Derbyheld Raum: Hausverbot beim besten Freund

16.6.2020, 13:09 Uhr
Glücklich in Nürnberg: David Raum (links) jubelt mit seinen Kollegen Wittek und Keita-Ruel.

© Daniel Marr/Sportfoto Zink Glücklich in Nürnberg: David Raum (links) jubelt mit seinen Kollegen Wittek und Keita-Ruel.

Vor einem Jahr saß David Raum auf einer Holzbank in Schnepfenreuth. Auf dem Sportplatz des TB Johannis 88 spielte der Tuspo Nürnberg gegen den ESV Flügelrad, es ging um den Aufstieg in die Kreisliga. Mit einer schwarzen Cap auf dem Kopf fiel der 22-Jährige nicht weiter auf zwischen den vielen Menschen, die bei diesem Relegationsspiel wahlweise dem Tuspo oder dem ESV die Daumen drückten.

Nach einem aufregenden Elfmeterschießen durfte der Tuspo über den zweiten Aufstieg nacheinander jubeln, eine junge, wilde Mannschaft hatte ihren Jugendverein in nur zwei Jahren von der A-Klasse in die Kreisliga gebracht. Auch David Raum war an diesem 16. Juni 2019 ein glücklicher Mensch, es waren ja viele seiner Freunde aufgestiegen, junge Männer, mit denen er als Kind selbst in einer Mannschaft gespielt hatte.

Männer wie Tim Siegritz, der ebenfalls 1998 geboren wurde. Als der damals Fünfjährige zum ersten Mal beim Tuspo gegen einen Fußball trat, war David Raum schon ein Jahr im Verein. Dessen Vater Stefan trainierte den Nachwuchs, der schnell ziemlich erfolgreich wurde. "Unsere einzige Taktik war eigentlich, den Ball zu erobern und ihn dann nach vorne zu David zu bringen", erinnert sich Siegritz, "da hat er dann so gut wie immer ein Tor gemacht."

Pfostentreffer gegen das Kleeblatt

Bei einem Jugendturnier des Tuspo spielte die damalige F-Jugend unter anderem gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth, Tim Siegritz erinnert sich noch gut an den Tag. 0:1 haben sie damals nur verloren, David Raum hatte mehrfach den Pfosten getroffen und so nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. Jürgen Brandl arbeite damals schon im Jugendbereich des Kleeblatts und lotste das aufstrebende Talent vom Tuspo nach Fürth. "Das hat ihm natürlich jeder gegönnt", sagt Tim Siegritz heute, "auch wenn die Jahre danach dann ohne ihn leider nicht mehr so erfolgreich waren."

In der fünften Klasse der Veit-Stoß-Realschule trafen sie sich dann wieder, David Raum war im Fürther Nachwuchsleistungszentrum weiter auf dem Weg zum Profi, Tim Siegritz hingegen spielte im Nachwuchs des Tuspo. Die Sitznachbarn wurden zu guten Freunden, die sie bis heute sind. Am Samstagmorgen hat Tim Siegritz seinem Kumpel dann eine Nachricht geschickt und ihn gebeten, sich doch im Derby bitte zurückzuhalten, "das war natürlich ein Witz", sagt der Clubfan Siegritz.

Das 266. Frankenderby verfolgte er vor dem Fernseher, er fieberte mit dem taumelnden FCN, den David Raum nach 56 Minuten mit seinem Treffer zum 0:1 noch ein bisschen tiefer in die Krise stürzte. Als der Schiedsrichter das Spiel abpfiff, war David Raum tatsächlich zum Fürther Derbyhelden geworden – mal wieder als einer, der es aus dem eigenen Nachwuchs nach oben geschafft hatte. Auch Edgar Prib, Johannis Geis und Daniel Steininger trugen sich mit ihren entscheidenden Treffern in Nürnberg schon in die Fürther Geschichtsbücher ein.

"Er ist immer da"

Tim Siegritz tat das natürlich weh, er leidet ja mit seinem Verein, dem der beste Kumpel noch ein bisschen mehr Leid zufügte. "Ich gönne ihm das Tor aber", sagt der 21-Jährige, "und ich hoffe, dass ihm das niemand beim Tuspo übel nimmt." Schließlich hat es einer der ihren in den Profifußball geschafft, aus Sicht vieler nur beim falschen Verein, "ich sehe das mit einem weinenden Auge, aber es war die richtige Entscheidung, damals nach Fürth zu gehen".

Abgehoben ist David Raum jedenfalls nie, versichert sein Freund, auch nicht, als er zum Junioren-Nationalspieler wurde. Tim Siegritz erzählt von gemeinsamen Freistoßtrainings auf einer Wiese am Sportplatz des Tuspo, "er hat mir schon viele Tipps gegeben, was ich besser machen kann", sagt er, "wenn man von David Hilfe braucht, ist er immer da, ob auf oder neben dem Platz."

Später bei den Alten Herren?

Seit der Profifußball sich entschieden hat, weiterzuspielen, haben sie sich aber nicht mehr gesehen, Profifußballer sollen möglichst zurückhaltend leben, um die Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus zu minimieren. "Am Abend habe ich David geschrieben, dass er bei mir ab jetzt Hausverbot hat", erzählt Siegritz, es sollte natürlich nur eine Stichelei sein, "der Club hätte seine Punkte auch in anderen Spielen holen können."Irgendwann, wenn David Raum genug hat vom Profifußball, wenn er vielleicht auf Jahre in der Bundesliga zurückblickt, dann würde Tim Siegritz gerne nochmal mit ihm zusammen auf dem Platz stehen. "Vielleicht", sagt er, "kommt er ja zurück und spielt für die Alten Herren."

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