Aufatmen, nicht zurücklehnen: FCN weiterhin gefordert

18.6.2020, 05:56 Uhr
Der 1. FC Nürnberg feiert 6:0-Kantersieg über Wehen Wiesbaden: Erst nach Sörensens 4:0 spürte man Erleichterung.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Der 1. FC Nürnberg feiert 6:0-Kantersieg über Wehen Wiesbaden: Erst nach Sörensens 4:0 spürte man Erleichterung.

So ein verblüffendes Ergebnis wie am Dienstagabend wirft natürlich viele Fragen auf, zum Beispiel: Warum erst jetzt? Kann dieser 1. FC Nürnberg vielleicht doch etwas? Und ist das 6:0 von Wiesbaden eventuell sogar gefährlich?


Hack und das Club-Credo: "Wir dürfen nicht nachlassen"


Einige davon beantwortete Jens Keller gleich während der sogenannten Pressekonferenz. Man sah auf der Anzeigetafel des Wiesbadener Stadions einen unbeschreiblich erleichterten Fußball-Trainer, der sich allerdings mehr nach innen freute und für seine Mannschaft. Keller hatte sich nach dem Derby ja einiges anhören müssen, wollte den klaren Erfolg beim Tabellen-Vorletzten aber nicht in eigener Sache verwenden und erst recht nicht gegen seine Kritiker. Nicht jetzt.

FCN: Abstieg auf direktem Weg abgewendet?

Wie sehr ihm die vergangenen Tage zugesetzt hatten, spürte man unmittelbar nach dem Schlusspfiff. Ausgedehnte, innige Umarmungen mit dem halben Club legten nahe, wie immens der Druck gewesen sein muss, der nicht zuletzt auf Kellers breiten Schultern lastete. Noch eine Niederlage, und der 1. FC Nürnberg wäre binnen 13 Monaten ziemlich sicher zum zweiten Mal abgestiegen. Was nach wie vor möglich ist, aber zumindest auf direktem Weg nicht mehr besonders wahrscheinlich. Der SV Wehen Wiesbaden auf Rang 17 hat zwei Runden vor Schluss fünf Punkte weniger als der Club, der Karlsruher SC auf Relegationsrang 16 seit gestern Abend und der 1:2-Niederlage in Regensburg wieder drei.

Dass jetzt selbst das Torverhältnis für Nürnberg spricht, konnte aber wirklich niemand ahnen, auch Keller nicht. Erst nach Sörensens 4:0 und nach knapp einer Stunde beschlich ihn am Dienstagabend erstmals jenes richtig gute Gefühl, nach dem sie sich in letzter Zeit so gesehnt hatten, aber lediglich den ernüchternden Kontrast zu spüren bekamen.

Nur nah dran zu sein reicht eben nicht, wobei es auch in Wiesbaden anders hätte laufen können. In der ersten halben Stunde benötigten die Gäste wie bei Güls Kopfball an den Pfosten auch etwas Glück, um nach Hacks Führungstreffer (7.) nicht gleich wieder panisch zu werden. Den denkwürdigen Stresstest hat der Club nicht nur dank seiner Effizienz im gegnerischen Strafraum bestanden, auch auf den Defensivverbund war diesmal Verlass. In, wie es der hinterher heisere Aufsichtsratschef formulierte, "einem der wichtigsten Spiele in den letzten zehn Jahren".

Kampfansage vom SVWW: "Es ist noch nicht vorbei"

Dass in nächster Zeit noch mindestens zwei, inklusive Relegation vielleicht sogar vier mindestens genauso wichtige Spiele bevorstehen, ließ auch die Falten auf Thomas Grethleins Stirn wieder etwas tiefer werden; "wir sollten das nicht überbewerten", sagte er noch auf der Haupttribüne, "aber das heute hat schon Hoffnung gemacht", insbesondere die Art und Weise. "Uns haben doch alle prophezeit: Die werden euch zeigen, wie Abstiegskampf geht."

Als die Angst vorm Verlieren allmählich besiegt war, wuchs beinahe minütlich die Lust aufs Gewinnen. Heraus kam sogar schöner Fußball, wenngleich der SV Wehen spätestens nach dem 0:4 regelrecht auseinanderflog. Aufgeben werden sie trotzdem nicht, "es ist noch nicht vorbei", sagte Trainer Rüdiger Rehm, Kollege Keller sieht es sehr ähnlich und wohl auch jeder seiner Profis.


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Asger Sörensen etwa, nur wegen Mavropanos‘ muskulärer Beschwerden in die Startelf gerutscht, mahnte umgehend zur Vorsicht. "Wir haben sehr gut dagegengehalten, alles reingehauen und uns heute mal dafür belohnt", sagte der in Wiesbaden zweifache Torschütze und mit insgesamt sechs Treffern mittlerweile zweitbeste seines Clubs hinter Robin Hack (zehn). "Aber wir wissen auch, dass es noch weitergeht." Zunächst am Sonntag gegen Stuttgart und eine Woche später in Kiel.

Trotzdem hörte man selbst in der Kabine noch Schreie, sie kosteten den ersten Sieg seit Ende Februar richtig aus. Die Frage nach möglichen Risiken und Nebenwirkungen des 6:0 kommentierte lediglich der eine oder andere Wiesbadener Journalist mit Gelächter. Die passende Antwort gab der Aufsichtsratsvorsitzende: "Wir stehen immer noch mit dem Rücken zur Wand", sagte Thomas Grethlein. Jetzt aber immerhin ein paar Zentimeter davon entfernt.


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