Abheben erlaubt? Behrens' Club blickt nach oben

2.10.2019, 05:55 Uhr
Wuchtig und wichtig: Zumindest in dieser Szene hob Hanno Behrens ab. Und platzierte das Leder an der Leine kernig in die Hannover-Kiste.

© Sportfoto Zink / DaMa Wuchtig und wichtig: Zumindest in dieser Szene hob Hanno Behrens ab. Und platzierte das Leder an der Leine kernig in die Hannover-Kiste.

Das 4:0 in Hannover gegen eine Mannschaft, die auf eine Trendwende oder mindestens den Befreiungsschlag sogar angewiesen war, nimmt man beim Club nicht zum Anlass, schon wieder abzuheben.

"Der Spielverlauf war sehr günstig, wenn man in der zweiten Minute in Führung geht . . .", sagte Club-Trainer Damir Canadi nach der Partie, die Nürnberg schon zur Halbzeitpause gewonnen hatte. Georg Margreitter war mit einem Kopfball die sehr frühe Führung geglückt, Hanno Behrens legte ebenso mit Köpfchen nach, und Robin Hack brach Hannovers Willen auf ein Comeback Sekunden vor dem Halbzeitpfiff endgültig. Danach standen nur noch die Fans der Niedersachsen im Mittelpunkt. Mit Pfiffen und Gesängen voller Ironie demontierten sie ihre in allen vier Heimspielen sieglose Mannschaft.

"Und es sind nur noch drei Punkte auf den Dritten" 

Hannover, mit Aufstiegsambitionen in die Saison gestartet, hatte den Stresstest der beiden Bundesliga-Absteiger klar verloren und ist nun sogar auf den 15. Tabellenplatz abgerutscht. "Es hätte in beide Richtungen gehen können, der Sieg war deshalb enorm wichtig für uns", wusste Nürnbergs Kapitän Hanno Behrens um die heikle Mission am Maschsee und wirkte sichtlich erleichtert: "In der Tabelle sind wir jetzt ordentlich geklettert, und es sind nur noch drei Punkte auf den Dritten."

 

Während man sich beim Club nun wieder nach oben im Tableau orientieren kann, herrschte in Hannover pure Tristesse. "Das ist ein absoluter Albtraum", klagte Mirko Slomka. Der 96-Coach war von seinem Team bitter enttäuscht und muss nun um seinen Job bangen. Canadi hat seine Position in Nürnberg nach aufkommender Kritik hingegen wieder gefestigt und darf nach diesem fulminanten Sieg die zuletzt wenig gewürdigte Unbesiegt-Serie (drei Remis und ein Sieg) wieder selbstbewusster und stolz hervorheben. "Jetzt sind wir seit fünf Spielen ungeschlagen. Das ist so schlecht nicht."

Erfolgreicher Stresstest 

Doch weil auch noch nicht alles gut ist, will der Trainer weder von einer Trendwende sprechen noch das zu hoch ausgefallene Ergebnis in seiner Analyse überhöhen: "Wir waren vorher nicht zu Tode betrübt und werden jetzt auch nicht überschwenglich sein." Vollumfänglich zufrieden machte immerhin die Art und Weise, wie sich seine Mannschaft präsentiert hatte: "Entscheidend war, dass sie auch unter diesem Druck so eine Leistung abruft, sie war gut organisiert und hatte keinen Stress."

Für Margreitter war es sogar "das perfekte Auswärtsspiel". Die Taktik, den Gegner kommen zu lassen, und aus einer stabilen Deckung Nadelstiche zu setzen, ging sensationell gut auf. "So in ein Spiel zu gehen ist sicherlich keine Schande, auch wenn die Statistik vielleicht grausam ausschaut, aber das interessiert jetzt keinen mehr", sah der Vorarlberger in einem Ballbesitzanteil von laut "kicker"-Statistik lediglich 23 Prozent nichts Verwerfliches. Das Ergebnis rechtfertigt nun mal die eingesetzten Mittel. Auch der 30-Jährige ordnete den überdeutlichen Erfolg realistisch ein. "Wir wissen, dass wir Hannover nicht an die Wand gespielt haben, auch wenn das Ergebnis anders aussieht."

Wie es sich für einen Vollblut-Abwehrspieler gehört, fand Margreitter neben den vier Toren, zu denen er zum ersten Mal in seiner Profi-Karriere in einem Spiel gleich zwei beigetragen hatte, insbesondere im "zu null" Genugtuung. "Die Energie und das Kämpferherz", das er und seine Kollegen ausgepackt hatten, seien nicht nur die Grundlage für einen Episodensieg, sondern für eine erfolgreiche Saison. "Christian (Mathenia, Anm. d. Red.) hat fast nichts zu halten gehabt. Das war wirklich sinnbildlich, dass wir die letzten Bälle auch noch geblockt haben. Die kämpferische Leistung war unser Faustpfand. Wenn wir das auf den Platz bringen, kommt das andere von alleine." Er hofft, dass diese Einstellung auch am Sonntag zu Hause gegen den FC St. Pauli wieder auf den Platz zu sehen sein wird.

"Wir wissen, dass es noch nicht reicht"

Vielleicht erlebt Canadi dann ja seinen bislang schönsten Tag als Club-Trainer. In Hannover wollte der Österreicher trotz des höchsten Saisonsiegs noch nicht zu den Superlativen greifen. "Es ist eine tolle Mannschaft. Sie ist sehr selbstkritisch und intelligent. Deshalb macht es mir jeden Tag sehr viel Spaß, mit ihr zu arbeiten." Und von der allgemeinen Aufgeregtheit, die den Verein in guten wie in schlechten Zeiten umgibt, lässt sich der 49-Jährige auch nicht anstecken. "Die Dinge habe ich relativ schnell gelernt: Der Club is a Depp. Alles gut. Wir wissen, dass es noch nicht reicht, ganz oben mit dabei zu sein. Aber es ist unser Ziel, über die nächsten zwei Jahre die Mannschaft dahin zu entwickeln." Die Trendwende will man sich beim Club eben erst noch nachhaltig verdienen. 

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