Nürnberger Masseurin erzählt

Prostitution? Eso-Quatsch? Das steckt wirklich hinter Tantra

6.11.2021, 17:51 Uhr
Den Begriff "Tantra" hat fast jede(r) schon einmal gehört. Die meisten wissen aber nicht wirklich, was es damit auf sich hat.

© imago images/adrenalina Den Begriff "Tantra" hat fast jede(r) schon einmal gehört. Die meisten wissen aber nicht wirklich, was es damit auf sich hat.

Sex mit Räucherstäbchen, wilde Orgien und durchgeknallte Esoteriker – das sind nur einige der Vorurteile, mit denen Maja und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Tantrazentrum Nürnberg konfrontiert werden.

Für die Masseurin ist das auch ein Grund, warum sie im Artikel nicht mit ihrem echten Namen aufscheinen möchte. "Ich will meine Privatsphäre schützen", sagt sie kurz und knapp. Maja ist ihr tantrischer Name, im Hinduismus bedeutet er so viel wie "Göttin der Verblendung".

Ihr zufolge sind die eingangs genannten Vorurteile meilenweit von der Realität entfernt. Dennoch stellt der Staat ihre Beschäftigung im Zentrum mit der einer Sexarbeiterin gleich: Maja wird als Prostituierte geführt und muss sich regelmäßig untersuchen lassen. "Ich muss mich wirklich bei der Mitarbeiterin im Gesundheitsamt entschuldigen, denn ich rege mich jedes Mal sehr darüber auf", sagt Maja. Doch allmählich schaffe sie es, ihren Frieden damit zu schließen. Sie wisse schließlich selbst am besten, was sie beruflich tut und was nicht.

So läuft die Massage ab

Die Massagen, die viele Menschen zuerst im Kopf haben, wenn sie Tantra hören, sind nur ein Teil – und dazu ein sehr neuer und moderner, der früher keine Rolle spielte. Tantrismus hat seinen Ursprung in der indischen Philosophie, es ist ein Begriff aus dem Sanskrit, der mit "Zusammenhang" oder auch "Gefüge" übersetzt wird.

Diese Verbundenheit ist ein ganz zentraler Punkt, denn viele verstehen Tantra als eine Haltung: eine respektvolle Art, Netze zu allen Mitmenschen und zu "etwas Höherem" zu knüpfen. Verschiedene Techniken, wie Atemübungen oder Meditation sollen das Leben verbessern, denn Lebenslust wird als Anrecht verstanden. Gerade bei den Übungen gibt es einige Parallelen zum Yoga. Erst in den 1970er Jahren kam ein sexueller Aspekt hinzu, der sich bis heute zu einem Teil in den Tantra-Massagen wiederfindet.

Die Massage folgt einem Ritual. Dabei wird unterschieden zwischen dem "Gebenden", also Masseur oder Masseurin, und dem "Empfangenden". Ganz wichtig sei das Vorgespräch, bei dem über die Erwartungen des "Empfangenden" gesprochen wird. Dort wird beispielsweise geklärt, dass die Massage absolut absichtslos zu sein hat.

Maja erklärt: "Was passiert, passiert, aber keiner von beiden sollte ein Ziel haben." Außerdem werden Grenzen abgesteckt und darüber gesprochen, warum der Klient oder die Klientin hier ist, und ob er oder sie körperliche oder mentale Einschränkungen hat. Wichtig für den Masseur oder die Masseurin ist außerdem zu wissen, ob auch der Intimbereich berührt werden soll beziehungsweise darf, denn das gehöre keinesfalls zwingend zum Ablauf.

Auf das Gespräch folgen die tantrische Begrüßung und der Gang in den Massageraum. "Dort geht es ganz und gar darum, achtsam zu fühlen und sich fallen zu lassen", sagt Maja. Obwohl es sich um ein Ritual handelt, gibt es viele Freiheiten, jeder Zustand sei willkommen: "Ob erregt oder nicht erregt, ob mit Gefühl oder ohne, ob mit Reden oder Stille – alles ist möglich."

Eine Regel gibt es jedoch: Auch der Masseur oder die Masseurin hat Grenzen. Manche wünschen sich vom Empfangenden absolute Passivität, sie wollen also nicht berührt werden. Andere, wie Maja, sind bereit auch einmal die Hand zu halten. So oder so: Der Gebende darf nie in sexueller Absicht angefasst werden.

Keine schnelle Nummer

Bei der Massage kann es durchaus dazu kommen, dass der Empfangende einen Orgasmus erlebt – und immer wieder kommt es vor, das Gäste explizit mit diesem Wunsch in das Zentrum kommen. Doch so einfach geht das nicht, sagt Maja: "Da muss ich sagen, für deinen Höhepunkt kann ich keine Garantie abgeben, da bist du schon selbst verantwortlich – aber ich begleite dich."

Wer allein mit dem Ziel einer schnellen sexuellen Befriedigung zu einer Tantramassage geht, der wird nicht auf seine Kosten kommen. Bei Tantra handelt sich um ganzheitliche, langsame Berührungen – schon die kürzeste Einheit dauert eineinhalb Stunden. Viel mehr möchte Maja nicht verraten, für den Gast soll es immer noch die eine oder andere Überraschung geben.

Eine Massage muss nicht automatisch immer nur zu zweit stattfinden – sie kann beispielsweise auch von mehreren Masseurinnen oder Masseuren durchgeführt werden. Oder man besucht sie gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin. Dabei gibt es dann wiederum zwei Möglichkeiten: Entweder beide werden massiert oder der eine Partner massiert den anderen und wird währenddessen von einer professionellen Masseurin angeleitet. Darüber hinaus bietet das Tantrazentrum in Nürnberg auch Seminare zu Massagen an.

Allerdings: Um wie Maja im Tantrazentrum arbeiten zu können, reicht es nicht, nur ein Seminar zu besuchen – dafür seien mehrere Ausbildungen nötig. Nicht nur um zu wissen, wie man beispielsweise mit Lingam und Yoni umgehen sollte – die Geschlechtsteile, wie sie im tantrischen Zusammenhang genannt werden. Man lernt auch, wirklich auf den anderen eingehen zu können.

Denn Frauen und Männer kommen in den verschiedensten Gemütszuständen zu ihr, sagt Maja: "Manchmal sind sie in großer Trauer und brauchen Zuneigung. Wir sind zwar keine Therapeuten, versuchen aber natürlich trotzdem, ihnen beizustehen."


Mehr über Maja und ihre Arbeit gibt es ab dem 12. November in der ersten Podcastfolge unseres neuen Podcast "heiß und innig" bei allen gängigen Podcast-Playern und auf nordbayern.de.

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