Warum vor allem Frauen die Coronakrise bewältigen

8.5.2020, 20:06 Uhr
Eine Krankenschwester prüft ein Beatmungsgerät in einem Zimmer auf einer Intensivstation.

© Jens Büttner Eine Krankenschwester prüft ein Beatmungsgerät in einem Zimmer auf einer Intensivstation.

Zu Beginn der Krise, im Supermarkt bei mir um die Ecke: Die Leute hamstern, sind gestresst und ängstlich, man sieht es in ihren Gesichtern an. An der Kasse: Eine junge Angestellte, in dieser angespannten Situation lächelt sie. Obwohl sie einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt ist, dort an dieser Kasse. Das Coronavirus macht vor keiner Gesellschaftsschicht und keinem Geschlecht Halt, aber einige Gruppen trifft diese Krise härter als andere: Frauen, vor allem, halten die Gesellschaft derzeit zusammen.

Im systemrelevanten Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten bundesweit 4,2 Millionen Frauen und 1,3 Millionen Männer. Diese Zahlen veröffentlichte das Statistische Bundesamt für das Jahr 2018. Im Jahr 2019 sind 76 Prozent der Mitarbeitenden in Krankenhäusern weiblich, im Kindergärten und Vorschulen sind es gar 92,9 Prozent, bei Sozialversicherungen 73 Prozent und im Lebensmitteleinzelhandel 72,9 Prozent.

Diese Zahlen gelten nicht nur für die Bundesrepublik, weltweit ist die Situation ähnlich. Laut WHO ist im Vergleich von 104 Ländern festgestellt worden, dass 70 Prozent der Arbeitnehmenden in der so genannten "Healthwork Force" Frauen sind - vornehmlich unter der Pflegschaft als unter den Ärzten. Europaweit sind etwa 84 Prozent der Pflegekräfte weiblich, so die WHO.

In Apotheken arbeiten laut Handelsstatistik des statistischen Bundesamts (Zahlen aus 2017) weniger als eine halbe Million Männer und fast zwei Millionen Frauen.

Bayern liegt im Durchschnitt

Bayern als auch unsere Region liegen da im Bundesdurchschnitt, sagt Professor Dr. Matthias Fifka, Wirtschaftsethiker an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. "Natürlich gibt es auch systemrelevante Berufssparten wie die Polizei und die Feuerwehr, in denen hauptsächlich Männer arbeiten." In den Polizeidienststellen sind bundesweit nur 28 Prozent weiblich, in Bayern sind es 22 Prozent. Bei den Feuerwehren machen Frauen in gesamten Bundesgebiet 11 Prozent aus, so Fifka. "Die Berufe, die mit Gefahr oder einem Risiko einhergehen sind, nach wie vor männlich dominiert."

An Supermarktkassen hingegen sitzen zu 88 Prozent Frauen. "Diese Tätigkeiten werden oft in Teilzeit ausgeübt, weil viel mehr Frauen als Männer nicht in Vollzeit arbeiten. Sie stecken stärker in der Erziehungsrolle", erklärt Fifka. Viele Männer suchten sich aufgrund besserer Bezahlung andere Jobs aus. Vor allem im Lehramt oder in Kindergärten seien die Teams zu 96 Prozent weiblich. "Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass traditionelle gesellschaftliche Rollen in Deutschland noch verankert sind und männliche Kindergärtner durchaus noch als Weichling abgestempelt werden", sagt der Wirtschaftsforscher. Auch besteht nach wie vor eine Kluft zwischen weiblichem und männlichem Einkommen, doch für dieses Thema sei jetzt nicht die Zeit, so Fifka.


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Zulagen könnten wahr werden

Derweil zeigen sich erste Regungen seitens der bayerischen Politik, die eine Pandemie-Zulage fordern: Unter anderem Landtagsabgeordneter Arif Tasdelen (SPD) forderte jüngst auf seiner Facebook-Seite: "Den Worten müssen nun Taten folgen: alle Beschäftigten der Kliniken und Krankenhäusern sollten ein zusätzliches steuerfreies Monatsgehalt erhalten, Supermärkte sollten ihren Beschäftigten ein zusätzliches steuerfreies Monatsgehalt zahlen." In Berlin hat der Senat Ende April entsprechende Prämien bis zu 1000 Euro verabschiedet. 

Zwei Frauen berichten aus ihren Berufsalltag

Maria G. (Name geändert) arbeitet am Klinikum Nürnberg als Krankenpflegerin in der Notaufnahme. Sie sagt: "Ich war mir eigentlich schon immer bewusst, dass ich mich in meinem Beruf irgendwie stets einer Gefahr mit Krankheitserregern aussetze. Dass das COVID-19 die Menschen derartig erkranken und sterben lässt, hätte ich nie gedacht und ich muss auch ehrlich sagen, ich kann es immer noch nicht so richtig realisieren. Ich sehe die Zahl, die einfach unfassbar hoch ist, und dennoch gehe ich entspannt in die Arbeit. Doch habe ich inzwischen ein mulmiges Gefühl, wenn sich Patienten mit Fieber, Husten und so weiter vorstellen. Aber dieses Gefühl hält nicht lange: Ich mache meinen Job einfach mit mehr Vorsichtsmaßnahmen. Ein Gefahrenzuschlag würde mir persönlich nichts bringen: Was habe ich von mehr Geld und bin dann infiziert? Ich hätte zu dieser Zeit lieber die Gewährleistung, dass wir genügend Material haben, um uns selbst zu schützen und die Verbreitung des Virus einzudämmen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass eine Lohnangleichung generell gelten müsse und nicht eine Krise dies vorantreiben solle. Wir sollten endlich gleichgestellt werden, damit Frauen, die alleine sind und eine Familie ernähren müssen, das auch leisten zu können."

Caro B. (Name geändert) ist Erzieherin in Notbetreuung in einem städtischen Hort in Nürnberg. Sie meint: "Seitdem das Coronavirus unseren Alltag bestimmt, achten wir natürlich verstärkt auf Hygiene. Anfangs fand ich es unfair, dass ich der Gefahr ausgesetzt bin, doch nachdem ich mich ausgiebiger damit befasst habe, denke ich, dass es Leute braucht, die sich der Gefahr stellen, damit das System so normal wie möglich weiterhin funktionieren kann. Wir gehörten bis vor kurzem nicht zu der Berufsgruppe, die eine Notbetreuung haben, obwohl wir zur systemrelevanten Gruppe zählen. Ich bin froh und dankbar, dass ich überhaupt noch arbeiten kann bzw. darf und mein Arbeitsplatz sicher ist, auf viele andere Menschen trifft dies ja nicht zu. Sie stehen am Rande ihre Existenz und kämpfen früher oder später um ihr Überleben, wenn das so weitergeht. Ich hoffe, dass unserer Gesellschaft durch die aktuelle Situation klar wird, dass Erzieher einen wichtigen Beitrag zu unserem System leisten und mehr Anerkennung verdienen. Das Selbe gilt für alle anderen systemrelevanten Berufe, welche sonst nicht sonderlich wert geschätzt werden."


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