Lockdown: Geht den Fitnessstudios bald die Puste aus?

24.11.2020, 10:27 Uhr
Fitnessstudios sind aktuell wegen des hohen Infektionsgeschehens geschlossen. 

© Kira Hofmann, dpa Fitnessstudios sind aktuell wegen des hohen Infektionsgeschehens geschlossen. 

Es ist kühl, die Sonne kommt kaum durch die dichten Wolken, dafür weht ein ungemütlicher Wind. Für Sport an der frischen Luft können sich da nur Hartgesottene begeistern. Doch einfach ins Fitnessstudio gehen ist aktuell nicht drin, denn auch die Türen der "Muckibuden" wurden mit dem Lockdown erneut geschlossen.

Ein Zustand, den die eigentliche Boombranche hart trifft. Jahrelang erlebten die knapp 10.000 Fitnessstudios in Deutschland einen Aufschwung, 2019 verzeichneten sie gut 11,6 Millionen Mitglieder. Mit den Schließungen aber macht sich nun Ernüchterung breit, zumal ein Ende der Durststrecke im Corona-Winter kaum absehbar ist.

"Viele denken, dass es den Fitnessstudiobetreibern aktuell gar nicht so schlecht geht. Schließlich buchen wir weiterhin den monatlichen Mitgliedsbeitrag bei unseren Kunden ab", erklärt Michael Deuerling, Geschäftsführer von City Fitness. "Doch natürlich schreiben wir den Mitgliedern die Zeit, in der sie nicht trainieren können, wieder gut." Damit fehle das Geld zwar nicht jetzt, aber eben zu einem späteren Zeitpunkt. Drei Studios betreibt Deuerling in Nürnberg und Erlangen, teilweise schon seit über 25 Jahren. Noch sind diese nicht von der Existenz bedroht. "Wir konnten uns in den letzten Jahren einen Puffer aufbauen. Aber irgendwann sind auch diese Reserven alle weg."

Verlässlichkeit fehlt

"Die Unsicherheit in der Branche ist groß", bestätigt auch Ralph Scholz, Vorsitzender des Deutschen Industrieverbandes für Fitness und Gesundheit (DIFG). Es fehle eine verlässliche Perspektive der Politik für die Corona-Pandemie, klagt er. "Die Studios können nicht im 14-Tages-Rhythmus planen, ob sie wieder öffnen dürfen oder nicht." Zwar habe die Branche Anspruch auf die Novemberhilfen der Bundesregierung, doch wann und für wen genau Geld fließe, sei unklar. Auf das Geld hofft man auch bei Fitness-Hauser in Neunkirchen am Brand (Kreis Forchheim). "Im ersten Lockdown waren wir nicht berechtigt, weil wir durch die Mitgliedsbeiträge keinen Ausfall hatten", sagt Geschäftsführer Manuel Hauser. Diesmal soll es anders sein.

Wie auch ich im Nürnberger City Fitness sind die Mitarbeiter aktuell in Kurzarbeit. "Wird diese Kurzarbeit am Ende bei den Hilfen vom Bund angerechnet, bleibt aber vom Geld nicht viel übrig." Hinzu kommt, dass geschlossene Fitnessstudios keine neuen Mitglieder anlocken. Die Branche dürfte bis Jahresende zehn bis 15 Prozent weniger Mitglieder haben als Ende 2019, fürchtet Scholz. Das wären rund 1,6 Millionen. Die Umsatzeinbußen beziffert er bei 5,5 Milliarden Euro jährlichen Beitragseinnahmen auf rund 460 Millionen pro Monat.

Nicht nur kleinere Studios ächzen. "Die wirtschaftlichen Folgen sind auch für uns als Big Player deutlich spürbar", erklärt die Kette McFit, die 165 Studios in Deutschland betreibt. Nicht jeder traut sich in Corona-Zeiten ins Studio. Nach dem ersten Shutdown seien die Zutritte zunächst verhalten gewesen. In den ersten Wochen danach habe man das alte Niveau nahezu wieder erreicht.

217.000 Jobs stehen auf dem Spiel

Der Geschäftsführer der Fit-Star-Kette, Markus Giegold, stimmt zu. Er rechnet bei seinen aktuell 13 Filialen, die meisten davon in Bayern, mit rund 20.000 Mitgliedern weniger. "Wenn die Politik nicht umdenkt und die Fitnessstudios wieder öffnet oder zumindest ausreichend finanzielle Hilfen gewährt, wird es im kommenden Jahr eine massive Pleitewelle geben." Der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen beziffert den Schaden durch Kündigungen und ausbleibende Neumitgliedschaften in diesem Jahr auf mindestens 865 Millionen Euro. Und auch er sagt: "Die Ausmaße, die sich hier 2021 und auch 2022 ergeben werden, sind bei weitem höher einzustufen als in diesem Jahr." In der Fitness- und Gesundheitsbranche seien gut 217.000 Arbeitsplätze betroffen.

Viele Betreiber können nicht nachvollziehen, warum sie überhaupt geschlossen wurden. "Wir haben ein Hygienekonzept, können nachverfolgen, wer wann da war, und hatten bislang noch keinen einzigen Fall hier", betont Deuerling. Sorgen macht ihm aber auch die Gesundheit seiner Kunden: "Wir haben hier viele Mitglieder, die Schmerzen haben, Arthrose oder andere Probleme. Gerade die oft älteren Kunden müssen sich bewegen, sonst bekommen sie Probleme."


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Der Geschäftsführer von Fit Star verweist sogar auf eine Studie der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England. Demnach liege dort die Wahrscheinlichkeit, sich in einem Fitnessstudio mit dem Coronavirus zu infizieren, bei lediglich knapp über einem Prozent. In vielen anderen Ländern wie Holland seien Fitnessstudios zudem trotzdem weiterhin geöffnet.

Dass die Fitnessbetreiber im Dezember wieder öffnen dürfen, daran glaubt allerdings kaum einer. Und auch der Jahresbeginn, wenn sonst viele Menschen in die Fitnessstudios strömen, um mit guten Vorsätzen den Weihnachtsspeck loszuwerden, steht noch auf der Kippe.

Von Anne Kleinmann und Alexander Sturm (dpa)