Früher Shootingstar, jetzt FCN? Das zeichnet Weinzierl aus

29.7.2020, 06:00 Uhr

Erfolgreich in Regensburg und in Augsburg, gescheitert auf Schalke und in Stuttgart: Markus Weinzierl. © Sebastian Gollnow

"Ich bin ins kalte Wasser gesprungen, geschwommen und nicht untergegangen", erklärte Markus Weinzierl einst seinen frühen Einstieg als Trainer. Wobei "nicht untergegangen" untertrieben, oder zumindest – typisch ostbayerisch – schon sehr bodenständig und trotzdem messianisch formuliert scheint. Gefühlt ist Weinzierl über das Wasser gelaufen, erreichte vor allem in seiner Glanzzeit beim FC Augsburg entgegen aller Prognosen das scheinbar Unmögliche und führte den einstigen Abstiegskandidaten vom Lech zu einem Europapokal-Spiel nach Liverpool. Als Gallionsfigur und Shootingstar des deutschen Fußballs zählte Weinzierl in der Mitte des abgelaufenen Jahrzehnts zu den angesehensten und begehrtesten Trainern der Republik, der Straubinger galt als prädestinierter Bayern-Coach der Zukunft.

2016 entschied er sich jedoch für den kleineren großen Schritt: Für eine Rekordablöse wechselte der damals 41-Jährige von den Fuggerstädtern zu den Königsblauen, scheiterte an der Wucht des Schalker Traditionsklubs und wurde nach einer Saison entlassen. Bei seiner darauffolgenden Station beim VfB Stuttgart musste der Fußballlehrer nach nur sechs Monaten die Segel streichen. Der Überflieger unter den Übungsleitern schien sich bei seinem raschen Aufstieg selbst überholt zu haben.


Werbung
Werbung


"Es steht 2:2", bilanzierte Weinzierl seine bisher zehn Jahre im deutschen Profi-Fußball: Zwei überaus erfolgreiche Stationen in Regensburg und Augsburg, zwei missglückte Versuche in Gelsenkirchen und Stuttgart. Ähnlich wie Dieter Hecking, dem Trainer des Jahres 2015, ist auch Markus Weinzierl, dem Trainer des Jahres 2014, und dem 1. FC Nürnberg der einstige Ruhm und der frühere Erfolg in der jüngeren Vergangenheit ein Stück weit abhandengekommen. Gemeinsam könnten die beiden Fußballlehrer am Neuen Zabo selbst wieder zu alter Stärke finden – und eine erfolgreichere Zukunft in den Funktionen als Sportvorstand und Chefcoach beim Club prägen.

Regensburg scheint ein gutes Pflaster für ambitionierte Trainer zu sein. Heiko Herrlich, Achim Beierlorzer und eben Markus Weinzierl schafften dank ihrer Verdiente beim SSV Jahn den Sprung aus der ostbayerischen Domstadt in die Bundesliga. Während Herrlich und der gebürtige Erlanger Beierlorzer allerdings zuvor Erfahrungen bei Unterhaching und Bochum respektive bei RB Leipzig sammelten, ging der früher selbst aktive Weinzierl, der jedoch nicht über die Stationen in der 2. Bundesliga hinauskam, in Regensburg seine ersten Schritte als Übungsleiter. Im November 2008 übernahm der zuvor als Co-Trainer tätige 33-Jährige vom Nürnberger Günter Güttler das Amt des Cheftrainers beim abstiegsbedrohten Drittligisten. In seiner vierjährigen Amtszeit an der Donau entwickelte der Straubinger das Team mit beschränkten Mitteln kontinuierlich weiter, etablierte ansehnliches Pressing, das noch heute ein Kerncharakteristikum des Regensburger Spiels darstellt, und führte die Jahnelf zunächst zum Klassenerhalt und letztlich über die Relegation in die 2. Bundesliga.

Der Top-Torschütze des SSV in der Aufstiegssaison 2011/12: Tobias Schweinsteiger. Mit seinem späteren Trainer und früheren Libero und Kapitän Weinzierl spielte der sieben Jahre jüngere Mittelstürmer sogar noch in der Jahn-Reserve zusammen. Durch eine ereignisreiche gemeinsame Zeit in Regensburg entwickelte sich zwischen dem Nieder- und dem Oberbayern eine enge Beziehung: "Die Probleme im Verein haben uns zusammengeschweißt, den Aufstieg als krönenden Abschluss werden wir nicht vergessen", erklärte der ältere Bruder des deutschen Weltmeisters – in Nürnberg vielleicht bald schon Kompagnon des als Trainerfavorit-Gehandelten, seinerzeit der tz.

Der 38-Jährige bescheinigte seinem ehemaligen Coach, unter dessen Leitung er 68 Spiele absolvierte, als es um das Hervorheben dessen Qualitäten ging, auf bundesliga.com "eine klare Vorstellung vom Fußball" sowie die Fähigkeit, Dinge klar anzusprechen, vor und nach der Partie den richtigen Ton zu treffen – kurz: eine Mannschaft anzupacken. Schweinsteiger selbst ist mittlerweile selbst unter die Trainer gegangen, war zuletzt als Assistent des neuen FCN-Sportvorstands Dieter Hecking beim Hamburger SV aktiv. Derzeit wird "Schweini" senior als potenzieller Nachfolger des nach Hoffenheim abgewanderten Sebastian Hoeneß als Cheftrainer der Bayern-Reserve gehandelt. Die Bild brachte ihn zuletzt auch als Option für das Amt des Co-Trainers beim Club ins Gespräch.



Die Ausbildung zum Fußballlehrer, die Schweinsteiger aktuell absolviert, hat Kumpel Weinzierl schon seit 2011 in der Tasche: Zu seiner herausragenden Klasse, aus der unter anderem mit Gisdol, Lewandowski und Schmidt, drei Bundesliga-Trainer hervorgegangen sind, zählte damals übrigens auch FCN-Nachwuchsleiter Michael Wiesinger. Stefan Krämer, Weinzierls damaliger Mitschüler, charakterisierte den 45-Jährigen anlässlich dessen Auszeichnung zum Trainer des Jahres 2014 in einem Gastbeitrag bei 11Freunde als einen ruhigen und bodenständigen Zeitgenossen: "Markus war anfangs eher ein stillerer Vertreter, aber immer, wenn es um Fußball ging, hat er was zu sagen gehabt und alle haben ihm zugehört. Er war keiner, der sich gleich in die erste Reihe gedrängt hat, aber einer, dessen Wort stets Gewicht hatte. Keiner, der so tat, als hätte er den Fußball erfunden, aber ein absoluter Fachmann mit einer klaren Vorstellung vom Spiel."

Vor allem letzteres belegte Weinzierl in seiner Amtszeit in Augsburg. In seinen vier Jahren beim FCA hielt der 45-Jährige den Underdog nicht nur mit mutigem Fußball, hohem Pressing, schnellem Umschaltspiel und überfallartigen Angriffen in der höchsten nationalen Spielklasse, sondern erreichte sogar die Qualifikation zur Europa League. Spätestens mit jenem Kunststück machte sich der Ostbayer in Fußball-Deutschland und darüber hinaus einen Namen als ein Coach, der seiner Linie stets treu bleibt und zugleich flexibel ist, der eine Mannschaft und ihre Individuen durch detaillierte, akribische Trainingsarbeit entwickelt und formt. Der ambitionierte Abstiegskämpfer bewies sowohl am Lech als auch an der Donau eindrücklich seine Kompetenzen, langfristig etwas aufzubauen. "Ich habe dort viel ausprobieren können und auch müssen, weil wir von Anfang an mit finanziellen und sportlichen Ängsten umgehen mussten", blickte Weinzierl 2014 auf seine Erfahrungen in Regensburg und Augsburg zurück: "Wenn kein Geld da ist, muss man kreativ sein, das war sehr lehrreich für mich. In einer solchen Situation braucht es jemanden, der mit Überzeugung einen Weg vorgibt."



Ganz andere Möglichkeiten, aber eben auch ganz andere Anforderungen fand Weinzierl schließlich bei seinem vermeintlichen Karrieresprung, der sich letztlich eher als Karrierefalle entpuppte, auf Schalke vor. Bereits nach einer Saison wurde der Straubinger beim enttäuschenden Zehntplatzierten entlassen. In Stuttgart musste er bereits nach einem halben Jahr die Segel streichen. Es häufte sich von diversen Seiten die Kritik an einer der Kernkompetenzen des 45-Jährigen: der Mannschaftsführung. Stuttgarts Donis bemängelte eine "negative" Stimmung im Team, hinzu kamen Vorwürfe der unzureichenden Kommunikation mit kaum berücksichtigten Spielern.

"Ganz offen und ehrlich: Vielleicht war ich damals auch noch nicht so weit, einen Traditionsverein wie Schalke zu übernehmen, mit all seinen Bewegungen und Schwingungen im Hintergrund. Vielleicht braucht man für diese Vereine die Erfahrungen, die ältere Trainer haben oder die ich jetzt selbst gemacht habe", kommentiert Weinzierl in der Süddeutschen Zeitung rückblickend sein Engagement in Gelsenkirchen – und lässt herausklingen, dass er sich nach der nicht gemeisterten aber überstandenen Feuertaufe bei den Knappen und den Schwaben für Stationen in einem ähnlichen Umfeld nun gewappnet fühlt. Nürnberg? Ein traditionell immer intensiv lebender und atmender Traditionsverein, wie es Martin Bader sagen sollte? Würde der erfolgshungrige 45-Jährige, wie er unmittelbar nach der Relegation gegenüber dem kicker verlauten ließ, als "eine reizvolle Aufgabe" empfinden.