Aus im Aufstiegsrennen

Ein Remis ohne Mehrwert: Club erlebt den "Klassenerhalt" auf der Couch

Uli Digmayer

Sportredaktion

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1.5.2022, 08:00 Uhr

Als Bastian Dankert am Freitagabend das Verfolgerduell am Millerntor nach 94 am Ende turbulenten Minuten abpfiff, bot sich den Zuschauern ein Bild kollektiver Frustration. Die meisten Spieler jener Mannschaft, die gerade eben noch den Ausgleichstreffer bejubelt hatten, sanken ebenso enttäuscht auf den Rasen wie die jener Mannschaft, die diesen späten Ausgleich hatte hinnehmen müssen. Das 1:1 (0:0) zwischen dem FC St. Pauli und dem 1. FC Nürnberg war für alle Beteiligten ein Remis der Kategorie gefühlte Niederlage.

Während die Hamburger Fans relativ schnell in den Trotzmodus umschalteten und ihr Team mit „Auswärtssieg!“-Rufen für die nächste Aufgabe bei Spitzenreiter Schalke aufzurichten versuchten, machte Trainer Timo Schultz kein Hehl aus seiner Gemütslage: „Auch ich als Chef-Optimist tue mich schwer, die Kurve zu kriegen.“ Der Trend spricht klar gegen den nun seit fünf Spielen sieglosen Herbstmeister. Immerhin aber bleibt den Kiez-Kickern noch eine minimale Chance, auf der Zielgerade eben jene Kurve zu kriegen.

Auch die Club-Profis schienen am Freitagabend nicht so recht zu wissen, was sie mit dem 1:1 beim FC St. Pauli anfangen sollten. 

Auch die Club-Profis schienen am Freitagabend nicht so recht zu wissen, was sie mit dem 1:1 beim FC St. Pauli anfangen sollten.  © Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr

Für den Club hingegen ist die Saison gelaufen. Der Tabellensechste verabschiedete sich am Samstagabend sozusagen daheim auf der Couch endgültig aus dem zunehmend dramatischen Aufstiegsrennen. Weil Darmstadt desolate Auer mit 6:0 in die 3. Liga schoss, beträgt Nürnbergs Rückstand auf den Relegationsrang (Bremen) sowie Platz zwei (Darmstadt) nun sechs Punkte. Zudem müsste der Club bei seinen finalen Auftritten in Kiel und gegen Schalke auch noch eine massiv schlechtere Tordifferenz pulverisieren sowie die beiden Hamburger Vereine (je 54 Punkte) überholen. Selbst für kühnste Hochrechnungskünstler eine Mission Impossible. Es ist: vorbei.

Zweckoptimismus verflogen

Geahnt hatten sie das natürlich schon nach dem 2:4 gegen Sandhausen, spätestens am Kiez war dann auch jeglicher Zweckoptimismus verflogen. Als „verschwindend gering“ hatte Torhüter Christian Mathenia die Restchance, sich doch noch irgendwie auf einen der vorderen Plätze zu mogeln, nach dem 1:1 eingestuft. Auch ein genervt wirkender Trainer Robert Klauß mochte keine prozentualen Wahrscheinlichkeiten mehr berechnen: „Gestiegen sind unsere Chancen sicherlich nicht.“

Letztlich war der faktische Klassenerhalt ja nur das Resultat einer Entwicklung, die sich angedeutet hatte. Aus den letzten sechs Partien holte der Club gerade mal einen Sieg (3:1 gegen Darmstadt), leistete sich aber Niederlagen in Heidenheim und gegen Sandhausen sowie ein unnötiges 1:1 gegen Dresden – Ausrutscher, die die prinzipiell respektablen Punktgewinne bei den direkten Konkurrenten Bremen und St. Pauli nicht aufwogen. Und insgesamt schlicht zu wenig, um ernsthaft Ansprüche anmelden zu können.

Weil sie das in Nürnberg im Wissen um das eigene Leistungsvermögen auch vor der Saison nicht getan hatten und erst spät und sehr dezent gewisse Ambitionen erahnen ließen, hält sich die Enttäuschung in Grenzen. Hinter das offiziell ausgegebene Ziel, ein Tabellenplatz zwischen fünf und acht, durfte bereits am 31. Spieltag ein Häkchen gemacht werden. Das Plansoll wurde brav erfüllt, der nächste kleine Entwicklungsschritt nach dem traumatischen Fast-Absturz in die 3. Liga und einem Jahr der sportlichen Stabilisierung als Elfter vollzogen. Alles prima also?

Etwas irritieren musste schon, wie seltsam verzagt und passiv der Club seine letzte Chance am Millerntor angegangen war. Er hatte nichts mehr zu verlieren, wollte aber offenbar auch nicht unbedingt gewinnen. Nach einer wilden Anfangsphase mit zwei reizvollen Chancen von Lukas Schleimer hatten sich die Gäste gegen eine B-Elf, der durch Sperren, Verletzungen und Corona gleich vier Stützen weggebrochen waren, fast ausschließlich auf das von Klauß verordnete Konzept mit Abwehr-Dreierkette und davor fünf eher defensiv orientierten Spielern verlassen.

Im Ballbesitz zu mutlos

Die wenigen erhofften Umschaltmomente verpufften, weil es ohne Kreativkraft Mats Möller Daehli (Wadenprobleme) an Präzision, Dynamik und Ideen mangelte und ganz vorne Schleimer und vor allem Pascal Köpke abgemeldet waren. „Ich hätte mir von meinen Jungs gewünscht, dass wir mit Ball etwas mutiger sind und mehr Lösungen nach vorne finden. Wir haben zu viel quer- und zurückgespielt“, räumte Klauß ein. Vielleicht, sinnierte der Trainer, habe seinen Profis aber auch die körperliche und geistige Frische gefehlt. Und wohl auch der Glaube an ein kleines Nürnberger Fußballwunder.

Erst als der Plan durch den von Asger Sörensen etwas tollpatschig verursachten und von Daniel-Kofi Kyereh souverän verwandelten Elfmeter (74.) zerstört worden war, erwachte der Club aus seiner Lethargie und wurde in der Nachspielzeit sogar noch durch Taylan Dumans Ausgleich belohnt. „Dann gibt es eine schlechte Flanke, eine schlechte Ablage und einen schlechten Abschluss – und das Ding ist drin“, kommentierte Schultz süffisant den Last-Minute-Nackenschlag und befand: „Wir haben heute 1:1 verloren.“ In Nürnberg durfte man das spätestens seit Samstagabend ähnlich sehen.

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