Der neue starke Mann beim Club
12.10.2010, 13:13 UhrDer Termin am nächsten Tag hat Ralf Woy mehr Nerven gekostet als die Hauptversammlung. Es ging zum Zahnarzt. Stattdessen würde Woy lieber von früh bis spät über rote Zahlen sprechen, was auch nicht sonderlich angenehm ist.
Am Abend zuvor konnten sich rund 800 Mitglieder davon überzeugen, wer der neue starke Mann beim 1. FC Nürnberg ist. Der 51-Jährige schaltete oben auf der Bühne der Meistersingerhalle sein Mikrofon ein paar Mal sogar ein, als Fragen zur sportlichen Lage gestellt wurden. Eigentlich Martin Baders Fachgebiet, mit dem er seit Donnerstag offiziell den Vorstand bildet.
Ex-Stürmer des USC Paloma
Wer aber ist eigentlich dieser Ralf Woy? Geboren in Hamburg, 51 Jahre alt, Ex-Stürmer des USC Paloma, seit fast 33 Jahren veheiratet, Vater von Dennis, Florian (beide 27) und Julia (25). Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Hamburger Sparkasse wechselte Woy später zur Noris-Bank, wo er überwiegend in leitender Funktion in den Bereichen Vertrieb und Marketing arbeitete.
Anfang 2001 wurde er Vorstand der Entrium Bankers AG (später DiBa) – erst Exklusivpartner, später Hauptsponsor des 1. FC Nürnberg. Womit ein enger Kontakt zum Club hergestellt war; im Oktober 2003, also gut zwei Monate, nachdem Woy sein früheres Unternehmen verlassen hatte, wurde er in den Aufsichtsrat gewählt und rund zwei Jahre später zum Vizepräsidenten bestimmt. Schon seit Juli 2005 kümmert er sich hauptberuflich um die kaufmännische Geschäftsführung. Woy will aber mehr sein als nur der Herr der Zahlen. Er ist auch Visionär, Kommunikator, Partner – und neuerdings höchste Instanz.
Dass der Club zum Bilanzstichtag mit über zehn Millionen Euro in der Kreide stand, passt Woy natürlich überhaupt nicht. Die hohen Schulden seien „nicht beängstigend“, sagte er, „es gilt aber, die Situation zu verbessern“. Das laufende Geschäftsjahr will Woy bereits mit zwei bis drei Millionen Euro Gewinn abschließen, was allerdings wohl nur durch Transfererlöse erreicht werden kann.
Ansonsten stellt es sich für Hanseat Woy, der mit seiner Familie seit über 13 Jahren im Nürnberger Land lebt, ausgesprochen schwierig dar, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Regionale Weltfirmen wie Siemens werben verständlicherweise lieber mit einem Weltverein wie Bayern München, so dass der finanzielle Spielraum beim Club höchstens in ganz kleinen Schritten erweitert werden kann. Wenn überhaupt. Woy sieht den Traditionsverein deshalb in erster Linie als „interessante Herausforderung“, nachdem der Abstieg 2008 auch wirtschaftlich ein fataler Rückschritt war. „Daran“, sagt Woy, „haben wir immer noch zu knabbern.“ Und wohl noch etwas länger, worüber er sich aber nicht mehr aufregen will. Seine Mentalität verbietet es ihm, negativ zu denken. „Nach Rückschlägen“, sagt sich Woy, „heißt es: Abhaken, weitermachen, es geht wieder aufwärts.“
Längst fühlt sich Familie Woy dem Club auch emotional verbunden, wie seine Freunde und Nachbarn eben auch. „Wir sind alle infiziert, sind alle auch Fans“, sagt Woy, „manchmal stehen einem Tränen in den Augen.“ Traditionell meist nach Niederlagen; Woy erzählt vom 0:1 in Berlin, am vorletzten Spieltag der Saison 2007/2008. Da war er wieder, der „Scheiß-Abstieg“ (Woy) – den es gilt, in den nächsten Jahren unter seiner Führung zu kompensieren. Woys Vertrag wurde kürzlich vom Aufsichtsrat bis 2015 verlängert, Baders bis 2013, „weil wir in beide ein hohes Vertrauen haben“, so Klaus Schramm, der Aufsichtsratsvorsitzende – dessen Gremium theoretisch berechtigt wäre, notfalls den Vorstand per Mehrheitsbeschluss abzusetzen.
Praktisch aber will man künftig an einem Strang ziehen. Zum Wohle des 1. FC Nürnberg. Woy nennt seine Aufgabe „sehr verantwortungsvoll“ – der neue starke Mann will aber lieber im Hintergrund bleiben. Noch eine spektakuläre Neuerung in der 110-jährigen Vereinsgeschichte.