Nationalmannschaft lässt aufhorchen
4:2! Furiose DFB-Elf zerlegt Europameister Portugal
19.6.2021, 20:19 UhrMit gleich zwei Eigentoren leistete Portugal, das die letzten vier WM- oder EM-Spiele gegen Deutschland allesamt verloren hatte, in München zwar selbst gehörig Aufbauhilfe, hatte einer enorm spiel- und kombinationsfreudigen DFB-Elf aber insgesamt wenig entgegenzusetzen.
Bundestrainer Joachim Löw hatte trotz der 0:1-Niederlage zum Auftakt gegen Weltmeister Frankreich wenig überraschend sowohl auf personelle wie auch taktische Änderungen verzichtet. Lediglich Leon Goretzka rückte nach auskurierter Verletzung erstmals in den Spieltagskader. Auch sein portugiesischer Kollege Fernando Santos schenkte zu Beginn wieder jener Elf das Vertrauen, die er beim klaren 3:0 gegen Ungarn auf den Platz geschickt hatte.
Frühes Tor aberkannt - dann traf Ronaldo
"Wir können alles noch geradebiegen, müssen uns aber steigern", hatte Löw seiner Mannschaft mit auf den Weg gegeben. Und sie schien diesen Rat zu beherzigen. Die "Gastgeber" setzten Portugal früh unter Druck, kombinierten sich phasenweise gekonnt in den Strafraum und suchten diesmal auch couragiert den Abschluss.
Nach fünf Minuten wurde erstmals gejubelt. Eine Hereingabe von Joshua Kimmich hatte Robin Gosens artistisch aus spitzem Winkel über die Linie gedrückt. Allerdings war Serge Gnabry in der Mitte knapp im Abseits gestanden – nach Intervention des Videoassistenten stellte der englische Schiedsrichter Anthony Taylor die Anzeigetafel wieder auf Null.
Deutschland ließ sich davon nicht beirren, riss immer wieder mit schönen Spielverlagerungen und präzisen Diagonalbällen Lücken in Portugals Abwehr. Gnabry fand nach einem feinen Solo durch den Strafraum mit seiner Hereingabe nur Torhüter Rui Patricio (7.), dann zwang Thomas Müller Portugals Keeper zu einer Parade (10.). Bereits nach zehn Minuten hatte die DFB-Elf mehr Offensivaktionen auf den Platz gebracht als gegen Frankreich über die gesamte Spielzeit.
Historischer Eigentor-Doppelschlag
Portugal schien sichtlich überrumpelt vom deutschen Powerfußball, ließ dann aber seine enorme Cleverness und individuelle Qualität aufblitzen. Nach der ersten deutschen Ecke klärte Cristiano Ronaldo hinten den Ball, startete durch und musste Sekunden später vorne nur noch den Fuß hinhalten.
Bernado Silva hatte den Konter über die rechte Seite vorangetrieben und einen herrlichen Flugball genau in den Lauf von Diogo Jota gespielt, der im Strafraum auf Ronaldo querlegte. Der Rest war nur noch Formsache, im fünften Anlauf durfte der 36-jährige Superstar endlich sein erstes Tor gegen Deutschland auf der To-do-Liste abhaken. Da half auch Manuel Neuers reflexartiger Reklamier-Arm nichts mehr.
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Auch diesen Rückschlag schien Löws Elf aber schnell wegzustecken. Sie spielte weiter mutig nach vorne und schraubte ihr Chancenplus nach oben. Gosens scheiterte an Rui Patricio (18.), Mats Hummels verpasste nur knapp eine Flanke von Gnabry (25.). In der 35. Minute wurde dieser engagierte Vortrag dann belohnt: Gosens brachte den Ball mit einer Direktabnahme von links wuchtig vor das Tor, wo Ruben Dias im Laufduell mit Kai Havertz unhaltbar zum 1:1 ins eigene Netz abfälschte. Nach Hummels‘ Fauxpas gegen Frankreich war diese Statistik bei diesem Turnier also ausgeglichen.
Historischer Doppelpack ins eigene Tor
Und Deutschland setzte gegen seltsam pomadige, defensiv unsortierte Südeuropäer nach: Eine scharfe Hereingabe von Kimmich lenkte Raphael Guerrero erneut ins portugiesische Gehäuse (39.) – ein ebenso kurioser wie historischer Eigentor-Doppelpack hatte den dreifachen Europameister auf Kurs gebracht. Die verdiente Führung hätte bis zur Pause sogar noch höher ausfallen können, doch scheiterte der quirlige Gnabry Sekunden vor dem Pausenpfiff an Rui Patricio.
Ein Versäumnis, das die Löw-Elf schon kurz nach dem Wechsel nachgeholt hatte – mit einem traumhaft herausgespielten Angriff. Müller setzte nach Doppelpass mit Kimmich Gosens in Szene, dessen Hereingabe Havertz diesmal zur Abwechslung mal selbst aus kurzer Distanz zum 3:1 vollendete (51.). Nach einer Stunde waren dann endgültig alle Restzweifel beseitigt, als der überragende Gosens, später verdientermaßen zum "Man of the match" gekürt, eine Flanke von Kimmich unbedrängt zum 4:1 einnicken durfte.
Portugal gelingt der Anschluss - aber nicht mehr
Spätestens jetzt war der Funke auch auf die spärlich besetzten Ränge der Münchner Arena übergesprungen. "Oh wie ist das schön, so etwas hat man lange nicht gesehen!", jubilierten die euphorisierten deutschen Fans. So etwas hatte man bei deutschen Spielen auch lange nicht mehr gehört. Das 2:4 durch Diogo Jota, der von einer Unaufmerksamkeit der deutschen Abwehr profitierte und den Ball nach starker Vorlage von Ronaldo aus kurzer Distanz über die Linie drückte (67.), taugte kaum zum Stimmungsdämpfer. Zwar traf Renato Sanches mit einem fulminanten Distanzschuss noch den linken Pfosten (79.), letztlich brachte Deutschland seinen Vorsprung aber relativ souverän über die Zeit und konnte sich dabei sogar den Luxus erlauben, eine reizvolle Überzahlsituation durch den eingewechselten Goretzka überhastet abzuschließen (82.).
Nach einem kleinen Fußballfest hat Löws Team nun vor dem dritten und letzten Gruppenspiel am Mittwoch gegen Ungarn, das Frankreich am Nachmittag überraschend ein 1:1 abgetrotzt hatte, sogar noch Chancen auf den Gruppensieg. Mit diesem Deutschland ist bei der EM wieder zu rechnen. Auch wenn es dann wohl leider nicht mehr gegen Portugal geht.
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