100 Tage Klauß beim FCN: Zeit für eine Zwischenbilanz

12.11.2020, 05:55 Uhr
Angezeigt ist es: Trainer Robert Klauß drückt aufs Gaspedal. Aber nicht alle kommen mit.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr Angezeigt ist es: Trainer Robert Klauß drückt aufs Gaspedal. Aber nicht alle kommen mit.

Schon bei seiner Vorstellung am 3. August hätte Robert Klauß wohl am liebsten gleich Hütchen aufgestellt im Medienraum. Erfrischend positiv präsentierte sich der neue Trainer des 1. FC Nürnberg da, den Blick nach vorne gewandt, zwei Tage später leitete er seine erste Einheit. Was war, schien ihn nicht zu interessieren. Sondern nur, wie es werden kann.

Dass das vergangene Spieljahr mit seinem finalen Irrsinn von Ingolstadt nachwirken sollte, bekam der Zugang von RB Leipzig früher zu spüren, als ihm lieb gewesen sein dürfte. Die fünfeinhalbwöchige Vorbereitung verlief so, wie man es erwarten konnte. Mit raren Höhepunkten wie der zweiten Halbzeit im Test bei Union Berlin und vielen guten Vorsätzen, von denen sich nicht jeder per Handauflegen umsetzen ließ.

Messen lassen muss sich Klauß, Jahrgangsbester im Fußballlehrerkurs 2017/18, am bisherigen Verlauf der Punkterunde und dem mittelfristigen. "Uns ist wichtig, dass wir in allen Phasen des Spiels aktiv sind", das hat er am 3. August gesagt, "ich werde der Mannschaft eine Struktur vorgeben." Die sich auf dem Platz aber bislang nicht signifikant unterschied von früheren Versuchen, den offenbar schwer umerziehbaren Nürnbergern einen anderen, mutigeren Ansatz beizubringen.

Ein rot-schwarzes RB light

"Begeisterung, Leidenschaft, Emotion" möchte Klauß, mehr detailbesessener als ganzheitlicher Erneuerer, auf dem Feld sehen, eine Elf, die sich in jeder Sekunde zerreißt für den gemeinsamen Erfolg. Die aber, wie er im Pressegespräch am Mittwoch andeutete, Probleme damit hat, zwei oder drei Wochen alte Trainingsinhalte zu rekapitulieren. "Zielstrebig, organisiert, gerade im Spiel gegen den Ball" soll der neue Club sein, "aber trotzdem auch wild werden, wenn es in Umschaltmomente geht und wir richtig auf dem Gaspedal sind". So etwas wie RB Leipzig light schwebt Klauß vor, wo sie ihm eine Philosophie beibrachten, die vor allem auf eigene Dominanz setzt. Und den unerschütterlichen Glauben an sich selbst.

Abgeledert von Leipzig und Unzufriedenheit im November

Wie das in Kombination ungefähr aussieht, führte Klauß’ Ex-Verein in der ersten Pokalrunde vor; zweistellig hätte es da werden können im Max-Morlock-Stadion, so unterlegen hatte man den FCN lange nicht erlebt wie gegen den Champions-League-Halbfinalisten. Zwei, eher drei Klassen Unterschied. Normal. Ebenso die vier Punkte zum Auftakt, in Regensburg und gegen Sandhausen. Dass es fünf Partien später lediglich drei mehr sind, scheint jetzt selbst den Sportvorstand zu beunruhigen.

Von einer möglichst sorgenfreien Saison ist der Beinahe-Drittligist gerade weit entfernt, aber eben auch nur zwei Zähler von Tabellenrang acht. Zwei Siege in Folge, und es sähe anders aus, was ihnen letztmals Anfang Februar gelungen ist. Gegen Sandhausen und in Osnabrück, dem nächsten Gegner am übernächsten Montag. Heute um 14 Uhr testet der Club bei Eintracht Frankfurt (Live-Stream bei fcn.de). Zufrieden könne niemand sein im November 2020, so hat es Dieter Hecking kürzlich in einem Interview mit dieser Zeitung formuliert. Selbstüberschätzung sei nach wie vor spürbar, warum auch immer, "jeder sieht sich ein bisschen besser, als er es in den letzten zwei Jahren war", sagt Hecking, ein Rüffel für die Spieler. Denen Klauß seit Anfang August versucht, die Flausen auszutreiben.

Der Druck hemmt

Der junge Trainer, der zweitjüngste nach Werner Kern, der jemals ein Profi-Aufgebot des 1. FC Nürnberg unterrichten durfte, wirkt dabei mitunter wie ein Turbo ohne Motor. Seine Idee vom durchstrukturierten Gaspedal-Fußball setzten die Bremspedal-Fußballer höchstens phasenweise um und verfielen stattdessen häufig in alte, unliebsame Verhaltensmuster. Wie das beim täglichen Üben aussieht und ohne den offenbar hemmenden Druck des ständigen Gewinnen-Sollens, lässt sich nicht beurteilen; wegen der Pandemie fanden fast alle Einheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Somit dienen bislang lediglich die 630 Zweitligaminuten samt ihrer Resultate und Zwischenstände als Orientierungshilfe. Ein Sieg, vier Unentschieden, zwei Niederlagen, nach insgesamt neun Führungen. In Rückstand lag der Club tatsächlich erst 15 Minuten; 13 in Braunschweig, zwei gegen Darmstadt.

"Werden unsere Punkte holen"

"Für uns ist das ein Prozess, den wir jetzt einleiten werden", so Klauß am 3. August, im gestrigen Pressegespräch steckte er die ungefähre Dauer ab: "Zwei Drittel der Saison" können dafür draufgehen, glaubt Klauß. Und beruhigt: "Wir werden unsere Punkte holen und wir werden eine sorgenfreie Saison spielen, definitiv - unsere Arbeit wird sich auszahlen." Eine Frage der Zeit also. Wie so oft beim 1. FC Nürnberg.

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