Forchheim: Behörden nageln Kreuze an die Wände

Patrick Schroll

Redakteur Nordbayerische Nachrichten Forchheim

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1.6.2018, 06:00 Uhr
Forchheim: Behörden nageln Kreuze an die Wände

© Foto: Roland Huber

Ab Freitag werden Besucher des Landratsamtes im Foyer von einem Kreuz begrüßt. Dass es ab dem 1. Juni an der Wand hängt, hat einen Grund. Es soll ein "Bekenntnis zur Identität" und zur "kulturellen Prägung" Bayerns sein, begründete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sein neugeschaffenes Pflichtprogramm für alle Ämter, die unter der Ägide des bayerischen Freistaates stehen.

Das Landratsamt ist in der Hierarchie des Freistaates ein bürokratischer Zwitter — eine Mischung aus staatlicher und kommunaler Behörde. Der bundesweit kontrovers diskutierte und von Kirchen wie Parteien kritisierte Kreuz-Erlass gilt ausschließlich für staatliche Behörden. Das Landratsamt fällt damit nicht in die Definition, nagelt am Freitag aber dennoch das Kreuz an die Wand.

"Wir beteiligen uns daran", sagt Holger Strehl, Pressesprecher des Landratsamtes. Entschieden habe das Landrat Hermann Ulm (CSU). Ulm sagt: "Wichtig ist, dass wir das Kreuz so verstehen, wie wir es als Christen heute verstehen müssen, nämlich nicht als Symbol der Abgrenzung, sondern im Gegenteil: als Zeichen der Toleranz und unbedingten Nächstenliebe." Kritiker hingegen sehen in dem Vorhaben des Ministerpräsidenten Wahlkampftaktik, stehen doch im Herbst Landtagswahlen an. Vertreter der Kirchen kritisieren, dass dadurch "Spaltung und Unruhe" entstanden sei, wie es Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz, ausdrückte. Nicht der Staat habe zu entscheiden, was das Kreuz bedeute.

Was sagen die Kirchen im Landkreis Forchheim? Für Martin Emge, Pfarrer in St. Martin und Kersbach, ist das Kreuz ein "Symbol der Nächstenliebe", das "für alle Menschen steht". Es zu verordnen, findet er "ungewöhnlich". "Man kann es nicht wie ein Rezept verordnen."

"Gesetzlich entfremdet"

Kritisch sieht den Erlass Michael Gehret, katholischer Pfarrer für Wiesenthau und Pinzberg. "Ich finde es schade, dass das Kreuz zum Politikum geworden ist." Zudem teile er die Meinung, die in seiner Kirchengemeinde vorherrsche. Die Gläubigen finden es prinzipiell schön, wenn das Kreuz als Zeichen des Glaubens sichtbar wird, dafür brauche es aber keinen Erlass. Für Gehret wird das Kreuz gesetzlich entfremdet.

Christian Muschler, evangelischer Pfarrer in der Forchheimer Christuskirche, will nicht für die Kirche sprechen, sondern sich mit seiner privaten Meinung äußern. Auch aus theologischer Sicht ist der politische Griff zum Kreuz ein Fehlgriff für Muschler. "Es war ein Hinrichtungsinstrument der Römer und steht für die Schattenseite der damaligen römischen Kultur." Demnach sieht Muschler auch kein kulturelles Symbol im Kreuz. "Es steht für die Leiden Jesu und seine Auferstehung und sollte als solches respektiert werden."

Hingegen kann Pater Richard Brütting von Don Bosco die kircheninterne Aufregung um den Erlass nicht nachvollziehen. Mit dieser Meinung sei er nicht alleine, sagt er. "Die Kirchenmitglieder verstehen die Kritik ihrer Kirchenfürsten nicht." Die Grundwerte des Staates seien zwar nicht christlich, stammten aber vom Christentum. Wenn der Staat nun diese Werte im Kreuz als Symbol vereinigt sehe, vertrete er damit richtigerweise seine Grundwerte.

Eine Reaktion auf die AfD

Die Diskussion über Söders Vorhaben sei anfangs "unglücklich" verlaufen, so Brütting. "Dass das mit der Wahl zu tun hat, ist klar", sagt Brütting. Der Pater meint damit die Vorwürfe, der Erlass sei ein Vorgeplänkel der anstehenden Landtagswahl. Und nach den Wahlumfragen der vergangenen Monate ist die absolute Mehrheit der CSU nicht sicher. Dennoch sei mit Söders Erlass eine Diskussion über Heimat, Identität und Wurzeln der hiesigen Gesellschaft entstanden, sagt Brütting. "Das hat der AfD ein großes Thema weggenommen."

Landrat Ulm sieht die politische Diskussion kritisch. Ein Bild vom Aufhängen des Kreuzes im Foyer will er deshalb nicht, heißt es von der Pressestelle des Landratsamtes.

Die öffentliche Diskussion empfindet Ulm nach eigener Aussage "eher als polarisierend und wenig förderlich". Er spricht davon, den Erlass nicht überbewerten zu wollen.

"An verschiedensten Stellen im Landratsamt Forchheim hängen seit jeher Kreuze an der Wand: im Sitzungssaal, in unserem Kulturraum St. Gereon, in meinem und in vielen anderen Büros. Völlig selbstverständlich."

Anweisung befolgt

Noch vor dem offiziellen Pflichttermin am Freitag haben das Forchheimer Finanzamt und Amtsgericht ein Kreuz im Eingangsbereich angebracht. Jene Stelle waren zuvor Kruzifix-Frei. "Wir sind angewiesen worden, das umzusetzen, und genau so haben wir es gemacht", sagt Holger Lustig, Chef des Finanzamtes.

Kostenneutral hat das Amtsgericht den Erlass umgesetzt. "Das Kreuz stammt aus dem Bestand", sagt Amtsgerichtsdirektor Franz Truppei. Kruzifixe sind im Gericht nichts Neues. Sie hängen in den Sitzungssälen, "wie es üblich ist".

Das Landratsamt hat auch auf den Bestand zurückgegriffen, um den Wunsch des Ministerpräsidenten zu erfüllen, sagt Pressesprecher Strehl. "Wir verwenden das alte Kreuz des alten großen Sitzungssaales."

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