Der Club präsentiert sich seinem Trainer in Harmonie

16.10.2013, 07:00 Uhr
Der Club präsentiert sich seinem Trainer in Harmonie

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Die Neubesetzung von Posten braucht manchmal Zeit. Die Mitgliederversammlung beim 1. FC Nürnberg begann am frühen Dienstagabend, aber erst am Mittwoch war der Aufsichtsrat komplett. Exakt 51 Minuten nach Mitternacht gehörte auch Ex-Vizepräsident Siegfried Schneider dem Gremium an, vorerst für ein Jahr als Nachrücker für den zurückgetretenen Klaus Wübbenhorst. Für drei Jahre gewählt wurden Rechtsanwalt Ralf Peisl, Unternehmer Hanns-Thomas Schamel, Geschäftsführer der gleichnamigen Meerrettichfirma, und Manfred Müller.

Das Trio erhielt überwältigende Mehrheiten; Peisl und Schamel, deren Amtszeiten ausgelaufen waren, durften es als Bestätigung ihres Engagements nehmen. Müller, ehemaliger Torwart in Nürnberg und beim FC Bayern München, heute erfolgreicher Fernsehproduzent, ist neu im Gremium – und lernt nun gleich den nächsten Neuen im Club kennen: den Trainer.

"The Nurnberg vacancy"

Die Besetzung dieses Postens, für die kein Mitgliedervotum vorgesehen ist, braucht auch noch etwas Zeit. Aber wer glaubte, dass die Sedisvakanz auf dem Trainerstuhl – die es als „the Nurnberg vacancy“ sogar schon in britische Medien gebracht hat – für erste Panik-Attacken sorgen würde, sah sich getäuscht. Hätte der künftige Coach (nach allgemeiner Einschätzung besonders in Deutschland, der Schweiz und Österreich: Marcel Koller) die Mitgliederversammlung bereits miterlebt, er hätte sich beinahe geborgen fühlen können.

Sachlich, kritisch, konstruktiv und „fast schon harmonisch“ (wie die Bildzeitung erstaunt konstatiert) debattierte die Club-Familie fast sieben Stunden lang, der künftige Übungsleiter spielte dabei so gut wie keine Rolle; sogar Schamels allemal charmante Idee, man müsse dem Club per Dekret eine Verpflichtung zu offensivem, attraktivem Fußball auferlegen, sorgte für mehr Unterhaltung als die Personalie, über die möglicherweise heute entschieden wird – vielleicht sogar etwa 51 Minuten nach Mitternacht, sodenn Deutschland, die Schweiz und Österreich richtig liegen und der Kandidat Koller heißt.

Laut der Zeitung Österreich gibt es daran keinen Zweifel mehr: Kollers Berater habe sich mit Nürnberg bereits auf einen Zweijahres-Vertrag geeinigt, der ihm ein Salär von 1,5 Millionen Euro pro Saison einbringen soll. Koller selbst erklärte gegenüber dem Schweizer Blick, er lasse sich „nicht unter Druck setzen“, es gebe „noch kein Zukunftsszenario – und ich habe mich auch noch nicht festgelegt“. Erklären werde er sich nach dem letzten Spiel der WM-Qualifikationsserie mit seinem Österreichischen Auswahlteam – das fand in der Nacht zum Mittwoch auf den Färöern statt.

Ab heute wäre der 52 Jahre alte Schweizer zu haben – vorbehaltlich eines formal noch bis zum Ende des Jahres laufenden Vertrag mit dem Österreichischen Fußball-Bund. Dass Koller bereits heute oder morgen in Nürnberg antritt, darf aber noch bezweifelt werden. Nicht einmal ein Kontakt ist bisher offiziell verlautbart worden; „nicht mit fünf, aber mit zwei bis drei Kandidaten“, sagt Martin Bader, führe man derzeit noch Gespräche. Mit „hohen Zielen und vielen Ideen“, so der Sportvorstand, laufe die Fahndung auf Hochtouren, man brauche „noch etwas Zeit, um die optimale Lösung zu finden“.

Bader hält es für nicht ausgeschlossen, dass das Team im Bundesligaspiel am Samstag in Frankfurt von Roger Prinzen und Marek Mintal, den Platzhaltern auf Zeit, betreut wird, spätestens eine Woche darauf in Stuttgart werde aber der Neue seinen Einstand geben.

Vorfinden wird Marcel Koller (so man den Namen hier als Arbeitstitel verwenden darf) einen seit der Montagnacht befriedeten Verein, dessen Aufsichtsratsvorsitzender sich sogar in tätiger Reue übte. Klaus Schramm, während der Mitgliederversammlung konfrontiert mit einem (von der deutlichen Mehrheit abgewiesenen) Abwahlantrag, bat um Verzeihung für seine Redseligkeit in Sachen Trainersuche, sein Herz für den Club sei zu voll gewesen, als ihn TV-Teams zu Interviews drängten.

Timo Gebhart, vorerst suspendierter Profi mit Hang zum offensiven Nachtleben, tat via Bild Buße („Ich habe dem Verein keinen Gefallen getan“), und der ebenfalls suspendierte Hanno Balitsch darf offenbar auf Begnadigung hoffen; der Ex-Nationalspieler sei „kein Miesepeter und kein Stinkstiefel“, erklärte Martin Bader. Schrille Pfiffe gab es erst spät in der Nacht: für den Vorschlag, ein Rauchverbot im Stadion zu erlassen. Immerhin: Nichtraucher muss der neue Trainer nicht sein.

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