Plötzlich ohne Konto: Commerzbank kündigt Nürnbergerinnen ohne Grund

19.4.2021, 06:00 Uhr
Aus heiterem Himmel erhält die Nürnbergerin die Kündigung der Commerzbank. Ähnliche Fälle gibt es bundesweit.

© Frank Rumpenhorst/dpa, NNZ Aus heiterem Himmel erhält die Nürnbergerin die Kündigung der Commerzbank. Ähnliche Fälle gibt es bundesweit.

Schon seit etlichen Jahren ist Christine Shevchenko (Name geändert) Kundin der Commerzbank. Probleme gab es nie - bis jetzt: "Als ich Mitte März in einem Supermarkt stand, funktionierte plötzlich meine Karte nicht mehr", erzählt sie. Zuhause kontaktierte sie sofort die Hotline der Bank und erfuhr von ihrer Sachbearbeiterin: Ihr Konto ist gekündigt.

Tatsächlich erhält sie nur kurz darauf einen Brief. In dem erklärt die Bank, dass sie ihr Konto Ende Mai kündigen wird. Ein solcher Schritt stehe dem Geldhaus laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu. Eine Begründung für den Vorgang bleibt aus, auch als Shevchenko bei der Bank persönlich nachfragt.

Kundin nicht rentabel genug?

Ähnlich bedeckt hält die Bank auch auf Nachfrage unserer Zeitung. Ein Sprecher teilt lediglich mit: "Für die Beendigung einer Kundenbeziehung gibt es diverse Gründe. Der Bankkunde als auch die Commerzbank selbst haben die Möglichkeit, den Vertrag über das Girokonto zu beenden." Bei einer Kündigung auf der Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Ziffer 19, Absatz 1) sei die Bank zudem nicht verpflichtet, einen Grund zu nennen. "Von dieser Möglichkeit machen wir aber nur aus sehr wichtigen Gründen Gebrauch." Welche das sein können, dazu äußert sich der Sprecher nicht.

"Ich war wirklich baff und hab mich auch richtig schlecht gefühlt", beschreibt es die 50-jährige Nürnbergerin, "weil mir auch niemand sagte, was ich denn falsch gemacht haben soll". Einen Kredit oder Geldanlagen hat sie bei der Bank nicht, lediglich ein Girokonto. "Ich war zu dem Zeitpunkt rund 100 Euro im Minus. Mein Dispo liegt aber bei über 4000 Euro und mein Gehalt wäre in wenigen Tagen gekommen. Also es ging auch immer regelmäßig Geld ein."

Dennoch ist die Commerzbank in dem Fall vollkommen im Recht. Weder Verbraucher noch Banken müssen einen Grund für eine Kündigung angeben. Dass Geldhäuser Kunden allerdings von sich aus kündigen, kommt insgesamt nicht so häufig vor, so die Finanzjuristin bei der Verbraucherzentrale Bayern, Sibylle Miller-Trach. "Wenn dann sind es aber meist Privatbanken, wie beispielsweise die Commerzbank, und nicht VR Banken oder Sparkassen." Letztere hätten hier sowieso eine Hürde mehr: "Als Anstalten des öffentlichen Rechts brauchen Sparkassen für die Kündigungen einen sachgerechten Grund und müssen den auf Nachfrage der Kunden auch nennen", erklärt Miller-Trach.


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Warum die Commerzbank das Konto von Shevchenko gekündigt hat (die entsprechenden Unterlagen liegen der Redaktion vor), darüber kann die Verbraucherschützerin nur spekulieren: "Der Hauptgrund für solche Kündigungen ist meistens, dass die betroffenen Kunden nicht rentabel genug sind." Generell würden die Banken allein mit Girokonten nichts am Kunden verdienen, sondern erst mit Geldanlagen. "Hat man solche, wird mit Sicherheit nicht so schnell eine Kündigung ausgesprochen." Es sei denn es gibt einen Gesetzesverstoß. Hat eine Bank zum Beispiel den Verdacht, dass Geldwäsche betrieben wird, muss sie dem nachgehen - und kann die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden auch fristlos beenden.

Mehr Fälle bekannt

Bei einer Kündigung ohne solchen Grund - wie bei Shevchenko - muss die Bank ihren Kunden dagegen zwei Monate Zeit für den Wechsel geben. Warum bei der Nürnbergerin bereits zuvor die Bankkarte nicht mehr funktionierte, kann sich die Verbraucherschützerin nicht erklären. Rechtlich gesehen, ist das eigentlich nicht erlaubt. Die Commerzbank selbst schreibt dazu: "Kartensperren sind vor Erreichen des Kündigungstermins nicht vorgesehen. Hier müsste der Einzelfall angesehen werden." Dass sie keine Auskunft bekommt, ärgert Shevchenko am meisten: "Es ging schlicht nichts mehr; auch Zahlungen wurden von der Bank einfach ablehnt. Wissen Sie wie peinlich sowas ist? Und trotzdem habe ich bei der Commerzbank keine Auskunft bekommen."

Die Frankfurter Bank selbst steckt seit Monaten in der Krise. Das Minus aus dem abgelaufenen Geschäftsjahr summiert sich nach vorläufigen Zahlen auf 2,9 Milliarden Euro. Die Sparpläne der Bank sehen vor, bundesweit rund 10.000 Vollzeitstellen und rund die Hälfte der bisher 790 Filialen zu streichen. Zuletzt hatte die Bank noch 36.600 Arbeitsplätze.


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Shevchenko hat die Bank mittlerweile vor Ablauf der Frist verlassen. Besonders unerfreulich für sie: Nur wenige Tage nach ihr erhielt auch ihre Lebensgefährtin die Kündigung. Zudem bestätigt Verbraucherschützerin Miller-Trach, dass sich an die Zentrale in Bayern ebenfalls Betroffene gewandt hätten. Laut Berichten von Focus Online sowie von Zeitungen in Köln und Bremen kam es dort zu ähnlichen Fällen - Gründe wurden auch hier nicht genannt. Teilweise wurden die Karten ebenfalls vor Fristende gesperrt.

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