Zwiegespaltener Empfang für künftigen Siemens-Chef

8.9.2020, 15:41 Uhr
 "Wirtschaftswoche"-Chefredakteur Beat Balzli (li.) im Gespräch mit Roland Busch beim Weltmarktführer Innovation Day.

© Foto: Erik Stecher  "Wirtschaftswoche"-Chefredakteur Beat Balzli (li.) im Gespräch mit Roland Busch beim Weltmarktführer Innovation Day.

Energie und Klima sind die Schwerpunktthemen der Tagung, und es sind ausgerechnet die Mitarbeiter der ausgegliederten Siemens-Sparte Energy, die kurz vor dem Börsengang um ihre Arbeitsplätze bangen. Von 600 bis 1000 bedrohten Stellen spricht die Betriebsrätin und IG-Metall-Vertrauensfrau Isa Paape vor der kleinen Gruppe von rund 15 Demonstranten.


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Auf der Bühne im Kongresszentrum werden diese Sorgen aufgegriffen: "Es werden Stellen wegfallen", versucht Beat Balzli, Chefredakteur der "Wirtschaftswoche", den designierten Siemens-Chef aus der Reserve zu locken. Doch der möchte diese Aussage so nicht stehen lassen. "Die Stellen sind sicher?", hakt Balzli im Stil von Norbert Blüm nach. "Wir werden sehen", bleibt Roland Busch weiter diplomatisch und betont zugleich, dass ein offener Dialog mit der Belegschaft wichtig sei.

Ihm eilt der Ruf eines spröden Aktenfressers voraus, doch der gelernte Physiker kann auch anders: "Es gibt Hausaufgaben, die gemacht werden müssen, aber Energy kann eine Perle werden", beschreibt er fast schon poetisch das Potenzial der Energiesparte. Sie wurde, wie Siemens Mobility und etliche weitere Bereiche, vom scheidenden CEO Joe Kaeser aus dem Firmenkoloss ausgegliedert. Kaeser verwendete hierzu das Bild vom Tanker und von Schnellbooten, die flexibler und wendiger auf den rasanten Wandel in ihren Märkten reagieren könnten.

"Einen Posten für Greta Thunberg wird es wohl eher nicht geben"

Den marktstrategischen Umbau hat der Finanzfachmann Kaeser auf die Spitze getrieben. Über 30 Jahre wurde Siemens von Kaufleuten geführt, mit Busch kommt nun erstmals wieder ein Techniker an die Spitze. Intern bringt ihm das einen kleinen Sympathievorschuss, die Belegschaft hofft auf etwas mehr Stabilität und eine stärkere Besinnung auf den Ingenieursgeist. "Technologie und Digitalisierung ist das Herz von Siemens, darauf wollen wir uns besinnen", sagt Busch.


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Moderator Balzli will ihn freilich auch hier wieder aus der Reserve locken und fragt, ob der Physiker mit "viel Hubraum im Hirn" womöglich ein Mensch wie Max Frischs Romanfigur Homo Faber sei – also extrem rational und unemotional. Doch Busch zeigt durchaus Emotionen, er lacht und lächelt. Auch wenn der Physiker weniger extrovertiert wirkt als Kaeser, kann er nicht nur referieren, sondern auch plaudern.

Busch verrät sogar Privates, etwa über ein durchaus erfülltes Partyleben als Erlanger Student. Mit den aktuellen Klimaprotesten der Schüler und Studenten von Fridays for Future wird er aber vermutlich anders umgehen als Kaeser, der spontan einen Job im Aufsichtsrat für die Aktivistin Luisa Neubauer ins Gespräch brachte. "Einen Posten für Greta Thunberg wird es wohl eher nicht geben", sagt er auf Balzlis Nachfrage. Gleichwohl nimmt Busch den Klimawandel ernst. Die moderne Wirtschaft habe viele Menschen aus der Armut geholt – "aber wir leben über unsere Ressourcen, das ist nicht gut." Daher betont er auch die Notwendigkeit eines Kohleausstiegs. Und den solle Siemens technologisch begleiten.

Busch: "Ich habe einen Riesenrespekt vor der Aufgabe"

Bereits ab 1. Oktober übernimmt Busch die Verantwortung für das Geschäftsjahr 2021. Die Herausforderung ist dem baldigen Chef bewusst: "Ich habe einen Riesenrespekt vor der Aufgabe." Doch er ist zuversichtlich: "Ich habe ein starkes Team."

Busch verweist darauf, dass er bisher schon immer wieder Verantwortung für Bereiche des Konzerns übernommen hatte, die nicht rund liefen. Was nicht übertrieben ist, Busch wurde öfters auf Himmelfahrtkommandos geschickt, die er erfolgreich gemeistert hat. Mit ein Grund, warum er in wenigen Wochen faktisch das Zepter übernimmt.


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Der gebürtige Erlanger will einen stärkeren Fokus auf die Kundenorientierung legen sowie auf die eigenen Mitarbeiter, sagt Busch und betont deren Offenheit und Lernbereitschaft. "Verantwortung übergeben und loslassen", so malt er sich das aus. Und bei Energy hoffen die Mitarbeiter, dass sie nicht fallengelassen werden.

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