Rassismus in der Champions League: Das wurde auf dem Platz gesagt

9.12.2020, 11:39 Uhr
Aufgeheizte Stimmung im kalten Paris: Die Partie zwischen Paris St. Germain und Istanbul Basaksehir wurde am Dienstagabend wegen eines rassistischen Vorfalls abgebrochen.

© FRANCK FIFE, AFP Aufgeheizte Stimmung im kalten Paris: Die Partie zwischen Paris St. Germain und Istanbul Basaksehir wurde am Dienstagabend wegen eines rassistischen Vorfalls abgebrochen.

Es waren denkwürdige Szenen, die auch außerhalb der Fußballwelt für reichlich Diskussionsstoff sorgten: Bei der Champions-League-Partie zwischen Paris St. Germain und Istanbul Basaksehir verlassen die Gäste geschlossen den Platz, die Hausherren applaudieren und gehen gleich mit. Der Vierte Offizielle der Partie, Sebastian Coltescu, soll einen Coach der Istanbuler rassistisch beleidigt haben. Das Schiedsrichtergespann aus Rumänien versucht, die Situation aufzuklären - doch die Spieler des amtierenden türkischen Meisters sind sich einig. Das Spiel geht nicht weiter, nicht an diesem Abend, nicht mit diesem Schiedsrichtergespann.

Eskaliert ist die Lage in der 14. Spielminute. Hauptschiedsrichter Ovidiu Hategan begibt sich auf Anweisung seiner Assistenten zur Bank. Pierre Webo, ehemaliger Nationalspieler Kameruns und jetzt Assistenztrainer beim Erdogan-Klub Basaksehir, soll die Rote Karte bekommen. Warum, das ist auch am Tag nach der Partie nicht ganz klar. Über die Außenmikrofone hörbar kommuniziert einer der Assistenten, mutmaßlich der Vierte Offizielle Sebastian Coltescu, lediglich: "So etwas geht nicht". Um Webo auf der Bank zu identifizieren, erklärt er in seiner Landessprache mehrfach laut hörbar "ăla negru" - "dieser Schwarze". Die Bezeichnung an sich ist in der rumänischen Sprache nicht rassistisch konnotiert, Webo ist dennoch außer sich und wiederholt mehrmals einen ähnlich klingenden Begriff, der wiederum als rassistische Beleidigung geläufig ist.

Mehr als nur ein Missverständnis?

Das Schiedsrichtergespann gibt sich daraufhin alle Mühe, um das aus ihrer Sicht vorliegende Missverständnis aufzuklären. Doch auch nachdem die Gäste über die Bedeutung des Wortes aufgeklärt wurden, beruhigt sich die Situation nicht. Der ehemalige Hoffenheimer Demba Ba, der inzwischen für Basaksehir spielt, konfrontiert den Schiedsrichter. "Sie würden nie 'dieser weiße Mann' sagen, warum sagen Sie dann 'dieser schwarze Mann'?" Die Diskussion verlagert sich. Das Anti-Rassismus-Netzwerk nennt den Spielabbruch und die Solidarität der Pariser mit den Gästen ein "Zeichen in Europa".

Der rumänische Sportjournalist Emanuel Rosu erklärt auf Twitter: "Ich habe hunderte Nachrichten deswegen bekommen. Der Schiedsrichter nutzt das Wort 'negru', was buchstäblich die Farbe Schwarz beschreibt. Im rumänischen Sprachgebrauch wird es nicht als rassistischer Begriff genutzt, um People of Colour zu beschreiben", erklärt er und fügt die wichtige Anmerkung hinzu: "Das entschuldigt aber das Verhalten von Coltescu in diesem Kontext nicht". Der Vorsitzende des rumänischen Anti-Rassismus-Rats sagt Rosu gegenüber: "Das ist Rassismus, ohne jegliche Möglichkeit einer anderen Interpretation. Er hätte Webo auch anhand anderer Kriterien beschreiben können."

In Bukarest angekommen beeilte sich das Schiedsrichtergespann am Mittwoch nach Hause. Lediglich Hauptschiedsrichter Hategan stellte sich der Presse, machte aber unmissverständlich klar, dass es von ihm keine Stellungnahme geben wird: "Sie kennen die Regeln, wir dürfen keinerlei Erklärung abgeben", erklärt der 40-Jährige den am Flughafen versammelten Journalisten. Zu den in rumänischen Medien kursierenden Vorwürfen, Webo habe wiederum das Schiedsrichtergespann zuvor rassistisch beleidigt und deshalb die Rote Karte gesehen, sagte Hategan ebenfalls nichts und verwies auf die Uefa-Untersuchung: "In ein paar Tagen werden Sie wahrscheinlich weitere Details haben".

Was bleibt, sind zahlreiche Diskussionen, in der Welt des Fußballs sowie im Netz. Der Begriff "N-Wort" war am Mittwochmorgen bei Twitter unter den meistdiskutierten Themen, unter sachliche Diskussionen über das Thema mischen sich falsche Behauptungen oder auch Verharmlosungen. Wie das Spiel selbst, dessen Ergebnis durch den 3:2-Sieg von RB Leipzig gegen Manchester United keine Auswirkungen mehr darauf haben wird, wer in die nächste Runde einzieht, weitergeht, steht nun auch fest: Am Mittwoch um 18.55 Uhr soll's im Pariser Prinzenpark weitergehen. Mit Paris St. Germain und Istanbul Basaksehir - aber ohne das rumänische Schiedsrichtergespann. Die Uefa kündigte an, die noch zu spielenden Minuten ausnahmsweise nachzuholen, "mit einem neuen Schiedsrichter-Team". Außerdem kündigte der Verband eine "gründliche Untersuchung" der Vorfälle an.

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