Corona

Maskenpflicht fällt im Pausenhof: Warum das Eltern nicht reicht

20.6.2021, 05:47 Uhr
Die Infektionszahlen unter Kindern sind überdurchschnittlich hoch, deswegen müssen sie in den Schulen weiterhin Maske tragen. Es müssen keine FFP2-Masken sein, ab der 5. Klasse aber seit kurzem medizinische, in der Grundschule reichen Stoffmasken.  

© Matthias Balk/dpa, NN Die Infektionszahlen unter Kindern sind überdurchschnittlich hoch, deswegen müssen sie in den Schulen weiterhin Maske tragen. Es müssen keine FFP2-Masken sein, ab der 5. Klasse aber seit kurzem medizinische, in der Grundschule reichen Stoffmasken.  

Es war ein Aufatmen für die Schüler: Seit Mittwoch müssen Kinder auf dem Schulgelände im Freien keine Masken mehr tragen. Im Gebäude bleibt die Maskenpflicht bestehen.

Die Reaktionen darauf sind positiv – auch wenn die Entscheidung manchen nicht weit genug geht. "Es ist ein Riesenvorteil für die Kinder", sagt Anja Rädisch. Die Juristin und zweifache Mutter engagiert sich in der Initiative Familie, der bayernweit rund 150 Mitstreiter angehören. "Aber wir hätten uns mehr erwartet und gewünscht." Kinder und Jugendliche würden derzeit verpflichtend zweimal pro Woche getestet, auch hätten viele Lehrer ein Impfangebot erhalten und viele von ihnen hätten es wahrgenommen.

Es sei dennoch derzeit für viele schwer nachvollziehbar, dass man ungetestet in der Gastronomie, auch im Innenbereich, am Tisch die Maske abnehmen kann oder man im Fitnessstudio bei hohem Aerosolausstoß die Maske teilweise ablegen darf, in der Schule die Kinder jedoch im Gebäude durchweg ihren Mund und Nase bedecken müssten. Das sei vor allem bei den derzeitigen Temperaturen eine Qual.

Überdurchschnittlich häufig infiziert

Thomas Reichert, Leiter des staatlichen Schulamts und zuständig für rund 80 Nürnberger Grund- und Mittelschulen, begrüßt die Abschaffung der Maskenpflicht im Freien. Aber er ist auch der Meinung, dass man im Innenbereich vorerst daran festhalten solle. "Sicherheit geht vor. Wenn man jetzt zu schnell lockert, kommt das unter Umständen wie ein Bumerang zurück." Und niemand wolle wieder zum Distanz- oder Wechselunterricht zurück.


Maskenpflicht in Nürnberger Innenstadt aufgehoben


Weil die allermeisten Kinder nicht geimpft werden können, bleiben Testungen und Masken ein Schutz für die Jüngsten. Schulreferentin Cornelia Trinkl sieht es ähnlich: Tests seien immer eine Momentaufnahme, die Abschaffung der Maskenpflicht im Freien ein "guter erster Schritt". Dennoch sei ihr klar, dass die Sommerhitze mit Maske schwer erträglich sei. Das gelte auch für die Lüftungsproblematik, denn es heißt immer noch "Fenster auf!".

In 300 von 4000 allgemeinen Unterrichtsräumen in Nürnberg habe man Lüftungsanlagen eingebaut, weil diese Räume über keinerlei Frischluftzufuhr verfügten. In allen 4000 Räumen sei ein CO2-Messgerät installiert worden. "Ich weiß natürlich, dass ,Fenster auf‘ bei Hitze und Kälte oft ungünstig ist", so Trinkl. Jedoch seien die Lüftungsgeräte für viele Räume zu laut und zu groß. "Wir suchen nach Alternativen und haben das Thema auf dem Schirm."

Dass sich Kinder noch immer überdurchschnittlich oft mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infizieren, zeigen die aktuellen Zahlen. In Nürnberg lag die Sieben-Tage-Inzidenz am 17. Juni (bereinigt) bei 29,3, erklärt Gesundheitsreferentin Britta Walthelm.

Ein Gruppe sticht besonders heraus

Der Bevölkerungsanteil von Kindern ist geringer, dennoch infizieren sie sich überdurchschnittlich häufig, was der Blick auf die Sieben-Tage-Inzidenzwert (Stand 17. Juni) zeigt: In Nürnberg leben 25 696 Kinder im Alter von null bis vier, das entspricht 4,96 Prozent der Gesamtbevölkerung. Diese Altersgruppe hatte in den vergangenen sieben Tagen jedoch einen Anteil von 7,35 Prozent am Gesamtinfektionsgeschehen. Heraus sticht die Altersgruppe von fünf bis 14 Jahren.

Diese 44.169 Kinder entsprechen einem Bevölkerungsanteil von 8,52 Prozent. Bei ihnen lag der Anteil am Gesamtinfektionsgeschehen bei 22,79 Prozent. Das entspricht einer Abweichung im Vergleich zum Bevölkerungsanteil von 167,51 Prozent. Unter den in Nürnberg lebenden 137.016 Jugendlichen und jungen Erwachsenen von 15 bis 34 (Bevölkerungsanteil 26,43 Prozent) liegt der Anteil an Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen nur leicht überdurchschnittlich bei 30,15 Prozent.

In den Gruppen der Über-35-Jährigen, die häufig schon geimpft sind, sind die Zahlen rückläufig, bei den Über-80-Jährigen wurde in der Woche vor dem 17. Juni überhaupt keine Infektion diagnostiziert.

Was, wenn die nächste Welle kommt?

Aus diesen Zahlen lässt sich ablesen, dass die Jüngeren jetzt stärker in den Blick genommen werden müssen. Dabei ist die Maske für Anja Rädisch von der Initiative Familie nicht der entscheidende Aspekt: "Die Eltern erwarten, dass endlich nachhaltige Konzepte für das Bildungswesen von der Landesregierung und den Gemeinden kommen, denn das Virus wird nicht verschwinden."


Delta-Variante wohl auch in Nürnberg angekommen


Wenn die nächste Welle das Land überrollt, müsse es besser laufen als in den vergangenen 15 Monaten. Es müssten WLAN-Anbindungen der Schulen verbessert werden, damit durchgehend Videoübertragungen aus den Unterrichtsräumen möglich seien, sollte es zum Wechselunterricht kommen. "Warum gibt es keinen angepassten Rahmenlehrplan für das kommende Schulhalbjahr, der die entstandenen Defizite auffängt und die Kinder in der aktuellen Lernsituation auffängt? Der Schaden, der durch die Schulschließungen entstanden ist, lässt sich nicht mit zweiwöchigen Sommer-Lerncamps aufholen."

Verwandte Themen