Herzogenauracher Schüler erinnern an KZ-Befreiung
8.5.2015, 07:00 UhrMit ihrem Projekt waren die Herzogenauracher Gymnasiasten nach Dachau gefahren, um am Auftakt der diesjährigen Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZs teilzunehmen.
Fast auf den Tag genau 70 Jahre ist es her, dass Einheiten der US-Armee die Überlebenden des Dachauer Konzentrationslagers und seiner Außenlager befreiten. An diesem Tag endete die Geschichte des KZs Dachau, nicht jedoch das Schicksal der Überlebenden. Viele verblieben noch Wochen und Monate auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers. Dort warteten sie entweder auf die Genehmigung ihrer Ausreise oder auf ihre Heimkehr.
Eine Vergangenheitsbewältigung fand in den ersten Jahren nach dem Krieg kaum statt, da die Organisation und der Aufbau des eigenen Lebens für die Überlebenden im Mittelpunkt standen. Hinzu kam der oft nicht unproblematische Umgang der eigenen Herkunftsländer mit dem Schicksal der ehemaligen KZ-Häftlinge. In zahlreichen Staaten wurde ihnen Kollaboration mit dem Feind vorgeworfen, und die Überlebenden mussten in der Heimat weitere Diskriminierungen in Kauf nehmen.
Auf Entschädigung für das erfahrene Leid und Anerkennung als Opfer des NS-Terrors warteten viele bis zu ihrem Tod vergeblich. Sowohl in der historischen Auseinandersetzung als auch in der Erinnerungskultur fand die Geschichte der Überlebenden nach der Befreiung lange Zeit kaum Beachtung.
Die Klasse 9b des Gymnasiums Herzogenaurach hat sich unter der Leitung von Referendarin Julia Rosche in einem vierwöchigen Unterrichtsprojekt mit genau diesem Teil der Geschichte beschäftigt und eine szenische Lesung erarbeitet. Anlässlich des 70. Befreiungstages des Konzentrationslagers Dachau trugen die Schülerinnen und Schüler diese gemeinsam mit Schülern der Bavarian International School Haimhausen in der KZ-Gedenkstätte Dachau vor.
Prägnante Aussagen
Für die Lesung hatten die Schüler Zeitungsausschnitte, Tagebucheinträge und Gedichte von ehemaligen Häftlingen gesichtet und ein Zeitzeugengespräch mit dem KZ-Überlebenden Abba Naor geführt. Aus der Fülle an Material wählten sie dann besonders prägnante Aussagen aus, um so den einzelnen Häftlingen wieder eine Stimme zu verleihen. Im Fokus standen also die Einzelschicksale der Häftlinge, die im ansonsten meist kollektiven Gedenken oft untergehen.
Besondere Intensität erreichten die Schüler dadurch, dass sie die Zitate in den jeweiligen Originalsprachen (Englisch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Russisch und Deutsch) vorlasen. Parallel wurden die Zitate auch noch per Beamer an die Wand geworfen — auf Englisch und Deutsch, sodass alle Zuschauer die Texte verstehen konnten. Dazu wurden Bilder der Zitierten gezeigt.
Gegliedert in Gruppen von drei bis sechs Lesern führten die Schüler am Samstag ihre Zuhörer, unter ihnen auch zahlreiche Überlebende, durch vier Teile der Lesung. Während im ersten Teil die vielen verschiedenen Situationen und Emotionen im Verlauf der Befreiung aus Sicht der Überlebenden, der Befreier und der Presse greifbarer gemacht wurden, beleuchteten die weiteren Teile die Heimkehr und den Blick auf Deutschland, den Umgang mit den Überlebenden in der Heimat sowie die Behandlung der unterschiedlichen Häftlingsgruppen in Deutschland.
Dem folgten persönliche Worte der Schüler, in denen sie dem Publikum erklärten, dass sie gelernt hätten, dass diese Thematik auch sie selbst betreffe. "Wir wollen nicht mehr schweigen, wenn in unserer Gegenwart Unrecht geschieht“, so ihr Fazit.
Anhaltender Applaus
Am Sonntagvormittag zeigten die Schüler vor etwa 130 Überlebenden, Vertretern der Bundes- und Landesregierung und weiteren hochrangigen Gästen noch einmal einen kurzen Ausschnitt der Lesung bei der zentralen Gedenkfeier auf dem ehemaligen Appellplatz des KZ Dachau. Auf die abschließenden Worte, dass das Gedankengut der Ausgrenzung in unserer Gesellschaft noch immer anzutreffen sei und man jeder Form von Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung entschieden entgegentreten müsse, folgte bei beiden Veranstaltungen lang anhaltender Applaus.
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