Finale! Hier bereitet sich der Club auf die Relegation vor

3.7.2020, 06:00 Uhr
Finale! Hier bereitet sich der Club auf die Relegation vor

© Foto: Thomas Hahn/Zink

Es ist die traurigste Saison in der Vereinsgeschichte des 1.FC Nürnberg und wahrscheinlich auch die längste, die es je gab – wofür der Club aber (fast) nichts kann, die Corona-Pandemie lähmte den Fußball für drei Monate. Wie gelähmt kam allerdings besonders das Team des Altmeisters zurück – und traktiert seinen leidgeprüften Anhang nun schon seit exakt einem Jahr und zwölf Tagen mit bleischwerem, verzagtem Fußball.

Begonnen hatte alles am 21. Juni 2019 mit dem Auftakttraining – vor rund 2000 Zuschauern, nicht nur Neuzugang Oliver Sorg war begeistert von einem beinahe euphorischen Empfang für den gerade aus der Bundesliga abgestiegenen Club. "Ein geiler Traditionsverein mit Super-Fans", das war Sorgs erster Eindruck; "ich bin hierher gekommen, um aufzusteigen", erklärte der Trainer Damir Canadi.

 

 

Am Rückzugsort der Pokalsieger

Canadi war bald Vergangenheit, die Aufbruchstimmung auch, Sorg ist einer von vielen Neuzugängen, die bisher keine Spuren hinterließen, und selbst die Super-Fans sind längst unsichtbar, wiederum pandemiebedingt. Seit gestern ist sogar der ganze Club verschwunden – zumindest aus Nürnberg, der Tross des Zweitliga-Drittletzten bezog Quartier in der zu Neustadt an der Donau gehörenden Kurgemeinde Bad Gögging.

Es ist ein bekannter, wiederholt aufgesuchter Nürnberger Rückzugsort, vor 13 Jahren bereitete Hans Meyer die angehenden DFB-Pokalsieger in Bad Gögging auf den größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte vor, diesmal geht es im Grunde sogar um noch mehr. Im Nachspiel, der Relegation gegen den Drittliga-Dritten, kann der Noch-Zweitligist das verhindern, was wie ein grotesk stimmiger Abschluss dieses langen Leidensjahres aussehen würde: den Abstieg in die Dritte Liga, mit noch unkalkulierbaren Folgen vielleicht über Jahre hinaus.

Nürnbergs Profis machen deshalb – wenn auch auf spezielle Weise – nichts anderes als Hunderte Kur- und Rehagäste auch, sie arbeiten ein kleines Trauma auf und suchen Kraftquellen für die Schritte zur Genesung, die die Fußballer mit den beiden Spielen am Dienstag in Nürnberg und am Samstag tun können. Cheftherapeut der Gruppe ist Michael Wiesinger, der als Elf-Tage-Trainer die Mission leitet, sehr leidenschaftlich und sehr kampfeslustig – das wenigstens ist der Eindruck, den Wiesinger bisher, auch gestern im telefonischen Mediengespräch wieder, hinterlässt.

"Felsenfest überzeugt", sagt er, sei er vom Gelingen des Kommandos, er wiederholt das mehrmals in Variationen, gern gibt Wiesinger, wie zum Beleg seiner Zuversicht, sogar Einblick in die Trainerkabine, "hey, wir schaffen das", so, sagt er, klingt es, wenn er sich mit seinem Assistenten Marek Mintal auf die Einheiten vorbereitet. Der Eindruck, der Nothelfer versprühe in gut einer halben Stunde am Telefon mehr Lust auf Fußball als Jens Keller, sein stoisch leidender Vorgänger, in den sieben Monaten zuvor, drängt sich beinahe auf, aber man darf Wiesinger auch nicht missverstehen.

Natürlich weiß er um die Dimension der Aufgabe, dem Herausforderer – fünf Mannschaften kommen noch in Frage – wird er mit dem gebotenen Respekt begegnen. Aber nebst der fußballerischen Vorbereitung geht es Wiesinger vor allem darum, die über Monate gewachsenen Hemmungen aufzulösen.


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Kerk vorerst ausgemustert

"Die Gemeinschaft weiter fördern" will er an der Donau, die Spieler "an der Ehre packen, in ihre Herzen rein", wie Wiesinger sagt, "das geht nur über Kommunikation". Eine "Hauptstärke", sagt er über sich selbst, sei es, "gewisse Momente dafür zu erkennen", Momente, die, das überlegt Wiesinger, vielleicht zu kurz kamen in den Wochen des von der Pandemie eingeschränkten Miteinanders. Herauskommen soll ein Team, das die Angelegenheit "mit Euphorie" angeht, mit dem "Gedanken, dass es geil ist, alles in eine positive Richtung zu bringen" (Wiesinger).


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Daheim bleiben mussten der angeschlagene Felix Lohkemper und Sebastian Kerk, für den Wiesinger vorerst keine Verwendung sieht. Alle anderen dürfen sich neu empfehlen, "große Experimente", sagt Wiesinger, seien aber nicht zu erwarten, und über allem steht natürlich das Ergebnis. Was, vor einen Jahr und zwölf Tagen, mit so großer Vorfreude begann, soll wenigstens mit einem ganz kleinen Glück enden.

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