Hecking über die FCN-Krise: "Keine Suche nach Schuldigen"

19.2.2021, 05:55 Uhr
"Da wollen wir jetzt gemeinsam durch": Sportvorstand Dieter Hecking (li.) und Trainer Robert Klauß.

© Uwe Anspach, dpa "Da wollen wir jetzt gemeinsam durch": Sportvorstand Dieter Hecking (li.) und Trainer Robert Klauß.

Herr Hecking, mal Hand aufs Herz – wie oft haben Sie sich in letzter Zeit gedacht: Ach, wäre ich doch in Bad Nenndorf geblieben und hätte mal lieber anständig Reiten gelernt?

Hecking: Diese Frage stellt sich mir im Bezug auf den Club nicht. Ich fühle mich nach wie vor sehr wohl in Nürnberg.

Beschreiben Sie doch bitte mal ihre Rolle gerade beim 1. FC Nürnberg. Sind Sie vor allem Krisen-Manager? Aufbau-Helfer? Oder doch einfach nur Sportvorstand?

Hecking: Ich trage im sportlichen Bereich die Gesamtverantwortung. Also von allem etwas. Die tägliche Arbeit mit der Mannschaft ist das Hoheitsgebiet des Trainers. Wir werden gemeinsam Lösungen finden, um diese sportliche Krise zu meistern. Mir war bewusst, dass es nochmal eine schwierige Phase geben kann. Es gibt kein Wegducken und auch keine Suche nach Schuldigen. Da wollen wir jetzt gemeinsam durch.

Wie haben Sie den Trainer, um den es seit Sonntag ein paar Diskussionen gab, seit dem Pauli-Spiel insgesamt wahrgenommen?

Hecking: Ich habe als Trainer am eigenen Leib erfahren, wie kontrovers diskutiert wird. Deshalb setze ich mich schon seit Jahren diesen Diskussionen nicht mehr aus. Die eine oder andere Äußerung von Robert war vielleicht für einige Personen schwer verständlich, aber ich habe mir abgewöhnt, da gleich irgendetwas hineinzuinterpretieren.

"Nicht verwerflich, als Beobachter erst einmal nachzudenken"

Wussten Sie vor der Pressekonferenz am Sonntag, was ein asymmetrischer Linksverteidiger ist?

Hecking: Natürlich. Man muss sich mit diesen Begriffen anfreunden, auch wenn es nicht jedem schmeckt. In der Trainerausbildung wird eben mittlerweile anders über Fußball gesprochen, das ist so. Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis viele Menschen die Begriffe für sich übernommen haben.

Das heißt: Nicht nur der Trainer muss noch einiges lernen?

Hecking: Die Verpflichtung etwas zu lernen hat niemand. Macht man es aber nicht, droht man abgehängt zu werden. Man muss nicht immer alles gutheißen, aber kommt mal nicht eine der üblichen 08/15-Antworten, wird gleich ein Fass aufgemacht. Trainer im Allgemeinen müssen lernen, in der einen oder anderen Situation einfach ein bisschen souveräner zu bleiben. Es ist allerdings auch nicht verwerflich, als Beobachter erst einmal nachzudenken.

Wann spielt der 1. FC Nürnberg wieder besseren Fußball?

Hecking: Hoffentlich schon in Karlsruhe. Dass wir grundsätzlich einen anderen Anspruch haben, wie wir Fußball spielen wollen, ist nachvollziehbar. Für besseren Fußball braucht die Mannschaft Selbstvertrauen und Erfolgserlebnisse. Beides müssen wir uns erarbeiten. Es geht nur über die Basics im Fußball. Kompaktheit, Klarheit und Engagement.

Verträge und der Fall x

Sind die vielen auslaufenden Verträge ein Problem?

Hecking: Von den ursprünglich 13 betroffenen Spielern haben wir in der Winterpause schon fünf Spieler abgegeben. Beim näheren Hinsehen stellt man schnell fest, dass es nur ein paar Spieler betrifft, die gerade regelmäßig zum Einsatz kommen: Hanno Behrens, Georg Margreitter, Lukas Mühl.

Wie kriegt man als Sportvorstand und Unterstützer von Trainer und Mannschaft wieder etwas Optimismus in diesen ewigen Krisen- Club?

Hecking: Das ist wirklich nicht ganz einfach, weil sich seit ungefähr zweieinhalb Jahren ein sportliches Negativerlebnis an das nächste reiht. Da fällt es irgendwann schwer, den Kopf immer oben zu haben und möglichst positiv zu denken. Ich bin erst seit sieben Monaten wieder hier und mich erschüttert auch nichts mehr, weil ich einfach einen realistischen Blick für das Machbare habe. Ich bin jetzt nicht wahnsinnig unruhig, mir gefällt aber auch nicht, was ich sehe. Unsere Aufgabe ist es nicht, irgendwelche Parolen rauszuhauen, sondern uns auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Wie lange können Sie den eingeschlagenen Weg mit einem jungen, aber eben auch noch ziemlich unerfahrenen und gerade nicht besonders erfolgreichen Trainer noch vertreten?

Hecking: Die Beurteilung muss man immer von der jeweiligen Situation abhängig machen. Ich denke nicht darüber nach, was im Fall x passieren könnte. Meine Aufgabe ist es, der Mannschaft und dem Trainer meine volle Unterstützung zu geben. Nochmal: Wir haben den Auftrag, aus dieser kritischen Situation, die wir uns selbst eingebrockt haben, wieder herauszukommen.

Wie am Donnerstag zunächst die Bild berichtete, haben Sie sich in einem Video, das auch dieser Redaktion vorliegt, an die Sponsoren gewandt. „Bleiben Sie bei uns“, lautet einer Ihrer Wünsche.

Hecking: Es ist uns ein Bedürfnis, auch in den Zeiten, in denen ein persönlicher Dialog coronabedingt nicht möglich ist, im Austausch zu bleiben. In diesem Fall mit unseren Partner, aber auch mit unseren Mitgliedern und Fans. Neben dem Video versuchen wir es aber auch anhand anderer Formate.

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