Bühler Motor

Feuertaufe zum Einstand

26.6.2021, 06:00 Uhr
Mark Furtwängler führt Bühler Motor in fünfter Generation. Das ist nicht immer leicht. 

© Eduard Weigert, NN Mark Furtwängler führt Bühler Motor in fünfter Generation. Das ist nicht immer leicht. 

Für seinen Start hätte er sich andere Schlagzeilen gewünscht. Doch der Transformationsprozess in der Automobilbranche, die Luftfahrkrise und internationale Handelskonflikte ließen Mark Furtwängler, mit dem nach Jahren unter auch familienfremder Führung 2019 wieder ein Mitglied der Eigentümerfamilie das Steuer bei Bühler Motor übernahm, keine Wahl. Wenige Monate nach seinem Einstand mussten 87 Mitarbeiter am Standort Nürnberg und im Werk im schwäbischen Monheim gehen, Corona forderte an den deutschen Standorten weitere 109 Arbeitsplätze. Weltweit reduzierte sich die Zahl der Bühler-Beschäftigten von 1800 Ende 2018 auf heute rund 1400.

Nicht nur für die Mitarbeiter, auch für ihn sei das schmerzhaft gewesen, erzählt Furtwängler. „Die vergangenen zweieinhalb Jahre waren meine Feuertaufe. Ich hasse Langeweile. Aber so krass hätte es nicht sein müssen.“ Der gebürtige Villinger empfängt am Firmensitz in der Nürnberger Südstadt. Wer von der belebten Allersberger Straße in die schmale Anne-Frank-Straße einbiegt, erwartet hinter der mit einem Tannenmotiv bestückten Fassade eher ein schickes Motel. Stattdessen hat hier die weltweit agierende Bühler-Motor- Gruppe ihren Sitz. 320 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in Nürnberg. An acht Standorten auf drei Kontinenten entwickeln und produzieren insgesamt 1400 Mitarbeiter Antriebslösungen vor allem für die Autoindustrie, aber auch für Luftfahrt und Medizintechnik.

Ruhige Fahrwasser waren weder dem 42-jährigen Furtwängler noch seinem Unternehmen seit seinem Antritt als Geschäftsführer vergönnt. Das Coronavirus entlässt die Welt und mit ihr die Wirtschaft nur allmählich aus seinem Klammergriff, die Nachfrage erholt sich nur zaghaft, wichtige persönliche Kundengespräche etwa mit asiatischen Partner finden weiter nur per Videokonferenz statt, der akute Halbleitermangel belastet die Automobil- und Zulieferindustrie. All das macht sich auch in den Umsätzen bemerkbar: Setzte das Nürnberger Unternehmen 2019 noch 330 Millionen Euro um, waren es im Corona-Jahr 2020 nur 260 Millionen, für 2021 strebt Bühler Motor einen Umsatz von 280 Millionen an. Immerhin musste Furtwängler seither aber keine betriebsbedingten Kündigungen mehr verkünden.


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Das Unternehmen blickt auf eine lange Tradition zurück. Von den Brüdern Adolf und Karl Heinrich Bühler im Schwarzwälder Triberg gegründet, wurde das Unternehmen 1892 von Josef Furtwängler gekauft und umfirmiert. Heute zeugt nur noch die Tanne im Firmenlogo von der Herkunft, auch mit dem Uhrenwerk von einst hat das Unternehmen nur noch wenig gemein. Längst baut der Mittelständler keine Aufziehmechanik mehr in Spielzeugtrommler oder Schuco-Autos ein, stattdessen gehören John Deere, GM, VW oder Webasto zu den Kunden.

Pilotensitze und Corona-Tests


Mark Furtwängler, der Bühler Motor nun in fünfter Generation leitet, führt durch den Ausstellungsraum, erklärt detailverliebt zum Beispiel den im Haus gefertigten Antrieb, mit dem Lordosenstützen in Piloten-, Business- und Firstclass-Sitzen gesteuert werden. Auch in der Landwirtschaft seien Produkte von Bühler Motor im Einsatz, etwa in Saatgutverstellern. Selbst ein handflächengroßes Testgerät, das einst zur Erkennung von Geschlechtskrankheiten auf Kreuzfahrtschiffen entwickelt wurde und nun von einem Kunden in den USA zum Corona-PCR-Schnelltest weiterentwickelt wurde, funktioniert mit Hilfe eines winzigen Bühler-Motor-Antriebs.


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Eigentlich, erzählt Furtwängler, habe er Medizin studieren wollen. Nach seinem Zivildienst sei die Entscheidung dann aber doch auf Wirtschaftsingenieurwissenschaften entfallen. Seine Eltern hätten ihn nie gedrängt, ins Familienunternehmen einzusteigen, umso lieber hat er es dann aber doch gemacht. Nach Stationen bei BMW und einem dreijährigen USA-Aufenthalt als Leiter eines Bühler-Motor-Standorts ist er 2019 mit seiner Frau und den drei Töchtern nach Mögeldorf gezogen. Und freut sich – den Anfangswidrigkeiten zum Trotz – über seine Aufgabe.
Besonders den direkten Bezug zu seinen Mitarbeitern schätzt Furtwängler. Zwar sei dieser bisweilen ein schmaler Grad, weil man sich in seinen Entscheidungen nicht von persönlichen Gefühlen lenken lassen dürfe. Aber man habe es direkt in der Hand, durch Motivation viel Energie auszulösen, auch in schwieriger Zeit. „Lieber habe ich die ein oder andere schlaflose Nacht, kann aber direkt etwas bewirken“, sagt er.

Auch aus der Corona-Krise will Furtwängler seine Schlüsse ziehen. Auf Geschäftsreisen gänzlich zu verzichten, plant er aber nicht. Zwar werde man die ein oder andere Reise auch aus ökologischen Gründen hinterfragen. Aber zur Kundenpflege und –aquise sei der persönliche Kontakt unerlässlich. Bisweilen hätte es Jahre gedauert, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, das gehe nur Aug in Aug. „Uns zeichnet aus, dass wir nahbar sind“, sagt er. „Wenn es mal Ärger gibt, ist der Furtwängler am Telefon. Das wissen die Kunden.“
Trotz des widrigen Starts hat er seine Entscheidung nicht bereut. „Ein Familienunternehmen zu leiten ist eine Herausforderung. Aber eine schöne.“

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