Tom Rowe vor der WM

So genießt der Ice Tigers-Coach seine Zeit mit dem Nationalteam

Sebastian Böhm

Sportredaktion

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4.5.2022, 10:00 Uhr
Bruder und Bruder? Vater und Sohn? Nein, Bundestrainer Toni Söderholm (links) hat Tom Rowe gebeten, ihm bei der Eishockey-WM ein Co-Trainer zu sein. 

© Imago Images Bruder und Bruder? Vater und Sohn? Nein, Bundestrainer Toni Söderholm (links) hat Tom Rowe gebeten, ihm bei der Eishockey-WM ein Co-Trainer zu sein. 

Oliver Mebus ist mit seinem sensationell orangefarbenen Bully vorbeigekommen. Lukas Ribarik trainiert – einen Tag, bevor die Ice Tigers ihr Sommertrainingsprogramm offiziell starten sollen. Tom Rowe hat entspannt auf den Stufen vor der Arena Nürnberger Versicherung Platz genommen. Die Sonne hat an diesem Montagmittag eine solche Kraft, dass man sich ein wenig um die Glatze des Cheftrainers der Ice Tigers sorgt. So fühlt sich der Sommer an, bis Rowe dann doch wieder voller Begeisterung von Eishockey und Arbeit spricht.

„Er hatte Usti (Sportdirektor Stefan Ustorf) angerufen, um Erlaubnis zu bitten. Irgendwann stand er dann hier, wir redeten über Eishockey und er hat mich gefragt“, erzählt Rowe. „Es hat mich umgehauen. Ich hatte einfach nicht mehr erwartet, dass ich eine solche Chance bekomme – in meinem Alter. Ich empfinde mich selbst nicht als alt, aber Fakt ist, dass ich in diesem Monat 66 werde. Aber ich bin neuen Dingen offen gegenüber, also habe ich geantwortet: Wow. 1.: Ich fühle mich geehrt. Und 2.: Natürlich bin ich dabei.“

Es wird eng auf der Bank

„Er“ ist Toni Söderholm, seit Dezember 2018 Trainer der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft und als solcher bekannt dafür, dass er sich auch auf der Bank mit hochkompetentem Personal umgibt. Der NHL- und DEL-Meister-Coach Geoff Ward war ihm schon ein Co-Trainer, finnische Eishockeylegenden wie Ville Peltonen und Raimo Helminen haben ihn unterstützt. Nun eben der US-Amerikaner Rowe vor und während der Weltmeisterschaft in Finnland (13. Bis 29. Mai) – und mit Jessica Campbell erstmals eine Frau, die ebenfalls in Nürnberg zu größerer Bekanntschaft gekommen ist.

Seit zwei Wochen ist Rowe also auch noch Bundestrainer. Beim zweiten Testspiel gegen die Slowakei hat Söderholm bereits die Beobachterrolle eingenommen und ihm das aktive Coaching überlassen. Cory Murphy, der als Spieler wie einst Rowe als Trainer und Manager für die Florida Panthers in der NHL aktiv war, kümmert sich um die Verteidigung. Campbell bringt wie in ihrer kurzen Zeit bei den Ice Tigers ihre Ideen im Power-Play und in der Offensive mit ein. „Ja, zwischendurch ist es ein wenig eng auf der Bank. Vier Mann, also drei Kerle und eine Lady, das habe ich auch noch nicht erlebt“, erzählt Rowe. „Aber diese zwei Wochen sind schon jetzt ein Highlight in meiner Karriere.“

Im Oktober 2021 war Rowe nach Nürnberg gekommen, zunächst einmal, um die Ice Tigers aus akuter Abstiegsgefahr zu retten. Rowe aber sprach nie von Abstieg, dafür über Platz vier. Nachdem die Ice Tigers im April in der ersten Playoff-Runde an Düsseldorf gescheitert waren, prognostizierte er den Fans per Arena-Mikrofon den Meistertitel in den kommenden drei Jahren. Soll heißen: Dieser 65 Jahre alte einstige NHL-Profi und -Coach ist begeisterungsfähig, für Franken bisweilen irritierend optimistisch. Der Stolz auf seinen neuen Nebenjob aber wirkt in keiner Sekunde aufgesetzt. Rowe genießt.

Am Freitag kommen die NHL-Stars

Eineinhalb Jahre hatte ihn Corona ausgebremst. „Vielleicht habe ich deshalb so viel nachzuholen.“ Er hofft möglichst lange mit der Nationalmannschaft im WM-Turnier zu bleiben, in der zweiten Juni-Woche will in seine eigentliche Heimat zurückkehren, ein weiteres Monat später wieder nach Nürnberg. „Ich habe mich schon immer schwer damit getan, Arbeit und Vergnügen auszubalancieren“, sagt er. „Und natürlich freue ich mich darauf, meine Enkel zu sehen. Aber es tut mir auch gut, beschäftigt zu bleiben.“

Am Mittwoch geht es mit der Nationalmannschaft weiter, die letzten Testspiele stehen an. In der kommenden Woche fliegt das Team nach Finnland. Wer genau dann dabei sein wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Mit Moritz Seider (Detroit Red Wings), Tim Stützle (Ottawa) und Philipp Grubauer stoßen am Freitag in Schwenningen drei NHL-Profis dazu, Spieler der Halbfinalisten Mannheim und Wolfsburg müssen integriert werden. Und irgendwann auch die der Finalisten München und Berlin.

Was das für die Ice Tigers Marcus Weber, Niklas Treutle und Daniel Schmölz bedeutet und für den ehemaligen Nürnberger Tim Bender und den künftigen Danjo Leonhardt? Darüber will und kann selbst der ansonsten sehr auskunftsfreudige Co-Trainer nicht sprechen. Rowe sagt nur so viel: „Hier kämpft jeder um sein Leben, jeder will in Finnland dabei sein. Und kluge Spieler wissen, dass sie besser werden, selbst wenn sie nicht dabei sind.“ Auch für die Ice Tigers hat er dabei eine Vorteil erkannt: „Zum ersten Mal bin auf der selben Seite wie Spieler, gegen die ich normalerweise coache. Und wenn da irgendwann Verträge auslaufen, weiß ich bereits, wer uns helfen könnte.“

Rowe lacht. Seine Glatze schimmert rötlich. Es ist Zeit, wieder in die Eishalle zu gehen.

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