FCN-Coach Klauß arbeitet mit einem "fragilen" Gebilde

26.10.2020, 05:55 Uhr

Die Köpfe gingen, wen wundert’s, nach unten am Freitagabend. Ungefähr so wie am 21. September des vergangenen Jahres, nach einem: 1:1 gegen den Karlsruher SC. Nach 1:0-Führung. Die Gäste, schrieb der Club seinerzeit auf seiner Internetseite, übernahmen "mehr und mehr die Spielkontrolle, der FCN blieb fortan zu passiv". Ungefähr so wie am Freitagabend. Nach einem: 1:1 gegen den Karlsruher SC. Nach 1:0-Führung.

Die Duplizität der Ereignisse mit einem Zufall abzutun, verbietet ein Abgleich der anderen Resultate. In der alten wie in der neuen Saison stand ein Unentschieden in Regensburg, ein Sieg gegen Sandhausen, eine Heimniederlage gegen Darmstadt, jeweils in letzter Sekunde. Und ein 1:1 gegen den Karlsruher SC. Jeweils mit ziemlich ähnlichem Verlauf. Die Parallelen sind tatsächlich auffällig – zumal auch häufig ein Vorsprung nicht reichen sollte.

Fast die gleiche Mannschaft

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25 Punkte ließ der damalige Bundesliga-Absteiger 2019/2020 insgesamt liegen, 2020/2021 sind es auch schon wieder neun. Die Art und Weise gibt jetzt auch Robert Klauß zu denken, obwohl der erst seit Ende Juli verantwortlich ist für den 1. FC Nürnberg. Aber natürlich merkt, dass sich da gerade einiges wiederholt. Was nicht verwundern muss: Die Mannschaft ist ja praktisch die gleiche.

Von den Zugängen standen am Freitag lediglich der junge Tom Krauß und der nicht mehr so junge Manuel Schäffler in der Startelf, der Rest wäre am 11. Juli beinahe in der Dritten Liga entschwunden, durfte aber dank Fabian Schleusener in der Zweiten bleiben. Dass aus den Drittschlechtesten binnen einer Vorbereitung nicht die Drittbesten werden können, sagt die Erfahrung.

"Wir dürfen auf keinen Fall in irgendwelche Muster verfallen", sagte Relegationsheld Schleusener am Freitagabend nach Feierabend, in alte, möglicherweise bereits überwunden geglaubte. Etwa nach eigenen Führungen. Wobei sein Trainer nicht pauschal urteilen möchte, ob seine Profis das grundsätzlich können oder nicht, ein 1:0 mindestens zu behaupten. Vielmehr geht es ihm um kleine Details mit großer Wirkung. Auch auf psychologisch-mentaler Ebene.

Ein fragiles Gebilde

Schon unmittelbar nach seinem Dienstantritt in Nürnberg hatte Klauß betont, "dass es immer ein schmaler Grat ist mit einer Mannschaft, die viel Misserfolg hatte". Und die auch regelmäßig daran erinnert wird, sei es durch die eigenen Resultate oder Berufspessimisten im Umfeld. "Fragil" nennt Klauß das Gebilde, zerbrechlich, vom Einsturz bedroht, selbst innerhalb der 90 Minuten. Siehe Darmstadt. Siehe Karlsruhe. Aber immerhin ab sofort wieder mit abgestützt von Hanno Behrens, der nach seinem zweiten negativen Corona-Test in dieser Woche wieder einsteigt.

Eigentlich wollte der jüngste Trainer der Zweiten Liga zumindest öffentlich nicht mehr nach hinten schauen und viel lieber nach vorn. Für die Vergangenheit kann er nichts; dass sie aber gerade eine Menge Erklärungen liefert für aktuelle Probleme, kann auch er nicht ignorieren. "Die letzte Saison ist natürlich nicht aus den Köpfen heraus, wie sollte sie auch", sagt Klauß im Pressegespräch knapp 13 Stunden nach dem Schlusspfiff im Max-Morlock-Stadion, "das ist doch ganz normal".

Unterricht in den Fächern Effizienz und Stabilität

Normal ist auch, dass die Außenwirkung seiner stets positiven Denkweise an Grenzen stößt, wenn sich negative Erlebnisse häufen sollten. Der Auftrag für die nächsten 90 Minuten in Braunschweig lautet demnach, eigentlich simpel: keine Führung verspielen, falls überhaupt möglich. Falls doch, "einfach das 2:0 machen oder das 1:0 halten". Wie nicht in Regensburg, nicht gegen Darmstadt, nicht in Sankt Pauli und nicht gegen Karlsruhe.

Beim Unterricht in den Fächern Effizienz und Stabilität muss Klauß bei dem einen oder anderen offenbar ziemlich weit vorn anfangen; "wenn man das große Ganze verändern will, muss man an den kleinen Sachen ansetzen und nicht andersherum", sagt er. Was so viel heißt wie: Jeden Tag fleißig sein, auf dem Platz, im Videostudium. "Den Jungs neue Muster zeigen" möchte Klauß – um zu verhindern, dass sie in alte verfallen.

Der oft zitierte Prozess könnte mehr Zeit in Anspruch nehmen, als viele glauben. "Das wird nicht innerhalb von fünf Wochen passieren", sagt Klauß, "kann aber innerhalb der Saison passieren." Kann, muss aber nicht. "Etwas fehlt", schrieb der 1. FC Nürnberg nach dem 1:1 gegen Karlsruhe angenehm selbstkritisch auf seiner Internetseite. Und das nicht erst seit Beginn der neuen Saison.