Norisring ohne DTM: Nürnbergs Zugpferd für die Zukunft?

29.4.2020, 07:28 Uhr
Norisring ohne DTM: Nürnbergs Zugpferd für die Zukunft?

© Foto: Ford-Werke GmbH/Ford/obs

Wer sich alte Bilder vom Norisring anschaut, sieht abseits der Strecke vor allem: ein Meer aus Fahnen. Audi, BMW, Mercedes, die Firmenzentralen und Werke der Hersteller sind alle höchstens rund 200 Kilometer entfernt, für viele Mitarbeiter war das Rennen in Nürnberg eine Art Klassenfahrt. Am Ende jubelten sie mit den Fahrern ihrer Marke oder gratulierten zähneknirschend den Sitznachbarn mit den Logos der Konkurrenz auf dem T-Shirt.

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Seit Montag weiß man, dass diese Bilder endgültig der Vergangenheit angehören. Den Stern trugen nach dem Ausstieg von Mercedes bereits in der vergangenen Saison nur noch vereinzelt Zuschauer auf ihren Klamotten spazieren, ab dem kommenden Jahr wären nun nach dem Rückzug von Audi auch noch die berühmten vier Ringe weggefallen. Dass die Weiß-Blauen von BMW sich selbst genug sind, lässt sich ausschließen. Von einer Serie könnte man dann ja nicht mehr sprechen, die Tourenwagen-Meisterschaft wäre dann bloß noch ein Markenpokal.

Wittmann schweigt - Audi-Aus mit Vorlauf 

Auch am Tag nach den Schockwellen aus Ingolstadt gab es von den verbliebenen Beteiligten keine Antwort darauf, wie es in Zukunft weitergeht. Die ITR, die seit 2003 die DTM vermarktet, verwies auf eine Pressekonferenz "am Mittwoch oder am Donnerstag", bei BMW wurde die Nachricht offenbar ebenfalls noch verdaut. Auch der Fürther Marco Wittmann, der mit BMW zweimal die Serie gewinnen konnte, mochte sich noch nicht äußern. Die Verunsicherung ist scheinbar groß.

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Dabei fiel die Entscheidung von Audi eigentlich nicht allzu überraschend aus. Nach dem Mercedes-Ausstieg hatten die Verantwortlichen klare Bedingungen für eine Zusage über 2020 gestellt, lediglich vom Zeitpunkt der Verkündung dürfte der DTM-Chef (und frühere BMW-Motorsportdirektor) Gerhard Berger überrumpelt worden sein. In einer ersten Pressemitteilung hatte er eine "ordnungsgemäße, verantwortungsvolle und partnerschaftliche Abwicklung des geplanten Ausstiegs" gefordert, sehr wahrscheinlich dürfte das dann gleichzeitig zu einer Abwicklung der ganzen DTM werden.

MCN-Chef Schlosser: "Zu viel Formel-1-Charakter" 

"Die Serie ist zu teuer geworden", findet Wolfgang Schlosser, der Vorstand des Motorsport-Clubs Nürnberg. "Am Ende", sagt er, "hatte das ganze zu viel Formel-1-Charakter. Höher, schneller, weiter – irgendwann ist Schluss." Mit dem Ausstieg von Audi hatte er schon gerechnet, die Signale waren eindeutig. Er hat inzwischen eine gewisse Routine darin entwickelt, mit schlechten Nachrichten umgehen zu müssen, trotzdem überrascht es ein wenig, dass er wegen des drohenden Abschieds der DTM vom Norisring nicht in Panik verfällt.

Die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft war in all den Jahren bei der Nürnberger Veranstaltung für Pferdestärken-Sport das große Zugpferd. Vor zwei Jahren war Schlosser im Gespräch mit dieser Zeitung noch überzeugt davon, dass es keinen adäquaten Ersatz für die Serie gibt. Inzwischen ist er sich da nicht mehr so sicher. Er glaubt daran, dass die ITR weitermachen wird, nur eben mit einer anderen Rennserie.

Ferrari und Corvette als Ersatz

Der sogenannte GT-Sport, die Gran Turismo-Serien, erfreuen sich seit einiger Zeit immer größerer Beliebtheit, die Fahrzeuge sind im Unterhalt deutlich günstiger als die der DTM. Porsche, Corvette, Ferrari, McLaren – klangvolle Namen sind hier einige vertreten. Und natürlich würde sie Schlosser gerne in Nürnberg begrüßen, wenn die deutschen Premiumhersteller nicht mehr kommen wollen.

 

Das Norisring-Rennen ohne die so beliebte DTM? Zumindest der Vorstand des MCN ist überzeugt, dass das funktionieren kann. Zuletzt war das Rahmenprogramm wieder etwas erweitert worden, die Formel W, in der sich talentierte Frauen miteinander messen, könnte neues Publikum ansprechen, "und", sagt Wolfgang Schlosser, "vielleicht bekommen wir ja auch eine Elektroserie dazu".

Dass hier die Zukunft liegt, hat der Strategiewechsel von Audi noch einmal bekräftigt. Die Fahnen von Mercedes, Audi und BMW wehen inzwischen allesamt in der Formel E.

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