Porträt

Professorin und Fußball-Trainerin: Das ist die neue Wirtschaftsweise Veronika Grimm

10.4.2020, 15:00 Uhr
Veronika Grimm, Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie an der Uni Erlangen-Nürnberg.

© Giulia Iannicelli Veronika Grimm, Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie an der Uni Erlangen-Nürnberg.

„Eine gewisse Wahrscheinlichkeit gab es schon, weil ich bereits länger in der wirtschaftspolitischen Beratung aktiv bin“, sagt die Nürnberger Professorin mit Blick etwa auf den wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums, dem sie angehört. „Auch meine Forschungsthemen im Bereich der Energie- und Klimapolitik waren sicher mit einer der Auslöser, da die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft in den kommenden Jahren einen hohen Stellenwert haben wird.“

Ihre Ernennungsurkunde konnte Grimm wegen Corona zwar noch nicht von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entgegennehmen, die Arbeit im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie die Wirtschaftsweisen offiziell heißen, hat sie dennoch bereits aufgenommen. Fünf Jahre lang ist Grimm nun eine der fünf führenden Ökonom(inn)en, die die Bundesregierung mit wirtschaftlicher Expertise versorgen.

Eigentlich wollte sie gar nicht in die Wissenschaft

Seit 2008 leitet die 48-Jährige an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der WiSo in Nürnberg. Ursprünglich stammt Grimm aus Schleswig-Holstein, in Hamburg und Kiel studiert sie zunächst Soziologie und Volkswirtschaftslehre. „Mich haben immer gesellschaftliche Zusammenhänge interessiert, dazu hatte ich eine Affinität zur Mathematik“, erklärt sie sich in der Rückschau ihre Fächerwahl. Nach dem Studienabschluss „wollte ich eigentlich gar nicht in die Wissenschaft, sondern in die Strategieberatung“, sagt Grimm. „Dann lief mir eine Promotionsstelle in Berlin über den Weg“.

Eine Stelle, die es der Ökonomin erlaubt, „nicht nur Forschung zu betreiben, sondern Forschung auch zur Anwendung in der tagesaktuellen Praxis zu bringen“ – ein Ansatz, den die 48-Jährige bis heute verfolgt, wodurch sich die vielen Gremien und Beiräte erklären, in denen sie mitwirkt. So ist Veronika Grimm unter anderem Vorsitzende der wissenschaftlichen Leitung des Energie-Campus Nürnberg (EnCN) sowie Vorstand des kürzlich ins Leben gerufenen Zentrums Wasserstoff.Bayern (H2.B).

Sie trainiert ein E-Jugend-Team

An der Humboldt-Universität Berlin promoviert Grimm 2002 mit einer Analyse zum Thema Auktionsdesign. Sie untersucht, wie Versteigerungen ausgestaltet sein müssen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen – zum Beispiel einen möglichst hohen Gewinn oder die faire Verteilung der zur Auktion stehenden Güter. Mit Blick auf die Versteigerung von Mobilfunklizenzen durch den Staat auch das eine Forschung, die Relevanz hat für die politische Praxis.

Nach Stationen an der Universität im spanischen Alicante und in Brüssel habilitiert Grimm schließlich in Köln – unter anderem zu der Frage, wie Energiemärkte effektiv ausgestaltet werden können. 2008 folgt der Ruf an die FAU Erlangen-Nürnberg. „Ich bin selbst ein Nordlicht. Die Mentalität der Franken – reserviert und bodenständig – mag ich sehr gerne“, sagt sie. Grimm lebt mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen und einer Tochter in Nürnberg; der Sport bestimmt den Alltag der Familie außerhalb der Universität: Grimm ist begeisterte Langstreckenläuferin, geht gerne Bouldern, Ski- und Snowboardfahren – und sie trainiert eine E-Jugend-Fußballmannschaft: „Ich hatte schon immer eine Begeisterung für Fußball und habe früher auch selbst gespielt.“

Die Berufung in den Rat der Wirtschaftsweisen könnte aber dafür sorgen, dass die 48-Jährige für ihre Hobbys noch weniger Zeit hat. Zwar tagt das Gremium, wenn es nicht gerade sein Jahresgutachten vorbereitet, meist nur einmal im Monat, doch in Zeiten von Corona ist der Rat der Experten besonders gefragt.

Dass Fragen des Klimaschutzes beim Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft ins Hintertreffen geraten und Grimms Forschungsschwerpunkte plötzlich gar nicht mehr so gefragt sein könnten, glaubt sie nicht. „Mittelfristig kann Klimaschutz dazu beitragen, den Wirtschaftsmotor wieder zum Laufen zu bringen“, ist Grimm überzeugt. Mit dem Green Deal der EU-Kommission und dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 ergäben sich für Unternehmen „Herausforderungen, aber auch Zukunftschancen“. Die Berufung der „ausgewiesenen Expertin“ (Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler über Grimm) zur Wirtschaftsweisen, sie dürfte also auch und gerade in einer Ökonomie in der Stunde Null nach Corona Sinn machen.

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