Ice-Tigers-Chef Gastner: "Im besten Fall 3000 Zuschauer"

4.9.2020, 11:02 Uhr
Wolfgang Gastner hofft auf die Politik.

© Sportfoto Zink / ThHa, NN Wolfgang Gastner hofft auf die Politik.

Haben Sie die Telefonnummer von Horst Seehofer, Herr Gastner?

Wolfgang Gastner: Nein.

Aber offenbar hat ihn jemand aus der Deutschen Eishockey Liga angerufen. Oder wie erklären Sie sich, dass der Bundesinnenminister sein Herz für das Eishockey entdeckt hat?

Gastner: Vielleicht hat er meinen Brief an Markus Söder gelesen. In den letzten Wochen habe ich mich mit allen Politikern getroffen, ob Landtag oder Bundestag, mit CSU-, SPD- und Grünen-Politikern, mit allen. Mir fehlt nur Markus Söder, aber dem habe ich einen Brief geschrieben und um einen Termin gebeten.


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Was würden Sie dem Ministerpräsidenten erzählen?

Gastner: Mir geht es darum, die Politik zu sensibilisieren. Am Anfang wollten wir nicht jammern. Wir sind Luxus, Brot und Spiele. Die Wirtschaft ist wichtiger. Das hat sich nicht geändert. Aber wenn du ein Berufsverbot bekommst, dann brauchst du Unterstützung. Es geht um Existenzen und es geht auch um Steuerzahlungen, die jahrelang geleistet wurden und die hoffentlich auch noch viele Jahre an den Staat geleistet werden. Wenn ich das dem Ministerpräsidenten nicht erkläre, dann wird er sich darüber keine Gedanken machen. Er muss verstehen, um was es hier geht, welche Lücke hier zu füllen ist. Ich mag den 1. FC Nürnberg, wir haben eine enge Beziehung, aber der Club erhält Millionen an TV-Geldern. Die haben wir nicht. Wir sind auf unseren Hauptsponsor, regionale Sponsoren und Zuschauer angewiesen.

Politiker wissen das nicht, weil sie auch diesen Zeitungsartikel in der Regel nicht lesen. Die müssen es hören. Und ich glaube, sie haben es verstanden. Wir wollen alle nur überleben und nach Corona – wobei die Frage ist, ob es ein Danach geben wird – normal weitermachen. Vielleicht hat Horst Seehofer das kapiert. Zumindest wurde das Konjunkturpaket auf den Weg gebracht.

Haben die Ice Tigers ihre 800.000 Euro schon überwiesen bekommen?

Gastner: Nein. Wann das Geld eintreffen soll ist noch nicht klar und wir reden da im übrigen zunächst einmal von einer Deckelung auf 800.000 Euro. Ich stehe im Kontakt mit einem Politiker, der im Sportausschuss des Bundestags sitzt und lange war nicht klar, wie die Parameter für diese Hilfe aussehen. Erst gestern haben wir die umfangreichen Richtlinien für die Billigung erhalten. Wir werden diese schnellstmöglich bearbeiten, beantragen und hoffen dann auf eine schnelle Überweisung.

Aber Sie sensibilisieren die Politiker nicht nur. Sie bitten doch auch. Um was?

Gastner: Die Politik hat beste Kontakte zu großen Unternehmen. Ich bitte höflich, dass diese Kontakte dazu genutzt werden, dass Unternehmen, denen es gut geht, uns helfen. Wenn ich da keine Chance habe zu landen, weil da niemand ist, der Eishockey-affin ist, dann hat sie vielleicht Oberbürgermeister Marcus König.

Da geht es darum, dass wirtschaftliche Überleben sichern. Normalerweise sichern das Sponsoren und Zuschauer.

Gastner: Ja, ungefähr zu gleichen Teilen – zumindest in Nürnberg.

Aber welche Hilfe erwarten sich die Ice Tigers im Bezug auf die unübersichtliche Zuschauersituation? Gehen Sie davon aus, dass die Ice Tigers am 13. November in die Saison starten können?

Gastner: Davon gehen wir aus, ja. In einem best-case-Szenario spielen wir ab 13.11. vor Zuschauern. Das wollen wir in Nürnberg. Wir sind aber nicht alleine in der DEL. Im besten Fall, auch wenn das noch nicht in trockenen Tüchern, werden wir 3.000 Zuschauer zulassen können. Das ist aber mit viel mehr Kosten für uns verbunden. Ich wage zu bezweifeln, dass man an einem solchen Spieltag Geld einnehmen kann. Das heißt, wir machen Miese – mit jedem Heimspiel.

Wir wollen aber spielen, weil wir nicht von der Eisfläche verschwinden wollen. Die 13 anderen DEL-Klubs haben aber 13 Mal andere Bedingungen. Der Föderalismus macht es auch der DEL nicht leicht: Es gibt fünf Mannschaften, die sich an die Vorgaben in Bayern halten müssen. In anderen Bundesländern sind die Vorgaben nicht so streng. Schon allein deshalb muss die Politik wieder Zuschauer zulassen – unter Einhaltung höchster Sicherheitsstandards: Desinfektionsstationen, Mund-Nasen-Schutz, personenbezogene Daten von jedem Zuschauer, Einbahnstraßen, kein Buffet.


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Ein Hygienekonzept aber muss doch auf jede einzelne der 14 Eishallen angepasst werden. Gibt es ein solches schon für die Arena Nürnberger Versicherung?

Gastner: Ja, das erstellen wir gerade final. Im besten Fall sitzen zehn Menschen nebeneinander, 1,50 Meter Abstand links, rechts, vorne und hinten. Dann schaffen wir es ohne Stehplätze auf 3.000 Zuschauer. Im schlechtesten Fall sitzen zwei Menschen oder nur Familien nebeneinander. Das wäre alles mit eventim, unserem Ticket-Dienstleister, irgendwie umsetzbar. Trotzdem wird es Problemfälle geben, weil ein Dauerkarten-Besitzer zwar auf seinem gewünschten Platz x in Reihe y sitzen kann, ein anderer aber nicht. Das wird bei VIP-Kunden nicht anders sein, die viel dafür bezahlen, genau dort sitzen zu dürfen. Daran arbeiten wir zusammen mit dem Gesundheitsamt – auch heute wieder. Was aber dann noch nicht geklärt ist: Wer übernimmt die Verantwortung? Wer haftet? Ich? Unser Mannschaftsarzt? Das Gesundheitsamt?


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Ganz schwierige Frage, weil es dabei nur um Ihr Gefühl geht: Glauben Sie denn, dass 3.000 Menschen kommen, weil 3.000 Menschen kommen dürfen?

Gastner: Das ist wirklich schwierig. Ich glaube, dass 3.000 kommen, weil jeder heiß darauf ist. Aber in Leipzig wurden 4.000 Menschen für einen Test bei einem Tim-Bendzko-Konzert gesucht, gefunden hat man 2.000.

Was vielleicht an Tim Bendzko liegt.

Gastner: Vielleicht. Mein Gefühl sagt mir aber sogar, dass wir bei den ersten Spielen regelmäßig 5.000, 6.000 Zuschauer hätten.

Sie haben also weiterhin viele Perspektiven – aber keine feste. Was muss konkret passieren, damit die DEL die Sicherheit hat, loslegen zu können?

Gastner: Entweder wir spielen Geisterspiele und der Staat – ob Land oder Bund – kommt für die Lücke auf. Oder es werden wieder Zuschauer zugelassen und zwar allerspätestens im Januar. November, Dezember könnten wir mit Hilfe des Konjunkturpakets ohne Fans überbrücken. In Nürnberg. In größeren Arenen könnte das schwieriger sein. Aber auch in Nürnberg bräuchten wir, wenn wir Mitte Oktober mit dem Training anfangen, die 100-prozentige Gewissheit, dass wir im Januar vor maximalen Zuschauern spielen dürfen.

Aber noch einmal: Die Ice Tigers würden aber auch eine Saison mit 3.000 Zuschauern im Schnitt überleben?

Gastner: Wir würden die Saison mit 3.000 Zuschauern im Schnitt überstehen – mit Ach und Krach.


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In den Eishockey News wurden Sie genau mit dieser Aussage zitiert, aber nicht mehr als Geschäftsführer, sondern als Mehrheitseigner. Inwiefern sich die Gesellschafterstruktur nach dem Rückzug von Thomas Sabo geändert hat, hat der Klub aber noch nicht kommuniziert.

Gastner: Stand heute gibt es zwei Gesellschafter bei den Ice Tigers. Kürzlich habe ich in einem Buch einen Satz gelesen, der genau so zutrifft: Eishockey ist irgendwann nicht mehr Teil deines Lebens, es bestimmt dein Leben. Und wenn das so ist, willst du sagen, dann mache ich das für meine Ice Tigers. Als Geschäftsführer kann man das behaupten, de facto ist es nicht der Fall. Deshalb habe ich die Mehrheitsanteile übernommen. In Zukunft können wir uns breiter aufstellen, dafür gibt es Kandidaten. Aber im Moment, will ich, wenn man in der Spitze 80 Stunden arbeitet, das für meine Ice Tigers machen.

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