Fahren mit Sonnenstrom

Nach dem Sion-Ende: Haben Solarautos noch eine Chance?

Ulla Ellmer

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25.2.2023, 10:17 Uhr
Sono Motors Sion: Die Solarpanels wären in Motorhaube, Seiten, Dach und Heck eingearbeitet worden.

© Sono Motors Sono Motors Sion: Die Solarpanels wären in Motorhaube, Seiten, Dach und Heck eingearbeitet worden.

Die Idee klang bestechend: Mithilfe von Solarzellen auf seiner Außenhaut sollte der Sion Sonnenenergie fürs elektrische Fahren einfangen. Umweltfreundlicher geht es kaum. Und so war es kein Wunder, dass die mit viel Gründer-Idealismus vorgetragene Idee der drei jungen Köpfe Laurin Hahn, Navina Pernsteiner und Jona Christians umgehend elektrisierte. Vom Fleck weg begeisterten sich viele Interessenten so sehr für den sonnigen Minivan, dass sie eine Anzahlung leisteten und bei Sono Motors eine Reservierung in Auftrag gaben.

Erstmals vorgestellt wurde der Sion 2016. In der vergleichsweise kurzen Geschichte der Elektromobilität ist seine also schon eine lange. Was die Kunden angesichts des jahrelangen Hin- und Hers bereits dunkel geahnt hatten, bewahrheitet sich jetzt: Das Solarauto wird niemals gebaut werden. Denn auch der letzte Rettungsversuch ist gescheitert.

Rettungsversuch gescheitert

Im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne hatte Sono Motors Ende 2022 noch versucht, rund 100 Millionen Euro einzusammeln, mit denen die Serienproduktion des Sion sichergestellt werden sollte. Doch selbst als die bis Ende Januar angelegte Aktion noch einmal bis Ende Februar verlängert wurde, kam schlussendlich nur etwa die Hälfte der angestrebten Summe zusammen. Deshalb zogen die Münchner jetzt den Stecker und gaben die Einstellung des Sion-Programms bekannt, das Sono-Motors-Mitbegründer und CEO Laurin Hahn als „unser ursprüngliches Herzensprojekt“ bezeichnet. Rund 300 Mitarbeiter müssen gehen, Thomas Hausch als der fürs operative Geschäft zuständige Manager hat laut Hahn beschlossen, von seiner Rolle zurückzutreten.

Die mehr als 45.000 potenziellen Kunden, die bereits eine Reservierung beziehungsweise Vorbestellung getätigt haben, sollen ihre Anzahlung zurückbekommen. Ein Rückzahlungsplan sieht vor, die jeweiligen Beträge über die kommenden zwei Jahren hinweg in mehreren Raten zu erstatten, beginnend im Mai 2023.

Auch aus der 250.000 Euro teuren Solar-Limousine Lightyear 1 ist nichts geworden.

Auch aus der 250.000 Euro teuren Solar-Limousine Lightyear 1 ist nichts geworden. © Lightyear

Der Sion, der rund 30.000 Euro hätte kosten sollen, ist nicht das erste Solarauto, bei dem der Hersteller vorzeitig einen Schlussstrich zieht. Ein ähnliches Schicksal hat Ende Januar bereits den Lightyear 0 getroffen, eine mit 250.000 ungleich teurere Limousine, die sich sogar bereits in der Serienproduktion befand. Deren Beginn im finnischen Uusikaupunki war erst am 30. November gefeiert worden, gemeinsam von der niederländischen Marke selbst und dem Auftragsfertiger Valmet Automotive.

Wunderdinge darf man sich von den Photovoltaik-Fahrzeugen ohnehin nicht erwarten. Sie fahren keineswegs ausschließlich mit Sonnenstrom. Auch beim Sion wäre die Grundversorgung der 54-kWh-Batterie klassisch an der Ladestation erfolgt und der Sonnenstrom nur ein Zubrot gewesen, nach Herstellerangaben gut für durchschnittlich 112 Extra-Kilometer pro Woche. Die fünf Quadratmeter Solarfläche am Lightyear 0 wiederum sollten auf die WLTP-Reichweite von 625 Kilometern weitere 70 Kilometer pro Tag draufschlagen.

Funktioniert nur bei viel Sonne

Das ist nicht wenig, lässt sich aber nur unter optimalen Bedingungen realisieren, also an sonnenreichen, langen Sommertagen. Das Auto dann in der Garage, unter dem Carport oder einem anderen schattigen Ort abzustellen wäre kontraproduktiv. Andererseits: Ist das Fahrzeug der prallen Einwirkung des Planeten ausgesetzt, muss ein gewisser Teil der zugeführten Sonnenenergie wieder für die Klimatisierung des Fahrgastbereichs aufgewendet werden.

Der kommende Toyota Prius Plug-in-Hybrid bekommt optional ein Solardach. Ungewiss ist, ob das gleich zum Marktstart im Sommer 2023 sein wird.

Der kommende Toyota Prius Plug-in-Hybrid bekommt optional ein Solardach. Ungewiss ist, ob das gleich zum Marktstart im Sommer 2023 sein wird. © Toyota

Das Aus für Sion und Lightyear 0 bedeutet aber nicht, dass die Solartechnik am Auto jetzt abgeschrieben werden muss. In kleinerem Umfang wird sie schon umgesetzt. Toyota beispielsweise hat angekündigt, für den elektrischen bZ4X noch ein Solardach zu bringen, das im Idealfall Energie für zusätzliche 1800 Kilometer pro Jahr liefert. Auch der neue und für Sommer 2023 avisierte Prius Plug-in-Hybrid soll sich so jährlich 1250 Kilometer kostenlose Extra-Reichweite holen.

Geringes Interesse

Das 1500 Euro teure Solardach für den Hyundai Ioniq 5, das nach Herstellerangaben 1500 Bonus-Kilometer ermöglicht hat, ist in der aktuellen Preisliste indes nicht mehr zu finden. Aufgrund der aktuellen Zulieferschwierigkeiten, sagt Hyundai-Sprecher Bernhard Voß, wären die Lieferzeiten für potenzielle Kunden „ausufernd“ geworden. Recht viele wollten sich die Sonne ohnehin nicht in die Batterie holen, der Zuspruch sei „sehr, sehr gering“ gewesen und hätte sich im Bereich von ein bis zwei Prozent der Ioniq-Käufer bewegt. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die Solarzellen zurückkehren aufs Dach des Stromers.

Lightyear gibt nicht auf: 2025 soll das Modell "2" debütieren. Nach Herstellerangaben liegen bereits über 60.000 Vorbestellungen vor.

Lightyear gibt nicht auf: 2025 soll das Modell "2" debütieren. Nach Herstellerangaben liegen bereits über 60.000 Vorbestellungen vor. © Lightyear

Auch Lightyear will weitermachen. Nach der Insolvenz der ursprünglichen Produktionsgesellschaft wurde eine neue gegründet. Man konzentriere sich jetzt darauf, den Lightyear 2 zu entwickeln, ließ CEO und Mitbegründer Lex Hoefsloot wissen. Dabei handele es sich um „ein erschwingliches Solar-Elektrofahrzeug für ein breiteres Publikum“. Inklusive des Sonnenstroms sollen mehr als 800 Kilometer Reichweite drin sein, preislich wird ein Einstieg unter 40.000 Euro angepeilt.

Sono Motors will sich jetzt darauf fokussieren, Drittanbieter mit Solartechnologie zu beliefern.

Sono Motors will sich jetzt darauf fokussieren, Drittanbieter mit Solartechnologie zu beliefern. © Sono Motors

Gut aufgehoben sind Solarzellen auch an und auf Lkws oder Bussen, die über vergleichsweise große Flächen verfügen. Das ist auch das Gebiet, auf dem Sono Motors seine Zukunft sieht – allerdings nicht als eigener Hersteller, sondern als Zulieferer für andere.

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