Fußball-WM

Kommentar: Der DFB erweist sich selbst für ein Feigenblatt zu feige

Sebastian Böhm

Sportredaktion

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21.11.2022, 14:16 Uhr
Eine Kapitänsbinde und zugleich ein Symbol für die Mutlosigkeit des DFB und weiterer europäischer Verbände.

© Sebastian Gollnow, dpa Eine Kapitänsbinde und zugleich ein Symbol für die Mutlosigkeit des DFB und weiterer europäischer Verbände.

Es geht um eine Armbinde, elastisch, mit Klettverschluss, 8,5 Zentimeter hoch; eine Armbinde, wie sie Lea Paulick, Torhüterin und Kapitänin des 1. FC Nürnberg, beim Pokalspiel gegen Wolfsburg vor 17.000 Zuschauerinnen und Zuschauern trug; eine 8,99 Euro teure Armbinde, eine Armbinde, für die der Deutsche Fußballbund bereit ist, auch seinen letzten Rest Integrität an die Fifa zu verkaufen.

Wobei man korrekt bleiben muss. Manuel Neuer, Torhüter und Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, hätte ja noch nicht einmal Lea Paulicks regenbogenfarbenes, sondern ohnehin nur ein bisschen buntes Modell tragen sollen. „One Love“ hätte draufstehen sollen, weil das alles und gar nichts bedeutet und doch wirklich niemanden provozieren könne.

So hatten sich das der DFB und andere europäische Verbände ausgedacht und das Tragen der Binde mutig angekündigt – bis sich die Fifa einschaltete, Konsequenzen androhte und auf Artikel 13.8.1 ihrer Ausrüstungsregeln verwies. Kapitänsbinden stellt bei der WM die Fifa. Jede Zuwiderhandlung führt zu Gelben Karten oder Punktabzügen, weshalb die Deutsche Presseagentur am Montag um 11.03 Uhr per Eilmeldung verkündete: „DFB-Kapitän Manuel Neuer spielt bei Fußball-WM ohne „One Love“-Binde.“

Kein Wendepunkt, sicher nicht

Noch einmal zur Erinnerung: Es handelte sich dabei nicht um eine Binde in den Farben der Regenbogenflagge, jenem weltweit anerkannten Symbol der Schwulen, Lesben, Bi- und Intersexuellen sowie Trans*menschen. Die „One Love“-Binde war bereits eine Anbiederung an das offen homophobe Regime in Katar. Es wäre lediglich ein harmloses Zeichen gewesen, so schwach, wie im bunt lackierten Flugzeug zu starten und im Oman in ein neutrales Modell umzusteigen. Aber selbst für dieses Feigenblatt waren die deutsche Mannschaft, der DFB und auch die anderen europäischen Verbände zu feige. Sie alle hatten mehr Angst vor einer Gelben Karte als davor, einer zunehmend angewiderten Öffentlichkeit zu offenbaren, dass sie für einen echten Wandel im Weltfußball nicht einmal zu kleinsten Risiken bereit wären.

Wie naiv war es, von diesem Verband ernsthaften Widerstand gegen die korrupte und entrückte Fifa zu erwarten?

Noch vor dem ersten Anstoß hieß es, dass die schrille Kritik an der WM-Vergabe, am Weltverband und an dessen Lakaien in den Landesverbänden dazu führen könne, dass Katar 2022 zu einem Wendepunkt in der Geschichte des Geldsports wird. Tatsächlich deutet sich bereits am zweiten Turniertag an, dass es noch widerlicher kommen könnte. Der saudische Kronprinz saß beim Eröffnungsspiel nicht zufällig in der Ehrenloge neben Fifa-Präsident Gianni Infantino. Die WM 2030 braucht noch einen Ausrichter.

Weltmeister? Ja. Gewinner? Kaum.

Am vierten Advent wird es voraussichtlich einen Weltmeister 2022 geben. Echte Gewinner aber wird diese WM kaum noch hervorbringen.

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