Zu wenig Initiative nach vorne

Löscharbeiter im Dauerstress: Club-Chef Schindler fordert mehr Mut

29.9.2021, 17:11 Uhr
Den Hamburger Ausgleichstreffer zum 2:2 konnte auch der zuverlässige Abwehrchef Christopher Schindler (2.v.l.) nicht mehr verhindern.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Den Hamburger Ausgleichstreffer zum 2:2 konnte auch der zuverlässige Abwehrchef Christopher Schindler (2.v.l.) nicht mehr verhindern.

„Klar ärgere ich mich da. Ich muss als Innenverteidiger aber irgendwann auch auf den Flankengeber und den Ball schauen. So wie ich dann stehe, ist es unmöglich zu verteidigen“, analysiert Schindler die Szene, die auch deshalb so bitter war, weil er bis dato hinten souverän abgeräumt hatte, umsichtig, unaufgeregt, notfalls auch mal rustikal. Wie eigentlich immer in dieser Saison.

Schindler ist, wie man so schön sagt, angekommen beim 1. FC Nürnberg; dass der Club bis zu diesem 2:2 in Hamburg mit nur fünf Gegentoren gemeinsam mit Heidenheim die beste Defensive der Liga stellte, war auch ein Verdienst des 31-Jährigen. Zwar hatte Schindler nach seiner langen Pause wegen einer schweren Knieverletzung anfangs noch etwas gebraucht, war dann aber nach dem Ausfall von Florian Hübner (Schulteroperation) ab dem dritten Spieltag auf Anhieb in die ihm zugedachte Rolle des Abwehrchefs geschlüpft.

„Chris ist sehr anerkannt in der Mannschaft, ein klarer Führungsspieler“, sagt Trainer Robert Klauß. Schindler sei aber „kein Lautsprecher“, sondern habe sich „sein Standing durch Leistung erarbeitet“. Und wohl auch durch seine selbstkritische, reflektierte und kluge Art. Es macht Spaß, mit Christopher Schindler über Fußball zu reden; man merkt, dass sich der gebürtige Münchner intensiv mit seinem Beruf beschäftigt. „Ich bin nie zufrieden mit mir“, sagt Schindler, jedes Spiel versuche er „sehr emotionslos und sachlich zu analysieren, um mich stetig zu verbessern“.

Derzeit sieht er sich noch in einer „Findungsphase“, gerade die Umstellung auf den deutschen Zweitliga-Fußball fällt bisweilen schwer. „In England haben wir brutal mannorientiert gespielt, das war relativ einfach: Du hattest eben deinen Stürmer, und den hast du nach Möglichkeit kaputtgemacht.“ In einer 2. Liga, in der sich im Vergleich zu Schindlers Zeit beim TSV 1860 München ein „sehr dynamischer Spielstil“ durchgesetzt habe, sei alles taktisch anspruchsvoller, erklärt Schindler: „Der Trainer macht doch ein paar Sachen, die ich so vorher noch nicht gesehen habe. Wenn dann die Automatismen da sind, hat man auch Energie für andere Sachen.“ Etwa zum Toreschießen, wie das Schindler bereits einmal beim 2:0 gegen Düsseldorf gelungen ist.

In Hamburg hingegen war der Defensivspezialist ganz mit seinem Kernjob ausgelastet. „Es gab relativ viel zu löschen“, sagt er mit Blick auf den „immensen Druck“, den die Gastgeber phasenweise aufgebaut hatten, und über 20 Flanken, die in den Strafraum segelten. „45 Minuten zu verteidigen, macht keinem auf dem Feld so wirklich Spaß. Es ist dann auch schwer, den Schalter wieder umzulegen“, gesteht der Routinier, der sich doch etwas mehr Entlastung und Spielkontrolle gewünscht hätte, „um mal durchschnaufen zu können.“

Gegen eine starke Mannschaft wie den HSV sei das diesmal sicher schwierig gewesen, wie Schindler einräumt. Generell aber neige man dazu, nach eigenen Toren „ein bisschen passiv zu werden und zu versuchen, es irgendwie über die Zeit zu bringen“. Was zuletzt in stets engen Heimspielen zwar gelang, weil der Club oft das Momentum auf seiner Seite hatte. Um sich dauerhaft oben festsetzen zu können, wird das aus Schindlers Sicht kaum reichen.

„Wir sind schwer zu schlagen, aber dabei darf es nicht bleiben“, mahnt Schindler: „Um Ansprüche stellen zu können, müssen wir selbst mehr die Initiative ergreifen, uns mit dem Ball mehr zutrauen und mutiger sein, ohne dabei die defensive Grundstruktur zu verlieren. Das ist die Kunst.“ Auch wenn gewiss nicht jeder Gegner einen Glatzel ins Getümmel schickt.


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