Taktiktafel: Club-Gegner Kiel im Quarantäne-Stress

27.4.2021, 05:47 Uhr
Im Hinspiel verlor der Club nach hartem Kampf mit 0:1 bei Holstein Kiel.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Im Hinspiel verlor der Club nach hartem Kampf mit 0:1 bei Holstein Kiel.

Wie war das Hinspiel?

Lange hielt der FCN das 0:0, dann erzielte Fin Bartels ein Traumtor und Holstein gewann. Das Problem des FCN war, wie oft in dieser Saison, die Offensive. Der Club schaffte es fast gar nicht, in gefährliche Räume zu kommen. Das manifestierte sich zum einen darin, dass Nürnberg über 90 Minuten nur auf sieben Schüsse in Richtung Tor kam. Der einzige aufs Tor wurde in der Nachspielzeit vom eingewechselten Behrens abgegeben. Zum anderen schaffte der Club es kaum, Zweikämpfe im eigenen Angriffsdrittel zu führen und wenn er sie führte, verlor er sie sehr häufig.

Außerdem hatte der Club ein Kopfballproblem. Während der FCN vor der Pause fast alle Duelle gewann, verlor er nach der Pause fast alle. Das war insofern erstaunlich, da Kiel die kopfballschwächste Mannschaft der Liga war – und auch weiter ist. Aber die Tatsache, dass der Club nach der Pause wenig Kopfballduelle im Übergang von Mittelfeld zu eigenem Angriffsdrittel gewann, war einer der Faktoren, warum man dann keine Entlastung mehr zustande brachte und Kiel am Ende doch gewinnen konnte.

Was ist seitdem passiert?

Tabellenführer ist Kiel nicht mehr. Durch zwei vierzehntägige Quarantänen bedingt hat Holstein bis zu vier Spiele weniger als die Konkurrenz. Zwischen 9.3. und 24.4. bestritt Holstein lediglich zwei Spiele (Niederlagen gegen Bochum und Heidenheim) und kehrte am Samstag mit einem 3:1 gegen Osnabrück in den Spielbetrieb zurück. Es ist insgesamt schwer einzuordnen, welche Spuren die erneute Pause bei den Störchen hinterlassen hat, auch weil mit Osnabrück ein erschreckend schwacher Gegner auf die Kieler wartete.

Zuvor bestach das Team von Ole Werner durch einen spielstarken Ansatz, der über viele kurze Pässe funktionierte und dadurch für eigene Dominanz sorgen sollte. Kein Team in der zweiten Liga hielt den Ball im Schnitt pro eigener Ballbesitzphase länger in den eigenen Reihen als Kiel, hatte mehr Ballbesitzphasen, die über 45 Sekunden dauerten und spielte so viele Pässe wie die Störche. Damit entdeckt man schon ein weiteres Kennzeichen der Kieler Spielweise: Geduld.

Darüber hinaus stellen die Kieler, selbst wenn man die deutlich geringere Anzahl der Spiele einberechnet, die beste Abwehr des deutschen Unterhauses. Kiel ist der einzige Zweitligist, der weniger Tore kassiert als er Spiele bestritten hat. Zugleich ist Holstein auch der Zweitligist, dessen Gegner die Schüsse mit der geringsten Abschlussqualität haben.

So wie dem FCN im Hinspiel erging es vielen Kontrahenten der Störche: Sie bekamen ihre Schüsse nicht aufs Tor. Nicht einmal 28 Prozent der Versuche in Richtung Kieler Tor gingen auch tatsächlich aufs Tor. Der Mittelwert in der Liga liegt bei 38 Prozent. Kiel schafft es also dadurch, dass es den Gegner durch kompakte Abwehrarbeit zu Fernschüssen und Abschlüssen aus schlechten Positionen zwingt, die Gefahr für sein Tor zu minimieren.

Wie kann man sie knacken?

In der Luft. Offensiv wie defensiv tut sich Holstein Kiel schwer, Kopfballduelle zu gewinnen. Das mündet nicht unbedingt in vielen Kopfballgegentoren, aber gerade im Aufbau ist es eine Schwäche der Störche. Da beim Club aber in der Offensive die kopfballstarken Akteure nach dem Ausfall von Manuel Schäffler rar gesät sind, dürfte dieser Weg, jenseits von Standards, verbaut sein. Da Holstein sechs seiner nur 25 Gegentore, also fast ein Viertel, nach Standards kassiert hat, kann der Club hier zumindest ansetzen.

Auffällig in den zwei Spielen zwischen den Quarantänen der Kieler war, dass sie immer dann Probleme hatten, wenn sie früh gestört wurden oder mit Tempo antworten mussten. Sowohl Heidenheim als auch Bochum gewannen ihre Spiele auch, weil sie die Kieler Abwehr mit Tempoläufen beschäftigten und schnell ins Umschaltspiel fanden. Hier könnte auf Grund der Struktur des Nürnberger Kaders und der Spielweise der letzten Wochen tatsächlich ein Angriffspunkt liegen.

Auf wen muss der Club aufpassen?

Während Kreativität und Torgefahr von Jae-Sung Lee inzwischen so bekannt sind, dass der Südkoreaner sich gerüchteweise Richtung Bundesliga verändern wird, ist Fin Bartels am Ende seines Wegs als Profi angekommen. Doch mit 34 Jahren blüht der ehemalige Bremer bei seinem Jugendverein wieder auf - und das nicht nur als Torschütze, wie im Hinspiel gegen den FCN, sondern auch als Vorbereiter. Nimmt man die insgesamt neun Strafstöße der Störche aus der Wertung, von denen Alexander Mühling acht und Janni Serra einen verwandelt hat, so ist Bartels der Kieler mit den meisten Scorerpunkten: Fünf Tore und fünf Assists aus dem Spiel.

Die Assists entstehen meist daher, dass Bartels vom linken Flügel im 4-1-4-1 aus, immer wieder gefährliche Pässe spielt. Er ist bei den kreativen Pässen sogar der beste im Team von Ole Werner. Die andere Stärke Bartels ist, dass er wie kaum ein anderer in der Lage ist, den Ball noch tief in der gegnerischen Hälfte zu erobern. Bartels spielt also sowohl in der Vorwärts- wie auch in der Rückwärtsbewegung eine essenzielle Rolle bei Holstein Kiel.

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