Finanzaufsicht: Sparkassen haben zu wenig Zinsen gezahlt

28.12.2020, 06:00 Uhr
Die Bundesfinanzaufsicht hat ihren Sitz in Mainmetropole Frankfurt und in Bonn. 

© Boris Roessler, dpa Die Bundesfinanzaufsicht hat ihren Sitz in Mainmetropole Frankfurt und in Bonn. 

Es ist der vorläufige Höhepunkt des Konflikt, der seit langem zwischen Banken und Verbraucherschützern schwelt: Die Bundesfinanzaufsicht (Bafin) hat sich im Streit um die korrekte Verzinsung bei Prämiensparverträgen auf die Seite der Verbraucher gestellt. Konkret heißt das: Die Behörde geht davon aus, dass Kreditinstitute vielfach falsche Zinsklauseln verwendet und den Kunden deswegen zu wenig Zinsen bezahlt haben.

Doch um was geht es genau? Der Streit dreht sich um Sparverträge einiger Volks- und Raiffeisenbanken, vor allem aber um die gut verzinsten Prämiensparverträge von Sparkassen. Grundsätzlich fallen unter den Begriff eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle und Konditionen, die je nach Bank variieren. Das Grundprinzip dahinter ist aber ähnlich: Der Kunde zahlt monatlich einen bestimmten Betrag ein und erhält - neben dem variablen Grundzins - jährliche Prämien, die im Laufe der Jahre steigen. In vielen Fällen ist die Höchststufe von 50 Prozent nach 15 Jahren erreicht.

Während die Kunden profitierten, wurden die Verträge durch die anhaltende Niedrigzinsphase jedoch für die Banken mit der Zeit zu einer finanziellen Belastung. Tausende Kunden erhielten deshalb auch hier in der Region die Kündigung, wodurch der Streit seinen Anfang nahm. Denn mit den Kündigungen begannen Verbraucherschützer auch, die ausbezahlten Zinsen nachzurechnen - und kamen teils auf andere Ergebnisse als die Banken. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie der variable Grundzins im Zeitverlauf berechnet wird und welcher Referenzzins dabei verwendet werden muss. Sowohl Verbraucherschützer als auch die Banken sehen sich mit ihrer Begründung im Recht.


Kündigung von Prämiensparverträgen: Was Kunden tun können


Die Finanzaufsicht hat sich in der Debatte nun auf die Seite der Kunden geschlagen. "Viele ältere Verträge enthalten Zinsanpassungsklauseln, mit denen Kreditinstitute die zugesicherte Verzinsung einseitig abändern könnten. Diese Klauseln sind laut Bundesgerichtshof (BGH) seit 2004 unwirksam", heißt es von der Bafin als Begründung. Wegen der Kündigungen an sich, aber auch wegen der Zinsverrechnung hat die Verbraucherzentrale Bayern sogar eine Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Nürnberg eingereicht. Im kommenden Jahr wird ein Urteil erwartet.

Banken reagieren verschieden

Um so erstaunlicher ist es, dass sich mitten im laufenden Verfahren die Finanzaufsicht auf die Seite der Kunden stellt. Und nicht nur das: Sie rät Betroffenen sogar, "ihre Prämiensparverträge sorgfältig zu überprüfen". Sparer sollten aktiv auf ihre Institute zugehen und sich erläutern lassen, welche Klausel ihr Vertrag enthalte. Anschließend solle man, so die Bafin-Vizepräsidentin Elisabeth Roegele, mit Hilfe eines Anwalts oder der Verbraucherzentrale prüfen, ob die Klausel rechtskonform sei.

Ein Runder Tisch, den die Bafin Ende November mit Vertretern beider Seiten einberufen hatte, habe demnach keine kundengerechten Lösungen gebracht. Zudem, moniert die Behörde, habe man die Sparkassen schon im Februar dazu aufgefordert, den betroffenen Kunden eine Lösung anzubieten. Die Behörde kündigte deswegen an, sie prüfe "verwaltungsrechtliche Optionen, mit denen das Ziel ausreichender Kundeninformation erreicht werden kann". So könnte die Finanzaufsicht die Banken mit einer Verfügung sogar dazu zwingen, mit den Kunden einvernehmliche Lösungen beim Thema Zinszahlungen zu suchen.

Tatsächlich reagierten die Sparkassen in der Metropolregion höchst unterschiedlich auf derlei Kundenanfragen. Ein Sparer aus Mittelfranken berichtete unserer Zeitung, er habe seine Zinsen nachberechnen lassen. Demnach habe er 12.000 Euro zu wenig erhalten. Mit dem Ergebnis wandte er sich an seine Sparkasse und einigte sich mit ihr auf eine Nachzahlung von immerhin 50 Prozent.

Die Sparkasse Nürnberg weist die Vorwürfe der Bafin dagegen zurück: Die Sparkassen hätten auf das Urteil des BGH von 2004 reagiert und darauf basierend die Berechungsmethode für das Neugeschäft sowie auch für schon laufende Verträge angepasst. Demnach habe man sich - so das Geldinstitut - rechtmäßig verhalten und werde es "im Zweifel auch auf Entscheidungen des BGH ankommen lassen".

Sibylle Miller-Trach, bei der Verbraucherzentrale Bayern für Finanzfragen zuständig, sieht es anders: "Die Aussage vieler Sparkassen, es sei alles richtig gelaufen und die Kunden hätten keine Nachzahlungsansprüche, wird immer unglaubwürdiger." Dennoch sei rechtlich zu dem Thema noch vieles umstritten. "Daher ist es Sinn und Zweck der Musterfeststellungsklage, hier eine Klärung der Rechtslage zu erreichen."

9 Kommentare