Erlangen quittiert bittere Niederlage

Nur einmal hinten! Der HCE hat in Hannover nicht das letzte Wort

Andreas Pöllinger

Sport-Redaktion

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5.6.2022, 18:10 Uhr
Hätte dem HCE drei Sekunden vor Schluss fast noch einen mindestens verdienten Zähler gesichert: Simon Jeppsson.

© Sportfoto Zink / OGo Hätte dem HCE drei Sekunden vor Schluss fast noch einen mindestens verdienten Zähler gesichert: Simon Jeppsson.

Etwas austrudeln lassen? Die Formulierung allein dürfte Raul Alonso, Cheftrainer und Sportdirektor des HC Erlangen fremd sein, in seinem täglichen Reden kaum Verwendung finden. Im täglichen Arbeiten ist ein Austrudeln-Lassen eh nicht vorgesehen. Lediglich das Corona-Virus schaffte es unlängst, den Handballbesessenen in seiner Arbeitswut auszubremsen. "Wir wollen die notwendige Einstellung zeigen und vorbereitet sein für den letzten Block." Das klingt schon eher nach dem HCE-Coach. Und stammte als Arbeitsauftrag vor dem drittletzten Saisonspiel, in dem sich Erlangen mit 27:28 (13:10) der TSV Hannover-Burgdorf am Pfingstsonntag hauchzart beugen musste, tatsächlich auch von diesem.

Dass sie die Spannung vor dem Rundenfinale hochhalten, ihre erfreuliche – zuletzt vor allem auch in fremden Hallen sichtbare Weiterentwicklung – auch beim Rendezvous mit den Recken vorführen wollten, war der Plan. Die Umsetzung gelang in Niedersachsens Kapitale gegen die von TSV-Coach Christian Prokop verordnete offensive Deckung der Hausherren in der Anfangsphase besonders gut. Tim Zechel pflückte am Kreis einen Flipperball und brachte den HCE noch vor Minutenfrist in Front. Nachdem Christopher Bissel einen Tempogegenstoß erfolgreich abgeschlossen hatte, war es erneut Deutschlands Neu-Nationalspieler, der nach Büdels Handgelenkpass Erlangens Zwei-Tore-Führung vom Kreis aus behauptete (3.).

Diese hielt trotz mitunter aufscheinender Löcher in der Abwehr, auch weil die Gäste Glück mit Geschick paarten. Bissel nahm das Spielgerät nach Büdels Pfostentreffer auf und drehte es ins rechte Eck – 7:5 (9.). Ungenauigkeiten und Fehlwürfe häuften sich fortan auf beiden Seiten, im Vortrag der Turn- und Sportvereinigung aus Hannover hatte man sie von Beginn an schon gesehen.

Ferlin ist auf dem Posten

Was in einer zerfahrenen Partie ebenso zunahm, waren Nickligkeiten. Etwa, als sich TSV-Akteur Filip Kuzmanovic mit Johannes Sellin in die Haare bekam. Und sich das vehement hakelnde Duo gegenseitig fast in die Auswechselbank beförderte. Was gleichsam zunahm, waren die Paraden von Klemen Ferlin, der den Fuß gegen Hansen auf Über-Kopf-Niveau zog und auch gegen Böhm stark hielt. Weil der routinierte Christopher Steinert auf der Gegenseite zwei Treffer binnen kurzer Zeit markierte, war der HCE nach einer knappen Viertelstunde mit vier Buden vorne (9:5).

Fehlwürfe? Gab es in einem torarmen Kräftemessen weiterhin hüben wie drüben zahlreich. Als Sellin in der 20. Minute von rechtsaußen ein weiteres Mal abgeklärt abschloss, wurde es still in der Halle. Der HCE führte mit 11:6, kurz darauf mit 12:7 – ließ in Person von Nico Büdel aber die Riesenchance aus, einen Sechs-Tore-Vorsprung in diesen Spielbericht zu setzen. Einige Zweiminutenstrafen, Blocks und Paraden später waren nur noch drei Sekunden auf der Uhr, als Hannovers Fabian Böhm den Ball an den Pfosten beförderte und Erlangens 13:10-Pausenführung damit amtlich war.

Ein trügerischer Eindruck

Auch nach Wiederbeginn wurde das Aluminium ordentlich strapaziert. Klemen Ferlin eröffnete gegen Jannes Krone mit seiner siebten Parade aber erst einmal den zweiten Durchgang, Nico Büdel erhöhte auf 14:10 (32.), ehe Bissel den Pfosten traf – und der HCE somit nicht mit fünf Treffern vorne. Zechel, Steinert und Sellin hielten den Vorsprung im Anschluss scheinbar dennoch im komfortablen Bereich. Ein trügerischer Eindruck. Hannover hatte in der zweiten Hälfte in Sachen Zielgenauigkeit deutlich zugelegt, kämpfte sich mit der Unterstützung des Hallensprechers und der Zuschauer in der Folge immer näher heran. Nachdem Jonathan Edvardsson Ferlin ausgeguckt und das 18:19 erzielt hatte, nahm Raul Alonso eine Auszeit und monierte, dass man im Vorfeld "drei glasklare Torchancen verworfen" habe. Für Steinert galt dies im Nachgang nicht, vom Siebenmeterstrich blieb dieser eiskalt. Und dennoch hatte wenig später Hannover in der 47. Minute durch Kuzmanovski erstmals ausgeglichen.

Auf Siebenmeterschütze Steinert war auch in einer dramatischen Schlussphase Verlass, in welcher der HCE zunächst immer eine Fingerbreite vorne blieb. Auch Zechel und Büdel trafen gekonnt und nervenstark – auf der Gegenseite aber immer wieder auch der nun massiv aufdrehende Ivan Martinovic. Nachdem Johannes Sellin eine Zwei-Minuten-Strafe kassiert hatte und durch Martinovic den 27:27-Augleich, lief die letzte Minute. In dieser warf Kuzmanovski, 22 Sekunden waren noch auf der Uhr, die Hausherren erstmals in dieser Partie in Führung. Erlangen war der Verzweiflung nahe, drei Sekunden vor Schluss aber auch dem mindestens verdienten Punktgewinn. Beim finalen Freiwurf von Simon Jeppsson sauste das Spielgerät jedoch über den Querbalken. Der HCE hatte hauchzart in Hannover verloren. Daran, dass er etwas hatte austrudeln lassen, lag dies in einer dramatischen Endphase jedoch nicht.

HC Erlangen: Ferlin, Sonne-Hansen; Steinert (8/4), Zechel (5), Sellin (3), Büdel (3), Jeppsson (3), Bissel (2), Metzner (1), Jaeger (1), Overby (1), Fäth, Link, Olsson, Kellner, Leban

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