"Beim Sport ist er schon aufgeblüht"

Jetzt sind sie Schulkinder in Forchheim: So geht es den Ukraine-Flüchtlingen

Maria Däumler

Redaktion Forchheim

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18.03.2022, 10:58 Uhr
Jetzt sind sie Schulkinder in Forchheim: So geht es den Ukraine-Flüchtlingen

© Athina Tsimplostefanaki

Kinder aus Afghanistan, Syrien, Indien, Eritrea, Bosnien, Rumänien und jetzt auch aus der Ukraine sitzen in der Deutschklasse in der Annaschule. Gerade beschriften die fünf Mädchen und sieben Jungs einen Pappbecher mit ihrem Namen, darin werden sie später Ostergras ansäen. So will Sonja Bauernschmitt, seit 20 Jahren Lehrerin, den Kindern ein bisschen deutsche Osterbräuche vermitteln.

Täglich versucht sie in der Klasse das fast Unmögliche zu schaffen. Wie funktioniert ein Unterricht, wenn ein Teil der Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren kein Wort Deutsch versteht, geschweige denn sprechen kann? Wie geht man mit Kindern um, die frisch aus einem Kriegsgebiet geflüchtet sind? "Das ist schon schwierig, aber irgendwie geht es", weiß Bauernschmitt aus Erfahrung. Mit Arbeitsblättern mit vielen Bildern zum Beispiel, mit Händen und Füßen, mit viel Geduld und Verständnis. "Und wenn es ganz schwierig ist, dann versuchen wir jemanden in der Schule zu finden, der die Sprache spricht und vermitteln kann."

Aus Shytomir geflüchtet

Seit einer Woche ist unter den Kindern aus verschiedensten Nationen der siebenjährige Heorhii, der mit seiner Mutter Galina aus der Stadt Shytomir, 140 Kilometer westlich von Kiew, vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet ist. "Sie hatten großes Glück", erzählt Schulleiterin Heike Wentzel. Die Mutter war als Aupair-Mädchen in Forchheim und ist nun genau bei dieser Familie vorerst untergekommen. "Das war ein segensreicher Zufall", so Wentzel.

© Foto: Monika Stohr-Leopold

Galina spricht sehr gut deutsch, daher gibt es keine sprachlichen Probleme. Sie wünschte sich, dass ihr Sohn möglichst schnell in die Schule geht, damit er unter Gleichaltrigen ist, eine normale Tagesstruktur und Ablenkung hat. Und tatsächlich: Der Junge ist noch ein bisschen zurückhaltend, "doch beim Sport ist er schon aufgeblüht und hat gelacht", freut sich Bauernschmitt.

Wie andere Kinder auch, die aus einem anderen Land, oft aus einer völlig anderen Kultur kommen, muss sich der ukrainische Junge erst einmal orientieren, zuhören und schauen, wie alles geht. "Er ist sehr motiviert und will viel lernen", hat die Lehrerin beobachtet. "Die Kinder spielen miteinander, verstehen sich auch ohne Worte, dann schnappen sie die ersten Wörter auf und meistens lernen sie schnell die Sprache."

Eigentlich erst drei Monate nach Einreise schulpflichtig

Wie geht es weiter, wenn in den nächsten Wochen noch viel mehr Flüchtlinge mit ihren Kindern aus der Ukraine kommen? "Solange wir genug Personal haben, machen wir alles, was Menschen möglich ist, um die Kinder unterzubringen", versichert Schulleiterin Heike Wentzel. Doch wie an vielen anderen Schulen auch ist schon jetzt an der Annaschule "die Personaldecke extrem dünn". Gerade in letzter Zeit schlage Corona voll durch und es seien viele Lehrkräfte erkrankt. "Uns fehlen einfach die Lehrkräfte, die mobilen Reserven sind schon alle im Einsatz", schildert Wentzel die schwierige Situation. Man versuche dennoch, alles so flexibel wie möglich zu organisieren.

"Aber es gibt einfach so viel unbekannte Faktoren", verdeutlicht Cordula Haderlein, fachliche Leiterin des Schulamtes Forchheim und zuständig für Grund- und Mittelschulen, die Problematik mit den Flüchtlingen aus der Ukraine. "Wir wissen nicht, wie viele Kinder kommen, wohin sie gehen, wie lange sie da bleiben." Noch seien nur ganz wenige Kinder im Landkreis angekommen, aber das könne sich ganz schnell ändern. Vom Gesetz her, so erläutert Haderlein, seien die Flüchtlingskinder erst drei Monate nach ihrer Einreise schulpflichtig. Aber man sei sehr bemüht, möglichst schnell schon vorher ein Angebot zu schaffen, um den Kindern den Schritt ins deutsche Schulleben zu erleichtern.

Um auf diese schwierige Situation zu reagieren, habe das bayerische Kultusministerium daher aktuell vorgegeben, dass für die ukrainischen Flüchtlingskinder "pädagogische Willkommensgruppen" eingerichtet werden, so Haderlein. Die Gruppen sollen nach dem Willen von Kultusminister Michael Piazolo "ein sicherer Ort für jene Kinder und Jugendlichen sein, um wieder etwas Normalität, Halt und Geborgenheit zu finden und das Erlebte zu verarbeiten", heißt es auf der Homepage des Ministeriums. Die Gruppen sollen eine geregelte Struktur im Alltag mit festen Bezugspersonen geben, um so einen leichteren Einstieg ins Schulsystem zu ermöglichen, das zumindest hofft man im Ministerium.

Schon jetzt fehlt das Personal?

Auch Cordula Haderlein will in ihrem Zuständigkeitsbereich alles unternehmen, um für diese Kinder gute und sichere Strukturen zu schaffen, aber angesichts der schwierigen Personalsituation an den Schulen fragt sie sich schon, wie das gehen soll. "Woher sollen die zusätzlichen Kräfte plötzlich kommen?" Zudem sei es schon machbar, in Forchheim solche Gruppen einzurichten. Doch was machen kleine Landschulen? Man könne doch keine Grundschüler, frisch aus einem Kriegsland geflüchtet, alleine mit dem Bus nach Forchheim schicken, findet sie.

Täglich gebe es Besprechungen und neue Handlungsanweisungen zu dem Thema. "Gerade soll geklärt werden, in welchem Umfang wir zusätzliches Personal einstellen dürfen und zu welchen Konditionen", sagt sie. Hier besteht nun die Idee, dass man dafür unter den ukrainischen Flüchtlingen Personal gewinnen kann. Vielleicht seien unter ihnen Erzieherinnen, Lehr- und andere pädagogische Kräfte, die – je nach persönlicher Verfassung – gerne arbeiten möchten. Sie führe hier schon Vorstellungsgespräche.

Auf diese Weise, so hofft Haderlein, könnte man zeitnah Gruppen anbieten, wo Lehrkräfte dann in der Landessprache wirken könnten, um so Sicherheit und Vertrauen zu schaffen, um dann die Kinder langfristig in das Schulleben integrieren zu können. Doch aktuell sei alles noch sehr unklar. "Wir müssen halt einen Schritt nach dem anderen machen und je nach Personalgewinnung schauen, wie und wo man Angebote für die Kinder schaffen kann." Doch Haderlein ist zuversichtlich: "Mit den Kindern aus Syrien haben wir es ja auch geschafft."

Schulamt Forchheim sucht Helfer

Das Schulamt Forchheim sucht dringend Menschen, die in den Grund- und Mittelschulen und in den Willkommensgruppen, die jetzt eingerichtet werden, mit den ukrainischen Kindern arbeiten, sprechen, basteln und spielen möchten. Gesucht werden hierfür Frauen und Männer, die Ukrainisch sprechen und idealerweise eine pädagogische Ausbildung haben. Laut Cordula Haderlein, fachliche Leiterin des Schulamtes in Forchheim, werde aktuell geklärt, in welcher Form diese Mitarbeitenden beschäftigt werden können und auch wie sie bezahlt werden sollen. „Wir sind über jede Unterstützung froh.“

Alle, die an so einer Tätigkeit interessiert sind, können sich gerne direkt an das Schulamt Forchheim wenden: Telefon 09191/86 90 04. Ferner gibt es weitere und stets aktualisierte Informationen zum Thema, wie man mit ukrainischen Kindern an Schulen umgehen sollte, auf der Homepage des bayerischen Kultusministeriums unter www.km.bayern.de

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