 Uhr
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine brillante Idee für eine Webseite, ein kleines Computerprogramm oder eine App fürs Handy. Vielleicht quält Sie diese Idee schon jahrelang. Vielleicht ist sie der Grundstock zu einer Anwendung wie damals Facebook oder WhatsApp?
Das Problem: Es mangelt an der Zeit und dem Geld für die Umsetzung und zum Ausprobieren. Der Weg von der Idee bis zum fertigen Produkt war bis vor ein paar Jahren extrem steinig. Es brauchte spezialisierte Fachkräfte, die komplizierte Computersprachen beherrschten. Denen musste man dann in mühevoller Kleinstarbeit die Idee erklären und hoffen, dass sie richtig ankommt. Und dann - im Dialog mit kostspieligen Entwicklerinnen und Entwicklern - die Idee ausarbeiten lassen. Heute ist das nicht mehr so. Denn: Die Zeiten ändern sich gerade ganz gewaltig.
Programmieren wird langsam vom „Vibe-Coding“ abgelöst
Wie das geht? Mit dem Buzzword der letzten Jahre. Der sogenannten „Künstlichen Intelligenz“ (KI). Die kann quasi als Co-Pilot die eigenen Ideen extrem schnell umsetzen. Wichtig ist, dass man diesem Co-Piloten verständlich erklären oder aufschreiben kann, was man sich vorstellt. Entweder in gesprochener Sprache oder in Textform. Bedeutet: Sie beschreiben, was Ihr Programm oder Ihre App können soll, wie es aussehen und wie es sich für die Nutzenden anfühlen soll; die Arbeit wird dann von den jeweiligen Assistenten erledigt. Sie konzentrieren sich ganz auf Ihre Vision und Ihre Wünsche, die Maschine sorgt für die Umsetzung.
Diese Form der Programmierung nennt man auch „Vibe Coding“. Den Begriff hat Anfang 2024 erstmals der bekannte KI-Forscher Andrej Karpathy (38) geprägt. Und er beschreibt genau das: Der Benutzer oder die Benutzerin erklärt die Idee, die KI setzt sie um. Vergleichen kann man diesen Vorgang etwa mit einem gut eingespielten Team. Es ist, als würde man einer sehr talentierten Zeichnerin genau beschreiben, welches Bild sie malen soll, ohne dass man selbst auch nur einmal einen Pinsel halten muss. Je besser die Erklärung, desto besser die Umsetzung.
Ein technologischer Meilenstein
Das Aufregende daran ist: Plötzlich können viel mehr Menschen ihre digitalen Ideen verwirklichen. Man muss nicht mehr jahrelang studieren, um die erste eigene kleine App zu entwerfen. Ob jung oder alt, mit viel Computererfahrung oder wenig - die eigene Kreativität und eine klare Vorstellung rücken in den Mittelpunkt. Karpathy glaubt etwa, dass so verborgene Entwicklungs- und IT-Talente entdeckt werden, die bislang dachten, seine solche Karriere sei für sie unerreichbar.
Dass es sich hierbei nicht um Zukunftskonzepte, sondern um handfeste Praxis handelt, zeigen die Erklärungen der großen Tech-Firmen wie Meta, Google und Microsoft. Microsoft-CEO Satya Nadella erklärte etwa während eines Gesprächs mit Mark Zuckerberg (Meta-CEO) auf Metas LlamaCon, dass 20 bis 30 Prozent des Codes in Microsofts Anwendungen „von Software geschrieben“ sind. Was er damit meint, ist KI-generierter Code. Generell überbieten sich aktuell Tech-Unternehmen gegenseitig dabei, wie viel durch diese Praxis entstandener Code Verwendung findet.
Programmieren wir bald alles selbst?
Aber ist es wirklich so einfach, dass jeder nun perfekte Software zaubern kann? Nicht ganz. Auch diese Computer-Helfer sind nicht unfehlbar. Manchmal verstehen sie eine Anweisung vielleicht nicht hundertprozentig richtig, oder das Ergebnis entspricht nicht genau den Erwartungen. Es ist also weiterhin wichtig, klare Angaben zu machen und das Ergebnis kritisch zu prüfen. Ein gutes Urteilsvermögen und ein Sinn für Qualität bleiben entscheidend. Denn nicht alles, was ein Computer erzeugt, ist automatisch gut oder nützlich.
Programme wie ChatGPT, Googles Gemini, Anthropics Claude und auch Metas „Llama“ sind alle für die ersten Vibe-Coding-Gehversuche geeignet. Für Fortgeschrittene gibt es dann spezialisierte Anwendungen wie den GitHub-Copilot, der auf Programmierung spezialisiert ist. Gerade für die Erstellung von Internetseiten und Apps fürs Smartphone gibt es schon erstaunliche Möglichkeiten. Und wenn es einmal nicht sofort klappt, hilft es oft, die eigene Idee noch einmal anders zu erklären.
Was bedeutet das alles? Es bedeutet, dass die Fähigkeit, eine gute Idee zu haben und diese klar zu vermitteln, immer wichtiger wird. Wenn die technischen Hürden niedriger werden, dann kommt es umso mehr auf Fantasie, Geschmack und ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer an.