03. September 1962: Wiener Walzer aufs Eis gelegt

3.9.2012, 06:57 Uhr
03. September 1962:  Wiener Walzer aufs Eis gelegt

© Gerardi, Ulrich

Die Wiener Gäste hatten sich ein spannendes Programm ausgedacht. Im ersten Teil, der „Fiesta“, versucht eine reiche und etwas überspannte Amerikanerin nacheinander einem Maler, einem Sänger und einem Torero zu Ruhm zu verhelfen. Das gibt Anlaß zu farbenprächtigen Szenen, bei denen das Ballett der 26 hübschen Damen abwechselnd spanisch, venezianisch und im Rokokokostüm auftritt. Wie die Seiten eines Buches blättern dazu im Hintergrund die Dekorationen um.

Ballett in kleinen Gondeln

Der Kampanile erscheint, das Ballett schwingt in kleinen Gondeln über die glitzernden Flächen – dann wechselt die Szenerie zu Kerzenschein und Mozarts Musik tanzen Hofdamen und Pagen feierlich ein Menuett. Als der Sänger sich schon als künftiger Caruso träumt, wird die „große Oper“ parodiert, Lohengrin kämpft gegen Rigoletto, Aida und Madame Butterfly liegen sich in den Haaren. In kunterbunter Folge wechseln die Szenen, die Kostüme und die Farben. Sportlich und technisch läuft alles wie am Schnürchen.

03. September 1962:  Wiener Walzer aufs Eis gelegt

© Gerardi, Ulrich

Die Bögen, Sprünge und Pirouetten der Stars sind exakt und voller Schwung, oft wagt man bei den gefährlichen Wirbeln kaum, durch Beifall zu stören. Das Ballett gleitet mit der Akkuratesse preußischer Grenadiere übers Eis. Bejubelter Star ist Ingrid Wendl. Wenn sie in weiten Bögen über die spiegelnde Fläche gleitet, ihre komplizierten Figuren zieht, dann jubelt ihr das Publikum begeistert zu. Unverkennbar Tilo Gutzeit mit seinen weitausgreifenden Schwüngen, die harmonisch und ausgewogen sind.

Mit Komödiantentalent zieht Emmy Puzinger als amerikanische Miß ihre Kreise. Wenn dieses grazile Persönchen übers Eis wirbelt, strahlt sie förmlich vor guter Laune – und das Publikum strahlt mit. „Salto-Bobek“ scheint tatsächlich Gummiknochen zu besitzen. Man hält den Atem an, wenn er daherfegt, über seine Partner im Sprung hinwegsetzt, gegen die Einfassung der Eisbahn saust und sich noch in letzter Minute abfängt.

Nelken für die Damen

Beim zweiten Teil, „Der Cown“, wird’s besinnlicher. Straußwalzer und Leharmelodien erklingen, spanisches Temperament weicht „weanerischer“ Lieblichkeit. Ein Verehrer wirbt um eine Tänzerin, sie weist ihn ab, da sie nur einem Künstler gehören möchte. Aber siehe da, er entpuppt sich als Künstler, und ein glückliches Paar gleitet über das Eis.

Mit dem Walzer von der schönen blauen Donau endet die Revue. Zum guten Ende gab's aus der Hand von Stadtkämmerer Dr. Georg Zitzmann für jede der berühmten Damen einen Nelkenstrauß in den Stadtfarben. Ein beschwingter Abend auf dem glitzernden künstlichen Eis, während man noch wenige Stunden zuvor im herrlichsten Sonnenschein den schönsten Badefreuden frönte. Aber so geht es nun einmal: des Winters beste Seiten werden im Sommer serviert. 

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 3. September 1962

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