Corona-Hilfen für die Kultur: Pleiten, Pech und Pannen

21.3.2021, 15:38 Uhr
„Die Not der Kultur ist gross“: Das Bild ist bei einer Performance im Juni 2020 in Fürth entstanden.

© BILDTEXT.DE_HEINZ_WRANESCHITZ, NNZ „Die Not der Kultur ist gross“: Das Bild ist bei einer Performance im Juni 2020 in Fürth entstanden.

Versprochen ist schnell, Umsetzen dauert. Das erfahren derzeit viele einkommenslose Künstler im Freistaat, die auf ein Stipendienprogramm warten. Das wurde zwar bereits Ende Oktober vergangenen Jahres im bayerischen Ministerrat beschlossen, aber immer wieder verschoben. Der kulturpolitische Sprecher der SPD im bayerischen Landtag, Volkmar Halbleib, macht dafür Kunstminister Bernd Sibler (CSU) verantwortlich.

Das Kabinett peilte ursprünglich den 1. Januar für den Start des Stipendienprogramms an. Dann wurde der 1. Februar anvisiert. In der Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Harald Güller machte Siblers Ministerium jetzt keine Angabe für einen Starttermin mehr. Seit Dezember fänden zur Umsetzung "komplexe Abstimmungsprozesse unter anderem mit dem Obersten Rechnungshof (ORH) und Vertretern der Kunst- und Kulturbranche statt", heißt es in der Antwort. Wegen der hohen Erwartungen der Künstler auf ein "niedrigschwelliges Angebot" einerseits und dem geltenden Förderrecht andererseits ist offenbar bis jetzt noch keine Lösung gefunden worden. Ein erster Entwurf hätte zwar die Zustimmung der Rechnungsprüfer gefunden, habe aber "eine fehlende Akzeptanz der Kulturbranche befürchten" lassen, so das Sibler-Ministerium.

Jetzt aber sei eine weitere Lösung erarbeitet worden, die auch auf Zustimmung des ORH stoße. Mit der Nennung eines Termins für den Start hielt sich das Kunstministerium aber weiter zurück. Wenigstens werde das elektronische Antragsverfahren in der kommenden Woche "an den Start gehen".

Verheerende Konsequenzen

SPD-Kulturpolitiker Halbleib kann darüber nur den Kopf schütteln. Dass Kunstminister Sibler in der Notlage der von der Pandemie besonders betroffenen Künstler "nicht alles dran setzt, um der Kultur wirksame Hilfen zu bieten, hat für die Branche verheerende Konsequenzen", erklärte Halbleib. Ohne finanzielle Überbrückung des monatelangen Stillstands der Kultur sei das Überleben der kulturellen Vielfalt in Bayern stark gefährdet.


Künstlerhilfe: Das lange Warten auf finanzielle Unterstützung


Tausende stünden überdies nach der vergangene Woche umgesetzten Verlängerung des Soloselbständigenprogramms noch auf der Warteliste. Nach Aussagen des Kunstministeriums sind 3.100 von 5.000 eingereichten Anträge erst "in Vorbereitung". "Nach wie vor ist Kunstminister Sibler nicht nur für hohe bürokratische Hürden des Programms verantwortlich, sondern redet von einer vermeintlichen finanziellen Überkompensation durch die Hilfen. Das empfinden die Künstler nur noch als zynisch", erklärte Halbleib.

Kompensation kam zu spät

In dieselbe Kerbe schlägt Sanne Kurz, die kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag: "Die Kompensation der unverschuldeten Einkommensverluste lief skandalös schleppend an und kam weitgehend zu spät. Viele Hilfen greifen bis heute im sehr kleinteiligen Kulturbereich nicht." Anfragen der Grünen zeigten, dass viele der dringend benötigten Gelder seit nunmehr drei Monaten wegen weiterer Prüfung auf Halde liegen.

"Ein Jahr kein Einkommen. Jetzt, bei oft nur marginalen Schieflagen, von ‚Überkompensation‘ zu sprechen, ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen. Zumal die CSU-FW-Regierung sie über ein Jahr hinweg von Gottes Lohn hat leben lassen", kritisiert Kurz. "Es gäbe Lösungen, die eine ‚Überkompensation‘ verhindern. Niemand verbietet einen längeren Förderzeitraum. Wir fordern seit Pandemiebeginn Hilfe ab Pandemiebeginn. Wer wie Markus Söder von ‚pragmatischen Entscheidungen‘ redet, muss sie liefern! Wir reden hier ja nicht von Milliarden – sondern vom Existenzminimum."


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Die Kultur bleibt in Bayern weiterhin ohne Perspektive und werde von der Regierung allein gelassen, findet auch Volkmar Halbleib. Völlige Unklarheit bestehe für die unterschiedlichen Einrichtungen über die Umsetzung von Öffnungsmöglichkeiten. Minister Sibler habe zwar jüngst verlautbaren lassen, dass er sich die Bayreuther Festspiele mit dem Einsatz von Tests vorstellen könnte. Für die kommunalen und privaten Theater, Kinos, Konzertsäle und Veranstaltungsorte gebe es aber nach wie vor keine Ansagen, kritisiert der Sozialdemokrat.

Mit dem "Ende der kulturellen Durstrecke", die Kunstminister Sibler am 11. März für den heutigen Montag in Aussicht gestellt hatte, wird es auch nichts werden. Ursprünglich war vorgesehen, dass ab heute Theater, Konzert- und Opernhäuser wieder öffnen können, allerdings nur, wenn die 7-Tage-Inzidenz seit mindestens 14 Tagen den Wert von 100 nicht überschritten hat und die Entwicklung des Infektionsgeschehens stabil oder rückläufig ist. Diese Voraussetzungen erfüllen mittlerweile nur noch ganz wenige der 96 bayerischen Landkreise und Städte.


Kommentar: Warum in der Kulturbranche der Ruf nach Öffnungen laut wird


"Ich freue mich sehr, dass wir mit weiteren klugen und umsichtigen Öffnungen wieder mehr Kunst und Kultur im Freistaat ermöglichen können. Die kulturelle Durststrecke nähert sich dem Ende. Kunst- und Kulturschaffenden erhalten wieder Auftrittsmöglichkeiten und das Publikum darf hoffen, wieder Kunst vor Ort zu erleben", hatte Kunstminister Sibler am 11. März verbreitet. Das ist jetzt Makulatur.

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